Das Jahr ist kaum älter als einen Monat und schon sieht sich Netflix inmitten einer Kontroverse, die den Streaming-Dienst nun sogar zu einer Warnung nötigt.
Hintergrund sind zwei Eigenproduktionen von Netflix, welche dem Publikum beide einen charismatischen und gutaussehenden Killer als zentrale Figur präsentieren:
«You – Du wirst mich lieben» ist die fiktive Geschichte eines jungen Leiters eines Buchgeschäftes. Als er sich in eine Nachwuchsautorin verliebt, ist er zunehmend von ihr besessen und schreckt schon bald vor nichts mehr zurück, um sich seinen Platz in ihrem Leben zu sichern.
«The Ted Bundy Tapes» ist eine Dokumentarserie, die auf den wahren Begebenheiten des Serienmörders Ted Bundy basiert. Bundy hatte in den 70er-Jahren mindestens 30 Frauen vergewaltigt und getötet.
Beim Publikum sind beide Serien anscheinend äusserst beliebt. Laut eigenen Angaben von Netflix wurde «You» innerhalb des ersten Monats von 40 Millionen Haushalten angeschaut. Da sich viele Haushalte einen Account teilen, dürfte die effektive Zuschauerzahl noch viel höher ausfallen.
Dieser grossartige Erfolg bringt nun allerdings auch einen Effekt mit sich, den Netflix so wohl kaum gewollt haben dürfte. In den sozialen Medien sympathisieren immer mehr Serienfans mit den beiden Hauptfiguren. Vor allem Joe Goldberg, der Protagonist aus «You», kommt beim weiblichen Publikum gut an. Dass die Figur eigentlich ein Psychopath ist, der kein Problem damit hat, sein Opfer zu manipulieren und menschliche Störfaktoren zu beseitigen, scheinen die Fans dabei auszublenden.
Verstärkt wird dieser Effekt noch dadurch, dass Influencer auf ihren Kanälen sogar Partei für Goldberg ergreifen und ihn vehement verteidigen. Ein solches Statement stammt beispielsweise von der Schauspielerin Millie Bobby Brown, die in «Stranger Things» die Rolle der Eleven spielt. In mehreren Instagram-Storys verteidigt sie Goldberg und erklärt, dass dieser kein gruseliger Stalker, sondern eben nur verliebt sei.
"He's not creepy, he's in love with her" is she really that stupid lmao pic.twitter.com/0QfMb6pOyb
— cait︽✵︽ (@ivarsdaenerys) 15. Januar 2019
Um einiges bedenklicher dürften die Sympathiebekundungen gegenüber Ted Bundy sein. Obwohl sich die Dokumentation mit einem der schrecklichsten Serienmörder der letzten 50 Jahre auseinandersetzt, gibt es in den sozialen Medien viele Zuschauer, welche Bundy als «heiss» bezeichnen.
Dies erinnert ein bisschen an den Gerichtsprozess rund um Bundy Ende der 70er-Jahre. Damals verklärten die Medien das Bild des Serienmörders so sehr, dass er sogar eigene Groupies hatte, die vor Gericht gegen eine Verurteilung protestierten.
Dass ein brutaler Serienmörder beim Publikum auf sein Äusseres reduziert wird und dadurch dermassen Zuspruch erntet, hat wohl auch Netflix überrascht. Auf Twitter veröffentlichte der Streaming-Dienst daher eine Warnung an alle diejenigen, welche Bundy heiss finden:
I've seen a lot of talk about Ted Bundy’s alleged hotness and would like to gently remind everyone that there are literally THOUSANDS of hot men on the service — almost all of whom are not convicted serial murderers
— Netflix US (@netflix) 28. Januar 2019
Dass nun auch noch ein Kinofilm über das Leben von Ted Bundy erscheint, dürfte nicht unbedingt förderlich für den bedenklichen Hype sein. In der Biographie «Extremely Wicked, Shockingly Evil and Vile» verkörpert der Hollywood-Schönling Zac Efron den Serienmörder. Der erste Trailer, der zum Film erschien, sorgte dann auch für einiges an Kritik, da der Clip nicht wirklich darstelle, was für ein abgrundtief böser Mensch Bundy gewesen sei. Stattdessen sieht man einen Ted Bundy, der sich seiner Kleider entledigt und ein Sixpack präsentiert.
with the ted bundy netflix series + with the zac efron bundy movie dropping later this year this is ur friendly reminder that any sexualization/romanticization/glorification/general hybristophile nonsense will not!! be!! tolerated!!! it’s 2019 get a fucking hobby u monsters
— Human Disaster™ (@winterandwidow) 25. Januar 2019
Update: Wie der Hollywood Reporter berichtet, hat sich Netflix inzwischen die Rechte am Kinofilm gesichert. Laut einer ungenannten Quelle soll der Streaming-Gigant dafür neuen Millionen US-Dollar bezahlt haben.
(pls)