Der erste Gedanke beim Betreten des Thai-Parks in Berlin Wilmersdorf? Also Thailand isses jetzt nicht ganz, ne? Der Zweite: Näher wird man der kulinarischen Vielfalt Bangkoks auch nicht kommen, es sei denn man hat vor einen Flug für 700 Franken zu buchen. Also nicht meckern hier und rein ins Getümmel. Denn vor mir liegt ein halbes Fussballfeld voll frittierter, geschmorter und gedünsteter Köstlichkeiten unter knallbunten Sonnenschirmen. Und wo gibt es bitteschön sowas, jedes Wochenende im Sommer? Eben.
Wie anfangen, wo loslegen? Neben unzähligen Fritteusen, Bastmatten und kleinen Hockern findet man auf der Thai-Wiese auch jede Menge Menschen, die neben- und übereinander auf Decken liegen und das für den Sommer so typische Meer aus Körpern, Sonnencreme und Plastikgeschirr bilden. Meine Begleitung und ich drehen erstmal eine Runde und entscheiden uns spontan für den Klassiker: frittiertes Schweinefleisch und Rippchen mit Papayasalat.
Ente kross mit Erdnusssosse und Duftreis sucht man hier vergebens, Authentizität lautet die erste Regel. Preislich hat man sich hier kartellgerecht abgesprochen, jede Portion kostet 7 Franken und lässt genügend Platz im Bauch für die restlichen Küchenvariationen – sofern man bereit ist, zu teilen.
Obwohl der Fokus mit einer breiten Auswahl an Phat Thai, Tom Yam, Tom Sam Lao, Fleischspiesschen und Roti auf der thailändischen Küche liegt, sind auch verschiedene chinesische, laotische und vietnamesische Gerichte zu finden. Seit 1994 treffen sich die Köche und Köchinnen in der Nähe des Fehrbellinger Platzes um sitzend hinter Töpfen asiatisches Essen nach Traditionsrezepten zuzubereiten und an interessierte Europäer zu verkaufen.
Hygienisch geprüft sind die Speisen natürlich nicht, aber das erwartet in Thailand schliesslich auch keiner. No risk, no fun. Extra für watson gehen wir gleich beim zweiten Gang aufs Ganze und gönnen uns einen Teller Grillen, Ameisen und Seidenraupen.
Während die Grillen vor allem nach würziger Marinade schmecken (kann man machen) und die Ameisen auch noch so etwas wie einen gewissen Flair (knusprig, insgesamt so lala) in den hintersten Ecken der Mundhöhle versprühen, sieht es bei den Seidenraupen ein wenig – naja – anders aus. Wer auf kaltes Seidenraupenfett mit Leberkonsistenz steht, wird seine Freude haben, alle anderen halten es wie ich und müssen erstmal heftig nachspülen, um das Ganze nicht vor Ekel sofort wieder hochzuwürgen. Sobald Insekten das neue Fleisch sind, werd ich Vegetarierin. Schwöre!
Nach diesem kleinen Fauxpas sehen wir ein, dass wir doch weniger hart im nehmen sind als vermutet und führen uns geknickt von dieser Erkenntnis wieder etwas Bodenständigeres zu. In meinem Fall: koreanische Reiskuchen, im Fall meiner Begleitung: drei bunte Dumplings mit Fleischfüllung, die frisch angebraten auf Papptellern serviert und später auf einem der übrigen freien Plätzchen des Thai-Parks geteilt werden.
Wo wir schon beim grössten Negativa der Veranstaltung wären: Nicht nur das Essen ist authentisch, sondern auch der bekanntermassen etwas liberalere Umgang mit Plastikverpackungen.
Für jede Portion bekommt der Besucher neues Plastikgeschirr. Selbst, wenn eigene Teller mitgebracht werden, sind diese nach dem spätestens zweitem Durchgang dreckig und können nirgends richtig abgewaschen werden, was trotz der ausgezeichneten Küche einen schalen Beigeschmack hinterlässt, sofern man sich den blauen Müllsäcken nähert, die schon um 14 Uhr zu überquellen drohen. Ein intern organisierter Putztrupp sorgt aus diesem Grund gegen Abend dafür, dass der Müll auch wirklich wieder wegkommt. Auch der, der sich in den Büschen verfangen hat.
Weil wir nach zwei Stunden kreuz und querer Schlemmerei noch nicht genug haben, entscheiden wir uns dank Futterneid (Kuck mal, was der da hat!) noch für ein Säckchen gemischter Süssigkeiten. Genauer gesagt: Mungbohnenbällchen mit Pfeffer-Zwiebelfüllung, Süsskartoffel- und Sesambällchen.
Man ahnt es schon, besonders erstere Variante hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Frittierter, süsser Teig – und dann kommt da was mit Zwiebeln rein? Nur was für Profis, ganz klar, der Rest begnügt sich am besten mit den etwas kleineren roten und gelben Süsskartoffelbällchen.
Während meine Begleitung dazu «Jelly» trinkt, mache ich mir ernsthafte Gedanken um meinen Blutzuckerspiegel und bleibe erstmal beim Wasser, solange bis ich doch noch zu einem Probeschluck überredet werde.
Falls es jemanden genauer interessiert: «Jelly» im Mund schmeckt wie Aale verschlucken. Gänsehaut vor Widerlichkeit – aber das ist nur meine sehr subjektive Einordnung!
Die Thai-Wiese mitten in Berlin ist in jedem Fall einen Besuch wert und noch dazu weitestgehend vom klunkerkran’schen Massentourismus verschont geblieben. Wer Lust hat, die deutsche Hauptstadt auch mal abseits der ausgetretenen Pfade zu erkunden, sollte für den Sonntag vielleicht nicht nur einen Besuch im Berghain, sondern auch auf der Thai-Wiese einplanen.
Vollgegessen tanzt es sich nicht unbedingt graziler, aber ziemlich wahrscheinlich länger.