Hätte man mich vor einigen Jahren gefragt, was der wichtigste Skill beim Daten ist, ich hätte doch glatt Texting geantwortet. Ein Mann, der schreiben kann – wie soll man da bitteschön Nein sagen? Wenn der Montagmorgen mit einer süssen Nachricht beginnt, war die Woche gerettet, bevor sie angefangen hatte. Ich ging also strikt nach der Regel vor: jeder, der nicht gewillt ist in mehr als drei Sätzen zu antworten, verdient keine weitere Aufmerksamkeit.
Was soll ich auch mit Jans, die mir «Hey, wie geht’s» senden, oder erst vier Tage nach dem ersten Treffen schreiben. Kommunikation ist schliesslich das Wichtigste in einer angehenden Beziehung – welcher Art auch immer – und wenn ich schon beim Blick aufs Display Bauchweh bekomme, dann kann das doch nichts werden.
Heute bin ich (in 98 Prozent der Fälle) anderer Meinung. Denn was bei der Diskussion um gute Texting-Skills meiner Meinung nach oft vergessen wird, ist, dass nicht jeder Mensch auf diesem Planeten geboren ist, um Gedichte auf Instagram zu rezensieren.
Folgende Menschen können in der Regel gut schreiben:
Schreiben wird gerade im bourgeoisen Künstlermilieu als etwas Selbstverständliches angesehen, weil man es in der Schule oder an der Universität lernt und dabei vergisst, dass nicht jeder Lust und Musse hat, seine Fähigkeiten auszubauen; genauso wenig wie ich Lust habe in meiner Freizeit Gleichungen zu lösen.
Natürlich kann man jetzt argumentieren: Na gut, aber Schreiben braucht man doch im Alltag! Oder: Schreiben tut jeder, der im Berufsleben steht.
Ja, schon. Aber nicht jeder muss eloquent sein, wenn er eine berufliche E-Mail beantwortet. Nicht umsonst gibt es Business-Floskeln. Die Kunst zu Schreiben ist wie aktuell weit verbreitet gedacht eben nicht jedem gegeben. Und: was ist so schlimm daran? Es gibt Männer (und Frauen natürlich auch!), die haben keine Lust auf WhatsApp-Nachrichten, und sind trotzdem tolle Menschen, mit denen man sich stundenlang im echten Leben unterhalten und Blödsinn machen kann, die einen mit spontanen Anrufen aus dem Alltag reissen oder mal ein lustiges Meme senden.
Oder, umgekehrt: wie oft ist es schon passiert, dass jemand wunderbare Romane tipselte, nur um sich danach als unzuverlässiger Komasäufer herauszustellen, der – wenn es darauf ankommt – nicht an sein Handy geht, obwohl man verabredet ist? Was nützt mir SMS-Gesäuselei, wenn kein Treffen zustande kommt? Wenn trotz lustiger Konversationen keine Verbindlichkeit besteht? Wenn der oder die Sommerliebelei zwar gut schreiben kann – aber nur dann, wann er oder sie will?
Für mich ist inzwischen nicht mehr die Qualität der Nachrichten entscheidend, sondern das, was den Menschen dahinter auszeichnet. Warum nicht darüber sprechen, warum jemand nicht gerne textet – oder keines deiner Social-Media-Fotos liked?
Vielleicht hat der Typ mit der langweiligsten Profilbeschreibung der Welt und einem nichtssagenden «Hey, wie geht es dir» mehr zu bieten als der Newcomer-Regisseur. Vielleicht ist er auch einfach schlecht in diesem Dating-Game, schüchtern, vorsichtig – aber ein wahnsinnig lustiger Kerl, sobald du ihn erstmal kennengelernt hast, der sofort einen Roadtrip in Italien mit dir planen würde, wenn du fragst.
Und manchmal, da denke ich sogar es ist gut wenn der Kerl nicht so viel schreiben mag. Weil dann tut er das auch nicht ständig mit anderen. Da weiss man: diese eine Nachricht, die Samstagnachts kommt, die ist wirklich ernst gemeint. Die hat tatsächlich etwas zu bedeuten.