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Web-Serie «Kreuz & Queer» zu Geschlecht und Identität

Neue SRF-Web-Serie: Hilfe, was bin ich? Frau, Mann, beides, viel mehr, alles oder nichts?

Transmann Fynn erzählt seine Geschichte ab dem 8. April in «Kreuz & Queer».Bild: srf
Statt «SRF bi de Lüt» gibt's jetzt «Kreuz & Queer». Die Web-Serie rund um alles, was mit Geschlecht und Identität zu tun hat.
03.04.2017, 17:3004.04.2017, 20:32
Simone Meier
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Als ich jung war, so um 1990, da war die Welt total einfach. Die Menschen waren hetero-, homo- oder höchstens bisexuell. Und es gab ganz wenige Männer, die sich entweder als Frauen verkleideten oder sich «zu Frauen umoperieren» liessen.

Die «Schweizer Illustrierte» schrieb damals gerne darüber, wie unglücklich sich die «Transsexuellen» im «falschen Körper» gefühlt hatten, aber dass es ihnen im neuen auch nicht besser gehe.

Und dann hatte ich mein Coming-Out. Aber auch ein paar «Rückfälle». Ich fragte mich: Bin ich jetzt so richtig bi oder lesbisch mit heterosexuellen Phasen? Ist da noch irgendetwas fix und sicher? Und wieso frag ich mich das überhaupt? Alles wurde sehr kompliziert. Und garantiert wärs vielen Leuten lieber gewesen, wenn ich meine Fragen nicht auch noch laut gestellt hätte.

Hinter der glamourösen Kunstfigur Milky Diamond verbirgt sich ein Mann, dessen Identität immer neue Kostümierungen sucht. Er eröffnet «Kreuz & Queer».Bild: srf

Aber sag das mal einem jungen Menschen! Der junge Mensch ist ja noch in allem auf der Suche und will ständig darüber reden: Was will ich mal werden? Will ich Familie oder nicht? Wer bin ich und weshalb? Wen liebe ich und wieso? Und liebe ich eigentlich mich selbst? Wenn nein, wieso nicht? Wie könnte ich mich mehr lieben? Wo ist mir am wohlsten?

Und schon sitzt man mitten in den Baustellen seiner Identitätsbildung. Es ist eine fragile Zeit. Und eine sensible.

Umso erfreulicher ist deshalb «Kreuz & Queer», eine Koproduktion von SRF mit «Vice». Das Web-Video-Format, das am 3. April gestartet ist, zeigt junge Menschen, deren Geschlechteridentität «queer» ist, also nicht festgeschrieben, ein riesiges, vieles umfassendes Experiment. Es umfasst alle Schattierungen sexueller Identität abseits der klassischen Feld-Wald-und-Wiesen-Heteronormativität.

Lou ist rasend attraktiv! Leider hat uns SRF nur dieses lausige Bild zur Verfügung gestellt (Lou ist ab dem 6. April zu sehen).bild: srf

Weil das Schweizer Fernsehen weder von Jugend noch von Sexualitäten, die nicht direkt «bi de Lüt» sind, wirklich eine Ahnung hat, ist die inhaltliche und produktionstechnische Verantwortung an das Online-Magazin «Vice» ausgelagert worden. Finanziert wird «Kreuz & Queer» gemeinsam. Und was kommt dabei heraus? Wir begegnen jungen Menschen aus der Schweiz, die sich selbst eine glückliche neue Normalität und – ganz wichtig – eine Community geschaffen haben.

Es sind Menschen, die für sich und andere aus einer grundsätzlichen Verunsicherung eine neue Sicherheit schufen. Die Message von «Kreuz & Queer» ist extrem positiv.

Milky Diamond, Lou und Fynn, den dreien, die in der ersten Aprilwoche gezeigt werden, ist es wohl mit sich und der Kamera. Drag-Artist Milky Diamond ist ein Fetischist der glitzrigen Oberfläche. Lou, will sich weder für eine männliche noch für eine weibliche Identität entscheiden müssen, ist brutal reflektiert und theoretisch versiert und akzeptiert Ausschliesslichkeit in keinem Fall. Lou hätte Mühe, mit einer Frau zu schlafen, die sich «nur» als Lesbe definiert. Und Transmann Fynn ist am glücklichsten, wenn die Welt in ihm einen jungen Mann sieht. Er liebt das Wort «er» viel mehr als «sie», sagt er. 

Unerschrocken, androgyn, verliebt in eine Ex-Miss: Die «Kreuz & Queer»-Folge mit Tamy Glauser gibt es ab dem 12. April.Bild: srf

Leider ist in jeder Folge auch noch Moderator Florian Sonderegger zugegen. Weiss der Mann, worum es hier geht? Fühlt er es? Zu vieles klingt auswendig gelernt. Engagement und Empathie drücken sich anders aus. Aber vielleicht muss das so sein. Vielleicht ist das Konzept. Dieser von allen Zweifeln unbeleckte (okay, das ist eine böööse Unterstellung!) Hetero-Blick auf die schillernden Mikroparadiese der andern.

«Kreuz & Queer»: 25 Episoden à ca. 5 Minuten, zu sehen auf der Online-Seite von SRF Virus, auf der Youtube-Seite von SRF Virus oder bei Vice. Eine zweite Staffel ist für den Herbst geplant.

Folge 1 von «Kreuz & Queer»

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90 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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thekid
03.04.2017 20:27registriert Dezember 2015
Ich finde dieses Thema extrem interessant und denke auch dass es manchen sehr weiterhelfen wird. Nur finde ich schade dass so ein Thema immer noch in gewissen Menschen Abscheu auslöst. Dabei wäre es so einfach: Man toleriert alle Menschen, so wie sie sind. Solange niemand zu Schaden kommt ist alles gut.
Wenn jemand Trans ist, wieso fühlen sich andere Menschen angegriffen. Es betrifft Sie ja nicht. Let people be people, alright?
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PhilippS
03.04.2017 20:02registriert September 2016
Hier fragen einige ernsthaft (?!) ob diese Serie mit Gebühren (mit-)finanziert werden darf?!?! Solange es Leute gibt, die diese Frage nur denken gibts nur eine Antwort -JA!!!
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sevenmills
04.04.2017 22:23registriert Oktober 2014
Ich weiss nicht... Jedem das Seine. Aber irgendwie ist dieses Thema für mich so abstrakt und weit weg. Ich bin weder konservativ aufgewachsen, noch habe ich einen kleinen Kollegenkreis oder wohne auf dem Land. Aber ich kenne genau eine homosexuelle Person, von "noch abenteurlicherem" ganz zu schweigen. Von dem her ist dies für mich auch kein Thema, über das ich mir jemals Gedanken gemacht hab, geschweigedenn überhaupt einen Gedanken daran gegeben habe, dass es überhaupt andere Geschlechter oder Sexualitäten geben könnte... Hab Mühe damit, aber urteilen tu und darf ich nicht. Jedem das Seine.
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