Will ich mich schlecht fühlen, weiss ich sofort, wo ich hinschauen muss: auf den Instagram-Account einer x-beliebigen Interior-Bloggerin. So, wie einst Frauenmagazine die Messlatte für den Traumkörper höher legten, wissen auch die Annikas und Ninas dieser Welt genau, wie sie mich kriegen: mit selbstgetöpferten Teetassen und dem Versprechen, das selbst hinzubekommen.
Ja genau.
Ich sage es ungern, aber: ihr nervt.
Und ihr tut das, wie alles in eurem Leben: überraschend erfolgreich und perfekt organisiert. Warum, fragt ihr euch auf der Chaiselongue in euer 170-Quadratmeter-Wohnung, während ihr auf die Rückseite eures kariert-gemusterten Smartphone-Etuis starrt? Ist doch total unfair, das? Aber nein, liebe Luise. Lass mich ausholen!
Vor ein paar Jahren, da fand ich dich und deine Betonblumentöpfe noch ganz schick irgendwie. Du hast mir gezeigt, dass lila Filzuntersetzer cooler sind als die Pappe von IKEA, Spiegel physische Tiefe erzeugen und DDR-Möbel ausgezeichnet zu einer minimalistischen Einrichtung passen, sofern man auf den Plastikboden in der Küche verzichtet.
Ich war solange von dir und deinem Stil begeistert, bis ich eines durchschaute: Dass die obsessive Beschäftigung mit der eigenen Inneneinrichtung genauso krankhaft werden kann wie jene mit der eigenen Figur.
Niedlich hier, clean dort: Es ist, als ob Frauenzeitschriften ein Thema durch das andere ausgetauscht und dich dafür als Testimonial eingespannt hätten, um die Industrie gleich mit dem Putzwahn mitanzukurbeln.
Durch den Druck, regelmässig eine fotogene Wohnung zu schmücken, habe ich das Interesse an deinen selbstgebauten Möbeln und der Anleitung für den Midcentury-Chic verloren – selbst, wenn sie schön aussehen.
Manchmal, da nervst du mich sogar schon frühmorgens, wenn du Fotos von dir und deinem gerade frisch drapierten Bett mit tausend Polstern postest und sie mit «inspirational quotes» untermauerst. Weisst du, für was die bei mir sorgen? Frustration, nicht Inspiration. Lifestyle-Druck. Aber das interessiert dich wahrscheinlich gar nicht.
Du schreibst, du hättest gerne zwei neue Badezimmerwaschbecken. Geld, es scheint in deinem Leben wie von Zauberhand keine Rolle zu spielen. Ich weiss nicht, ob es dir aufgefallen ist, aber die neue Deckenbeleuchtung muss man sich erstmal leisten können. Stoffpolsterüberzüge für 50 Franken, you serious?
Du möchtest wirken wie die nette Frau von nebenan, während du in Wirklichkeit keine grösseren Probleme zu kennen scheinst als den seltenen Zustand, in dem die Tagesdecke nicht zur Couch passt.
Manchmal frage ich mich, wann du dir eine Yacht ins Wohnzimmer stellst und mir das als gute Investition für später verkaufst.
Wenn man erst einmal angefangen hat, sich an dir zu orientieren, ist es wie mit den Tipps für einen Hintern à la Sylvie Meis in der InTouch: man kommt einfach nicht ran. Vielleicht macht das deine Faszination aus.
Nachdem ich mich mühsam von den Nachwirkungen frauenfeindlicher Lektüre erholt hatte («5 geheime Tipps für den Beach-Body»), kamst du plötzlich ganz unschuldig via Social Media um die Ecke und hast mir etwas von richtigen und falschen Gardinenstangen erzählt. Fast so, als ob der Rückzug ins Private die Antwort auf irgendetwas wäre.
Let's face it: Mit der perfekten Inneneinrichtung ist es wie mit der perfekten Garderobe – es gibt sie nicht und sie wird nie fertig sein, egal, wie oft man online nachbestellt. Man kann nie genug drapieren, aufhängen, festschrauben, arrangieren. Es wird immer eine Ecke, ein Stück Fussboden, einen schlechten Winkel im Badezimmer geben, der den Flair versaut.
Also, bei mir, nicht bei dir, liebe Interior-Bloggerin, denn bei dir sieht das natürlich immer so leicht aus. So, als ob die Blumenampeln (was zur Hölle) an der Decke schon immer dagewesen wäre, so, als ob man gerade in einem hippen Café in Berlin Mitte sitzen würde, wo ein Stück Tarte kleiner ist als der grosse Daumen und trotzdem 4,70 kostet. Und nicht seinen gesamten Samstag opfern müsste, um endlich das neue Schuhregal im Flur anzubringen.
Oder bist du so jemand, der seinen Gästen den Teller noch vor dem letzten Bissen wegreisst um ihn rechtzeitig vor dem Dessert in den Geschirrspüler zu stecken?
Heute werde ich deinen neurotisch inszenierten Instagram-Account entabonnieren, auf dem du mir ein perfektes Leben ohne Chipsbrösmeli in Polsterritzen vorgaukelst. Mich frei machen von dem Gedanken, dass das Leben besser wird, wenn man endlich die Giesskanne aus Kupfer hat.
Also, dann, wenn der Sale vorbei ist, drüben in meinem neuen Lieblingsstore.
Spätestens!