Leben
Gerechtigkeit siegt

Woran glaubst du?

Woran glaubst du? 

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14 Leute haben sich Zeit genommen, über diese grosse Frage nachzudenken. Hier sind ihre Antworten.
25.12.2018, 10:3826.12.2018, 06:44
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«Von Sonn' und Welten weiss ich nichts zu sagen,
Ich sehe nur, wie sich die Menschen plagen.
Der kleine Gott der Welt bleibt stets von gleichem Schlag,
Und ist so wunderlich als wie am ersten Tag.
Ein wenig besser würd' er leben,
Hättst du ihm nicht den Schein des Himmelslichts gegeben;
Er nennt's Vernunft und braucht's allein,
Nur tierischer als jedes Tier zu sein.»

So spricht Mephistopheles zum Herrn in Goethes Faust. Er ist der Geist, der stets verneint. Daher rührt auch seine himmelschreiende Negativität. «Alles, was entsteht, ist werth, dass es zu Grunde geht», sagt er. 

Doch ist es wirklich so schlimm um uns bestellt? Was treibt die Menschen an? Und woran glauben sie?

14 lebensbejahendere Antworten. 

Alrik*, 32, Lehrer

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«Ich glaube, dass wir alle als Menschen ein Bedürfnis nach Sinn und Bedeutung haben und uns dafür Geschichten zurechtlegen, die unser Leben mit Sinn und Wert füllen. Letzten Endes ist es mir egal, was für eine Geschichte ein Mensch für sich wählt, da alle die gleiche Gültigkeit haben.

Die Geschichte, die ich für mich gewählt habe, besagt, dass ich hier bin, um Gutes zu tun, und ich glaube daran, dass das Gute auch möglich ist. Das ist das, was mich zwischen all den nervigen Klassen, Korrekturen und Problemen in der Schule über Wasser hält: dass ich hier etwas mache, was wichtig und gut ist.»

Monika Wasik, 34, Kulturwissenschaftlerin 

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«Ich glaube an die absolute Herrschaft der Gene. Wenn wir auf die Welt kommen, ist es bereits zu spät. Indem wir leben, vollziehen wir einfach den Willen unserer Gene.

Das ist Katholizismus 2.1!

Erziehung ist auch wichtig, dient aber vor allem der Unterhaltung. Eltern sind die Vasallen der Gene.»

Thomas Winter*, 32, Diplomat

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«Woran ich glaube? Keine einfache Frage, wenn ich dem wirklich mal nachgehe. Nach zwei, drei Denkschlaufen und verworfenen, klischeemüffelnden Ausformulierungsversuchen führt sie unweigerlich zur Frage, welches ‹Glauben› wir denn meinen.

Oft beziehen sich Leute, die eine rasche Antwort auf diese Frage haben, ja mehr auf moralische oder ideologische Überzeugungen und Werte denn auf Grosses-G-Glauben im Sinn eines welterklärenden, kosmischen Gesamtreferenzsystems. Was dann in Plattitüden wie ‹Ich glaube an Altruismus / die unsichtbare Hand des Marktes / freie Liebe› und so weiter endet, für die ich geistig schlicht zu eitel bin.

Wenn wir also von Glauben mit grossem G reden, würde ich mich ziemlich klar im Orden der empathischen Agnostiker verorten. Ich wuchs in einer christlich-freikirchlichen Familie auf (‹uuuuuh›, klingt's aus dem Sektenblog), aber mein christlicher Glaube kühlte sich während meiner Jugend aus vielerlei Gründen intellektueller und sozialer Natur schrittweise ab.

Bis plötzlich nicht mehr viel übrig war, ausser Verständnis dafür, warum Glaube für andere Menschen wichtig sein kann. Und eine gewisse Empathie für Menschen der altgedienten Glaubensrichtungen, die oft einen schweren Stand haben in unserer modernen und proto-aufgeklärten Gesellschaft (deren atheistische Mittdreissiger in ihrer Selbstsuche dann doch jedem eso-spirituellen Trend und Guru nachrennen, aber das ist ein anderes Thema).

Genauso fremd wie das grelle oder fanatische Ende der Gläubigen-Skala sind mir aber bis heute auch fanatische Atheisten, die partout allen Glauben an übernatürliche Referenzsysteme ausmerzen wollen, sei es aus intellektuellem Überlegenheitsgefühl (Wissenschaftsüberhöhung?) oder zur Weltverbesserung.

Ob eine Welt ohne Religion und Glauben besser wäre, weiss ich nicht – es gab sie wohl schlicht noch nie seit Homo sapiens, und dieser Tage krankt die Welt oft mehr an ihren nichtreligiösen Ideologien. Aber eine religionsfreie Welt herbeizwingen zu wollen, macht die unsere wahrscheinlich auch nicht besser. Nicht glauben und glauben lassen ist darum mehr meine Devise.

Trotz meiner agnostischen Überzeugung bin ich aber ein sehr wertgetriebener Mensch – nix mit nihilistischer Postmoral, die wir uns ja nach Wegfall von Himmel, Hölle oder Wiedergeburt leisten könnten. Was mich zur Frage führt, ob ich nicht, insgeheim oder unbewusst, doch noch daran glaube, dass das Universum gewissen moralischen Prinzipien folgt. Karma, Nächstenliebe, Yin und Yang, solcherlei?

Die ehrliche Antwort: Nicht wirklich. Aber ich glaube, dass das Leben mit Empathie und Rücksichtnahme, mit Kooperation statt Konfrontation und mit Altruismus statt permanentem Futterneid letztlich besser, erfüllender und weniger ermüdend ist. Für diese Werte reicht mir unsere Welt ohne kosmische Hintergrundstory.»

Claude Cueni, 62, Schriftsteller

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«Ich glaube, dass jeder Mensch im Leben eine Second Opinion braucht, sonst endet er in einer Gemeinschaftsblase. Ich glaube, dass wir bei Eintritt des Todes aufhören zu existieren und dass die Erben den Kühlschrank plündern, die Pinguin-Sammlung verhökern und das Zeitungsabo künden. Ich glaube, dass das meiste, was ein Mensch in seinem Leben geschrieben hat, eines Tages im Altpapier landet.

Zurück bleibt, was er für andere Menschen getan hat. Ich glaube, wir überleben mit unseren Genen und unseren guten Taten.»

Černý Petr*, 32, Metallbauingenieurin

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«Ich bin selber nicht religiös und glaube nicht an höhere Wesen. Aber ich glaube daran, dass der Glaube an sie – und an andere Sachen – trotzdem wirksam und dabei nicht unbedingt schlecht ist: Wenn man aus dem Gefühl heraus, es gebe etwas Höheres, etwas Gutes tut, dann macht es nichts, wenn es das Höhere im Endeffekt gar nicht gibt. Denn das, was man gemacht hat, hat ja trotzdem Bestand. Der Glaube hat die Kraft gegeben, es zu tun, nicht ein höheres Wesen – getan ist es aber trotzdem.

Dasselbe gilt auch für schlechte Taten, die gelegentlich ebenfalls im Namen höherer Mächte ausgeübt werden. Wie es also schon bei Spider-Man heisst: ‹Mit grosser Macht ist auch grosse Verantwortung verbunden›. Glauben gibt Kraft, also muss man vorsichtig damit umgehen. Und wenn man einen weiten Begriff von Religion annimmt, haben auch Mythen, Star Wars, Entenhausen, Ueli der Knecht, Ueli der Pächter und die Simpsons darin Platz – eben alles, was vielen Menschen ein gutes Gefühl gibt, obwohl es ehrlicherweise so ein bisschen erfunden ist.

Oft steht der Glaube der Realität um 180 Grad entgegen. Das ist natürlich etwas lächerlich, aber manchmal vielleicht auch gar nicht so schlecht. Schaut man auf die Welt, so sieht man Rücksichtslosigkeit und Missgunst im Kleinen, Verwüstung und Krieg im Grossen.

Nun kommt (um bei einem bekannten Beispiel zu bleiben) ein Typ in Sandalen an und sagt: ‹Ich habe das Gesetz der Welt durchschaut.› – Kennen wir schon: Tod und Zerstörung. – Er aber: ‹Falsch, es ist die Liebe.› – Äh, nein, ist es offensichtlich, wenn man so herumschaut, nicht.

Sollte man dann aber nicht manchmal wenigstens so tun? Tiere sind bedeutungslose Zellhaufen, die zu grosser Brutalität fähig sind. Man muss nur mal zuschauen, wie genüsslich eine Katze eine sterbende Maus über Stunden plagt. Wenn die Maus endlich tot ist, lässt sie sie liegen und chillt auf einem Baum. Die Katze hat kein Gewissen – und ist trotzdem noch nichts gegen den Menschen: Er ist ein bedeutungsloses Zellhaufen-Tier, das Maschinen bedienen kann, um andere zu töten (was Katzen zum Glück – noch? – nicht können), und dann statt zu chillen in die Stadt rennt, um Kleider aus Kinderarbeit zu kaufen.

Die Logik von vorhin – dass Taten aus einem Glaubens-Gefühl heraus trotzdem wirken, auch wenn es etwas Höheres eigentlich (oder vielleicht) gar nicht gibt – gilt trotzdem. Und man kann diese Logik nicht nur auf seine Taten, sondern auch auf sich selbst anwenden: Man kann beschliessen, dass es vielleicht sinnvoll war, mal ein bisschen darüber nachzudenken, wie scheisse der Mensch ist, aber dass es vielleicht auch einen Versuch wert wäre, zumindest so zu tun, als wäre man selber und die anderen (inklusive Tiere) kein bedeutungsloser Dreck.

Man hört dann ein schönes Musikstück, hilft ein paar Blinden über die Strasse und spendet an ein Hilfswerk. Man wählt Leute, die nicht nur die eigenen Interessen verteidigen, sondern auch einen Blick auf das Leben anderer Menschen haben, oder kandidiert sogar selber für etwas. Man ist nett zu anderen und versucht, manchmal etwas nachdenklich an Sachen heranzugehen.

Manche Leute gewöhnen sich aber leider etwas zu sehr an ihre eigene Freundlichkeit und haben unter Umständen das Gefühl, sie seien tatsächlich etwas Besseres als andere (auch wenn sie das NIE sagen würden). Dann muss man sie daran erinnern, dass sie eigentlich genau so sind wie alle anderen, z. B. indem man sie ein bisschen mobbt (Katzenstyle).

Aber man darf sich auf diesem kleinen Rachetriumph nicht zu lange ausruhen: Denn obschon es eine noble Tat ist, hochnäsige Leute zu piesacken, darf man vor lauter Piesack-Spass nicht vergessen, dass man auch selber mal wieder an etwas Gutes glauben könnte – oder zumindest so tun. Man sollte dann ein paar freundliche Sachen machen und darüber hinaus, in grösseren und schwierigeren Situationen, wie wenn jemand schwer krank ist, wirklich da sein, und auch generell Liebe geben.

Vielleicht vergisst man dann sogar ein bisschen, dass alles ja eigentlich ganz schlecht ist, und macht es zugleich vielleicht tatsächlich auch gleich etwas besser. Oder man wird hochnäsig. – Dann muss man gepiesackt werden.»

Elis, 5, im Chindsgi

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«As Chrischdchindli denks! I weiss ganz genau, wie's usgseht: wiss, fascht durchsichtig mit goldige Flügel und glänzige Hoor. I has letscht Mol gad no usem Fenschter flüge gseh. Es wohnt im Schwarzwald gad näbem Samichlaus, und baschtlet zäme mit viel Engel Gschenk für d'Chinder.

I weiss nur nonig, wie die grosse Päckli durs kippte Fenschter passed. Aber das Johr verstecki mi und lueg zue ...»

Philomena*, 44, Ethnologin


«Nachdem ich mir zu diesem Thema nun ein Weilchen Gedanken gemacht habe, gibt es für mich drei Schlagworte. Das Gute, Macht und Magie.

Zuerst, und das ist für mich zentral, glaube ich an das Gute, das grundsätzlich allen Menschen innewohnt. Ich weiss, dass das bis zu einem gewissen Grad romantisiert ist, aber daran zu glauben, dass gerade auch Menschen, die ich aufgrund ihrer Handlungen komplett ablehne, eigentlich etwas Gutes in sich tragen, hilft mir eher, einen Umgang mit ihnen zu finden.

Würden wir alle nach diesem ‹Guten› leben, hätten wir mehr Verständnis für einander, nähmen uns selbst nicht so ernst und würden wohl nicht in einer solch kapitalistischen Welt leben.

Dieses ominöse Gute ist natürlich sehr einfach korrumpierbar. Verschiedenste Religionen, so meine ich zumindest, versuchen in ihrem Kern, die Menschen an dieses Gute heranzuführen. Viele Menschen meinen im Sinne der Religion nach diesem Guten zu streben – nur steht da oftmals ein gleichzeitig auftretendes Machstreben dazwischen. Ob dies nun die Deutungshoheit, das Streben nach mehr Einfluss oder die Gier nach mehr ganz allgemein ist.

Ich war ein religiöses Kind, hauptsächlich weil meine damalige beste Freundin in einer freien katholischen Gemeinde aufwuchs. Meine Eltern waren zwar gläubig, aber sehr offen in Umgang und Interpretation der christlichen Religion. Ich freute mich auf meine Erstkommunion, darauf, dass ‹Jesus nun zu mir kommt›, wie es die Katechetin ausgedrückt hatte. Die Enttäuschung war dementsprechend riesig, als ich nichts verspürte ausser dem pappig-süssen Oblatengeschmack auf meiner Zunge.

Mit neun Jahren begann ich mir also eine eigene Vorstellung von Gott oder Religion zusammenzuschustern. Heute würde ich mich als Agnostikerin, schwankend zwischen Verständnis und Verurteilung verschiedenster Religionen und Spiritualität, bezeichnen. Religionen waren von je her grandios darin, Unverständliches magisch zu machen. Das, was unser Vorstellungsvermögen übersteigt, kommt dann in Form von Dreifaltigkeit, Dämonen, Einhörnern oder Engeln daher.

Eigentlich mag ich dieses Magische. Das heisst, ich gehe gerne in eine Kirche in einer überfüllten Stadt und zünde eine Kerze an. Wenn eine mir liebe Person eine Operation oder eine Prüfung hat, sende ich nicht nur gute Gedanken, sondern auch etwas Kerzenschein. Denke ich wirklich, dass diese Kerze etwas bewegt?

Eigentlich nicht, aber genau dieser kleine Moment des Vertrauens in etwas Grösseres, etwas Magisches, das ich nicht verstehe, dass vielleicht doch etwas in die richtige Richtung gelenkt wird, daran halte ich halt doch gerne fest.»

Benjamin von Wyl, 28, Journalist

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«Woran ich glaube? Dass alles am Ende keinen Sinn macht, aber darin auch der Wert liegt. Dass Zufall, mündliche Überlieferungen auf dem Boden irgendeines Zelts, dazu eine Hors-d'oeuvre-Portion Pemmikan ganz viele Verflechtungen, Überfrachtungen und nicht mehr dekodierbare Einsichten, Erzählungen und Mythen in die Menschheit injizierten. Dass diese Erzählungen und die folgenden Überfrachtungen seit der Schrift, seit dem Buchdruck, seit den Stickers auf der Messenger-App Telegram exponentiell zugenommen haben.

Die Überfrachtungskurve geht steil nach oben, die Identitätswurzeln verästeln sich acht Milliarden Mal. Und genau deshalb liegt der Wert im Zusammenhalt. Wenn mir eine engagierte Christin über 70 erzählt, wie sie ihr Leben lang für globale Gerechtigkeit gekämpft hat – und ich mich ihr nah fühle, obwohl ich ihren Glauben höchstens mit ein paar Kindheitstraumata verbinde.

Wenn man sich oberhalb der Nebeldecke umarmt, auf der Spitze eines Jurahügels, und alles fern ist und dann das Smartphone vibriert: die ersten Resultate zur Selbstbestimmungs-Initiative. Haushoch abgelehnt.

Rechtsstaat und Menschenrechte, das sind Grundüberzeugungen, die man mit der Person, die man oberhalb der Nebeldecke umarmt, teilt. Aber ihr seid dann trotzdem noch oberhalb der Nebeldecke. Sehr weit weg, Rechtsstaat ist irgendwo da unten, unsichtbar. Ich glaube an Zusammenhalt – und halte ihn genau deshalb für wundersam, weil er über so viele Wurzelverzweigungen hinweg spürbar sein kann.»

Lukas Linder, 34, freier Dramatiker


«Was auch immer es ist, beim ersten Mal muss es schiefgehen. Daran glaube ich mit geradezu katholischem Eifer. Beim zweiten Mal jedoch ist Besserung möglich. Nicht unbedingt, es ist sogar ziemlich unwahrscheinlich, doch an Wahrscheinlichkeiten glaube ich nicht.

Ich glaube an die Schönheit der zweiten Chance. Und die schwermütige Poesie der dritten.»

Albert Fischer, 81, Autor


«Es war harte Arbeit, mich aus meiner katholischen Erziehung zu befreien. Heute sehe ich mich als Atheisten, behaupte aber immer, dass es einen grossen Unterschied zwischen einem katholischen und einem andern Atheisten gibt, denn viele der anderen wissen nicht, wie sehr eine Religion eine ‹Seele› beherrschen kann. Viele denken, das sei alles nicht soo schlimm. Ist es aber. Es gilt das Motto, gebt mir die Kinder, so werde ich die Welt beherrschen.

Gott ist für mich inzwischen zu einem Wort zusammengeschrumpft. Eine Erfindung mangels besseren Wissens für etwas, wofür ich keine Erklärung habe und nicht zu haben brauche. Denn kaum geboren, werde ich wieder zu Staub. Wir, wie alle anderen Lebewesen, sind einfach systeminhärente, sich fortdauernd verändernde Macharten und spielen in diesem uns bewussten Universum nicht wirklich eine Rolle. Irgendwann werden wir aussterben, wie einst die Saurier. 

Bis es so weit ist, leben wir wankelmütig zwischen den beiden Polen Instinkt und Verstand. Wir bilden Gemeinschaften zu unserem Schutz, zur geistigen oder materiellen Bereicherung oder auch nur spielerischen Unterhaltung, erfinden dauernd neue Gelegenheiten, die uns zusammenführen: Partnerschaften, Ehen, Vereine, Parteien, Staaten, Religionen, Kultur, Zweckverbände. 

Durch mit Verstand einvernehmlich geschaffene Regeln können wir uns vor den fatalen Konsequenzen gegenseitiger Feindschaft und anderen Widerwärtigkeiten wie Naturgewalten schützen. Doch Machtinstinkt und -anspruch führen immer wieder zu Fanatismus, Unduldsamkeit und Gewalt. Ihre Treiber tarnen ihr Tun ‹zum Wohl der Gesellschaft›, missbrauchen so Gutgläubige und im Extremfall ganze Völker, verwenden ihre Macht zur Disziplinierung und Unterdrückung ihrer Mitmenschen und zur Abwehr oder gar Vernichtung ihrer Gegner. 

Ich glaube, Friede und Fürsorge unter allen Menschen, auch gegenüber der Natur, sind unabdingbar, werden aber weltumspannend immer sehr fragile Traumwesen bleiben. Ignoranten, Heilsbringer, Scharlatane, Fanatiker und «Fake News» werden das ihre dazu beitragen.

Ungeachtet aller gewonnenen eher nüchtern oder gar skeptisch anmutenden Einsichten glaube ich an den Sinn des Lebens, ohne ihn dauernd suchen oder verstehen zu müssen, fühle und freue mich als lebender Teil einer grossartigen Welt, bin oft gar gerührt von ihrer Schönheit, im Kleinen wie im Grossen, staune immer wieder über die Kräfte von Menschen, die Grosses leisten und in der Vergangenheit geleistet haben, dies in allen erdenklichen Bereichen. Ich bin dankbar für jede freundliche Geste von Menschen, die mir gut wollen und versuche meinen Teil zurück-, aber vor allem weiterzugeben.»

Yonni Meyer, 36, Kolumnistin

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«Ich glaube daran, dass die wenigsten Menschen Dinge aus rein bösem Willen tun, sondern weil sie ihnen aus ihrer momentanen Perspektive und basierend auf ihrer Lebensgeschichte richtig erscheinen.

Vielleicht macht mich das treudoof, aber ich habe die Menschen lieber einen Moment zu lange gern als einen zu kurz. Und für diejenigen, die tatsächlich absichtlich böswillig sind, habe ich meinen Glauben an – oder ehrlicher gesagt meine Hoffnung auf – Karma.»

Mila, 6, im Chindsgi 

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«I glaub as Bäbi, wo cha Pippi und Gaggi mache. Und an 26. Dezember, denn gömmer as Grab vom Grosspapi.

I weiss, dass es paar Lüüt ane grossi Explosion glaubed, und es paar, dass die erschte Menschä Adam und Eva gsi sind. I glaub a Adam und Eva, well das mit däre Explosion mmmmh ... » [deutet enorme Zweifel mit einer wackelnden Hand an und kneift die Augen zusammen.]

Francesco Papagni, 55, freier Journalist

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«‹Shoppen und ficken› war der Titel eines Theaterstücks, das vor Jahren in Zürich Furore machte. ‹Und arbeiten›, könnte man spontan hinzusetzen. Viele Menschen empfinden heute eine Leere, ein Ungenügen an der Welt, so wie sie ist. Eine grosse Suchbewegung setzt ein, und die Angebote im Markt der Spiritualität sind deren viele: Wandern zu Kraftorten, Esoterik, fernöstliche Religionen und vieles mehr.

Ich bin Christ und bekenne mich zur traditionellen Religion Europas, zur Mehrheitsreligion, wobei ich fast versucht wäre, diesem Begriff das Adjektiv ‹ehemalig› hinzuzusetzen – vor allem in den Metropolen Westeuropas. Wieso hat das Christentum so wenig Anziehungskraft für die Mehrheit der Menschen? Meiner Ansicht nach ist es so, wie wenn wir einen verlorenen Gegenstand suchen. Manchmal liegt dieser vor unserer Nase, aber wir sehen ihn nicht, weil er zu nah ist. Das Christentum ist uns (noch) zu nah, vielleicht. Der Buddhismus ist interessanter, irgendwie auch weniger verpflichtend.

Und was sagt das Christentum? Philosophisch gesprochen: Die Transzendenz ist immanent geworden. Etwas Konkreter: Gott ist Mensch geworden in der Person Jesu Christi. Gott hat sich uns Menschen zugeneigt, weil Er uns liebt. Die Gebote des Christentums können auf eines kondensiert werden: ‹Liebt einander, wie ich euch geliebt habe.›

Was einfach scheint, ist sehr schwierig – das wissen wir alle, unabhängig von unserem Glauben. Und was soll so attraktiv daran sein? Um es in einem Wort zu sagen: die umstürzende Logik. Das Gesetz der Welt ist das Gesetz der Macht. Der Stärkere entscheidet, beutet die Schwächeren aus oder schlimmer. Das Christentum stellt dieses Gesetz auf den Kopf: Gerechtigkeit und Friede sollen herrschen. Das Reich Gottes, das Jesus Christus predigte, ist im Kern dieses: Friede und Gerechtigkeit, nicht (nur) das Jenseits, womit es heute auch viele Christinnen und Christen verbinden.

Der Mensch ist auf Transzendenz hin geordnet, sonst wäre Religion – wie übrigens auch Musik – kein Proprium (Eigentümlichkeit) des Menschen.

Ist die Geschichte des Christentums nicht das stärkste Argument gegen dieses? Die Geschichte des Christentums ist phasenweise schrecklich. Das Christentum ist Torquemada, aber eben auch der heilige Franziskus. Beginnen wir doch mal, die überzeugende Seite zur Kenntnis zu nehmen.»

Agota Dimen, 33, Comedian



«Ich glaube daran, dass alles ein WARUM hat. Dass die Salami teuer ist, hat sie sich schliesslich verdient.»



* Namen der Redaktion bekannt

Und nun? Katzen im Weihnachtsbaum!

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Katzen im Weihnachtsbaum
Was sieht besser aus? a) dickliche Engel b) eine Katze, die sich dramatisch in den Baum hängt. (Bild: reddit/catsintrees)
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47 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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JTG
25.12.2018 12:14registriert Dezember 2015
Ich glaub ich nehm noch ein Bier ;)
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7immi
25.12.2018 12:33registriert April 2014
Interessanter Artikel. Wäre jetzt noch spannend gewesen, etwas andere Weltanschauungen nicht studierter Personen zu lesen. Ob und inwiefern sich diese unterscheiden.
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Ohniznachtisbett
25.12.2018 15:13registriert August 2016
Wow. Der Text von Herrn Winter, hätte ich wohl selbst niemals hingekriegt, habe aber selten etwas gelesen, mit dem ich mich so sehr identifizieren kann. Was ich dem noch hinzufügen möchte: Der Kern ist die Empathie. Diese muss man sich aber wie ein grosser Bizeps (sofern man ihn denn will), nicht nur antrainieren, sondern durch stetes Training erhalten. Es ist viel bequemer zu glauben ich sei unglaublich empathisch, als es zu sein und vorallem zu bleiben. Ich ertappe mich dabei immer wieder selbst.
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