Alle Jahre wieder kommt das Christuskind – nein, kommt die gute, alte Böllerdiskussion auf.
Pünktlich, rund zwei Wochen vor Silvesterabend, entflammt die jährliche Debatte darüber, ob Böller und Raketen eigentlich erlaubt sein sollten oder nicht.
«Haustiere sind von den Geräuschen traumatisiert, ausserdem gibt es jedes Jahr wieder Verletzte durch (illegale) Böller», sagen die Verbots-Befürworter. «Knaller und Böller sind ein Stück Freiheit», sagen die Verbots-Gegner, «ohnehin könnte die Polizei die Kontrollen personell nur schwer durchführen.»
Wie in jeder guten Debatte sammeln sich hier verschiedene Meinungsvertreter, die unterschiedliche Rollen in der Diskussion einnehmen.
watson hat die Böller-Diskussion unter anderem auf Twitter verfolgt und zeigt hier:
Disclaimer: Die ausgewählten Tweets sind ausschliesslich beispielhaft gewählt.
Mit ihm beginnt das Debatten-Inferno. Wenn der allgemeine Meinungstrend dahin geht, dass beispielsweise Radfahren gut für die Umwelt oder vegetarisch leben besser für die Gesundheit ist, klammert sich dieser konservative Rebell an sein Recht auf Altbewährtes.
«Ist mir egal», scheint er mit knöchernem Zeigefinger zu schreien. «Das bisschen Freiheit lasse ich mir nicht nehmen!»
Und schon gar nicht bei lautem, teurem Silvesterfeuerwerk – da hört der Spass auf. Da braucht es ein klares Bekenntnis und Statement.
Ich fahre Auto.
— Nico Lange (@nicolangecdu) 27. Dezember 2018
Ich esse Fleisch.
Ich mag Silvesterfeuerwerk.#nurmalso
Dieser Diskussionstyp streut Salz in eine ganz andere Wunde und stellt die Knaller-Diskussion auf eine gesellschaftliche Ebene.
«Schön und gut da mit euren Böllern», scheint er zu sagen. «Aber was ist eigentlich mit eurem alltäglichen Konsum? Und Tierschutz? Was ist mit den Tieren?»
Der Lifestyle-Kritiker nimmt die vorhandene Diskussion zum Anlass auf andere, schwerwiegende Probleme in der Gesellschaft aufmerksam zu machen. Leider schaut er dabei oft auf alle anderen herab und sein guter Punkt geht verloren. Ausserdem: Er hat ja Recht, irgendwo. Aber muss das jetzt sein?
01.01. - 27.12.: "Ich bin zu arm für Bio-Lebensmittel und faire Kleidung!"
— Matthias Oomen 🇪🇺🏳️🌈 (@OomenBerlin) 28. Dezember 2018
28.12. - 31.12.: "Geiiiiiiil! Endlich wieder Böller und Raketen!" #Feuerwerk
Er ist der Brückenbauer, das Verbindungselement der beiden Pro-Contra-Welten.
Der Weltenwandler zeigt den streitenden Hitzköpfen, dass sie sich ähnlicher sind, als sie denken. Dass es eine Mitte gibt. Einen Kompromiss im Widerspruch. Er ist das Grau im Farbtopf der Schwarz-Weiss-Welt. Der Dalai Lama der Böller-Diskussion.
Ich hasse Rauchen. Ich möchte, dass Raucher rauchen können. Ich böllere nicht. Ich möchte, dass Menschen Raketen abfeuern können. Ich fahre Fahrrad. Ich möchte, dass Menschen im Auto Gas geben dürfen.
— Firlus (@thorstenfirlus) 26. Dezember 2018
Ich muss meinen inneren Widerspruch ertragen. Das nennt man wohl Toleranz.
Frisch aus dem Elfenbeinturm strengt dieser Diskussionstyp eine Frage an, die alle nochmal bewegt: «Diesel? Böller? Was kommt als Nächstes, Leute? Denkt doch mal nach!»
Während alle anderen noch in der Materie verfangen sind, stellt der Meta-Philosoph die Frage nach dem «Quo vadis», die für alle anderen noch zu weit entfernt ist.
Diese «Madame Metadiskussion» ist den anderen mit ihrer Glaskugel immer ein Stück (zu weit) voraus. Wenn alles noch viel schlimmer wird, hat sie es ja vorausgesagt, es hat nur wieder niemand auf sie gehört.
Wenn Hysterie, Aktionismus und Regulierophilie #Tempolimit #Böllerverbot und eine politisch korrekte Sprache heroisch erkämpft haben, was rückt dann ins Visier? Bin für jeden Hinweis dankbar
— Ulf Poschardt (@ulfposh) 29. Dezember 2018
Dieser Diskussionsteilnehmer lässt jede noch so hitzige Debatte ersticken, denn er kommt mit dem Totschlagargument schlechthin um die Ecke: Gott.
Der würde alle vorhergehenden Diskussionsteilnehmer nämlich als Knallköpfe beurteilen und sagen: «Macht mit eurer Zeit lieber etwas anderes, zum Beispiel Armut bekämpfen, ihr privilegierten Konsumenten oder Konsumkritiker. (Aber ich liebe euch trotzdem, ist ja klar.)»
Brot statt Böller! Denkt an diesen Slogan, bevor ihr Silvesterraketen&-böller kauft. Mehr als 800 Mill.Menschen hungern weltweit. Mit dem Geld für unnötigen Krach und Luftverschmutzung könnt ihr Menschen vor dem Hungertod retten. Caritas und Diakonie leiten Eure Spende weiter.
— Erzbischof Schick (@BischofSchick) 28. Dezember 2018
Schachmatt. Da kann man nichts mehr sagen. Diskussion ist vorbei. Es gibt jetzt Wichtigeres auf der Welt.
Und nächstes Jahr wird dann glücklicherweise weiter diskutiert. Amen.