Vor einem Jahr hat die MeToo-Bewegung ihren Anfang genommen. Was ist Ihr Fazit?
Keines natürlich! Wir sind ja noch lange nicht am Ende. MeToo war absolut notwendig, es geht nichts über die Geschlechtergleichheit! Die Frage ist: Wie werden sich all die neuen Konstellationen, die jetzt in der Filmindustrie entstehen, all die Stoffe, die jetzt geschrieben und die Filme, die gedreht werden, langfristig auswirken? Werden wir damit bis in drei, vier Jahren wirklich etwas verändert haben?
Sie wirken jedenfalls äusserst tatkräftig daran mit. «Hunger Games» und «Game of Thrones» waren in den letzten Jahren zwei enorm wichtige Unternehmungen, was starke Frauenrollen angeht.
Jennifer Lawrence ist in den «Hunger Games» zu einer riesigen Ikone für Teenager geworden, sehr, sehr wichtig. Das Problem ist leider, dass ich nicht sagen kann: Gebt mir das nächste «Game of Thrones»! Es muss mich schon jemand wollen, mich einladen. Als Schauspielerin sitzt man die meiste Zeit über zuhause neben dem Telefon, wartet frustriert auf den Anruf und betet. Ohne Einladung kommt man nirgendwo rein.
Wie Vampire. Die müssen auch hereingebeten werden.
Ja genau! Oh, da würde ich einige Kollegen kennen, auf die das zutrifft ...
Und wenn keine Einladung kommt, schreibt man sich die guten Rollen einfach selbst?
Ich bin eine äusserst proaktive Person. Vor exakt neun Jahren war ich so angewidert vom Rollenangebot für eine Frau Ende Zwanzig, dass ich mit meinem Verlobten zusammen selbst ein Drehbuch schrieb. Ich wollte Kontrolle über mein Schicksal! Damals gab es nichts, kein «Game of Thrones», keine skandinavischen Thriller mit diesen fantastischen Ermittlerinnen. Aus unserem Drehbuch ist jetzt der Film «In Darkness» (Dormer spielt eine blinde Pianistin, die Zeugin eines Mords wird, d. Red.) geworden.
Was bedeutet Ihnen das Schreiben?
Scheitern. Neu anfangen. Lernen. Herausfinden, wozu ich fähig bin. Immer noch mehr lernen. Und wachsen.
Wenn ich Ihre Rollen betrachte, so haben Sie einen deutlichen Hang zum Kostümierten, Royalen ...
Nicht war? Ich bin 36 und habe schon drei Mal Königinnen gespielt! (In «The Tudors», «Game of Thrones» und «W.E.», d. Red.) Aber so wurde ich nun mal gecastet. Dabei versuch ich so sehr, was Anderes zu kriegen. Ich rasierte meinen halben Kopf und ballerte mit einer Waffe rum für «Hunger Games», in der Hoffnung, dass es die Casting-Leute endlich merken. Schauen Sie sich Claire Foy, Keira Knightley oder Helen Mirren an – immer diese Königinnen! Klar, viele gute Stoffe aus Grossbritannien beinhalten Royals. Aber jetzt ändert sich das sicher alles fundamental ...
Ich habe mir ein paar Interviews von Ihnen angeschaut – Sie scheinen ungefähr jeden Film, der je gedreht wurde, zu kennen. Wie sieht es da mit dem Kult-Klassiker «Picnic at Hanging Rock» von Peter Weir aus? Wie oft haben Sie den gesehen?
Nie! Keine Ahnung, wie ich über Dreissig werden konnte, ohne den Film gesehen zu haben. Ich kenne nur Filmstills – ätherische, weiss gekleidete Mädchen erklimmen einen Hügel, sowas wurde dann ja auch in der Mode Mode, es gab unzählige Fashion Shootings, die aussahen wie «Picnic». Aber meine Figur, die Mrs. Appleyard, hab ich über den Roman und das Drehbuch kennen gelernt. Joan Lindsays «Picnic at Hanging Rock» ist für die Australier ja, was «Der grosse Gatsby» für die Amerikaner ist. Ein literarisches Nationalheiligtum.
Das jetzt von einem schlanken 200-Seiten auf eine sechsteilige Miniserie ausgewalzt wurde. Ihre Rolle der Mädchenschul-Leiterin Mrs. Appleyard beginnt sehr hart, scharfzüngig und grausam.
Aber Sie wird sich ändern! Da kommt noch der grosse Zerfall ihrer Person und ihrer Schule. Das ist ja das grosse Glück, dass ich mit dieser Figur quasi zwei Rollen in einer geschenkt bekommen habe.
Wie ist es, Ihre eigene Serie zu haben?
Wundervoll! Ich liebe es, ein Team bei einer gemeinsamen Anstrengung anzuführen und eine Problemlöserin zu sein. Kommt dazu, dass in «Picnic at Hanging Rock» sehr viel mehr Östrogen drinsteckt als sonst. Produktion, Drehbuch, Vorlage, Hauptrolle, viele, viele Nebenrollen und zwei Drittel der Regie sind weiblich. Aber wir wollten Männer nicht ausschliessen, wir haben noch ein paar umwerfende ältere Herren mit dabei, richtige Old-School-Australier, etwa einen Kameramann, der beim ersten «Mad Max» dabei war. Ich meine: Respekt!
Und das war's auch schon. Das Interview fand übrigens in der alten Wohnung von Udo Jürgens statt, aber die darf hier weder in Bild noch Wort wiedergegeben werden. Schade. Sehr, sehr schade. Ich schwöre, ich hab da Dinge gesehen ... Hugh Hefner würde sich lechzend danach im Grab umdrehen.