Wie oft trainierst du pro Woche?
Momentan 5 mal pro Woche für jeweils 2 Stunden. Das ist viel, aber ich möchte 2020 nochmals an einem Natural-Bodybuilding Wettkampf teilnehmen.
Deine Diagnose für die Gesellschaft lautet, dass viele Menschen
heutzutage keine echte Richtung im Leben haben. Dein Lösungsansatz ist, dass wir
alle Tag für Tag im Gym «pumpen», um alles aus uns herauszuholen. Ist das ernst gemeint?
Die Leute müssen zuerst etwas verstehen: Glück, Zufriedenheit und Erfolg können wir nur in uns selbst finden. Viele suchen draussen danach. Sie sollten den Blick aber besser nach innen wenden. Sport, wie Yoga oder auch Krafttraining, kann ein Werkzeug sein, sich mehr mit seinem Körper auseinanderzusetzen.
Das widerspricht sich doch mit der Tatsache, dass
gerade Krafttraining viele wegen des äusseren Erfolgs betreiben.
Klar. Ich wollte früher auch den Frauen gefallen. Aber irgendwann lernt man dazu und die Perspektive ändert sich. Ich sehe den Körper als eine Ansammlung von Nahrung. Diese Nahrung kommt aus der Erde und genau so haben wir unseren Körper nur von der Erde geliehen. Unser Körper hat nur eine Richtung und das ist jene in Richtung Grab. Unser Körper wird wieder zu Erde werden. Und genauso ist unser Geist eine Ansammlung von Sinneseindrücken. Solange wir existieren sammeln wir.
Das tönt ziemlich esoterisch ...
Moment, jetzt kommt der Punkt: Krafttraining erlaubt einen Zugriff auf diese Existenz. Man erfährt, dass man seinen Körper verändern kann. Und man lernt daraus, dass man auch seinen Geist verändern kann. Denn Körper und Geist stehen in Wechselwirkung miteinander. Diese Erkenntnis ist unglaublich wertvoll.
In den sozialen Medien und auch in vielen deiner Beiträge entsteht oft der Eindruck, dass für einen Mann
ein muskulöser Körper die Voraussetzung für ein erfülltes Leben ist. Ist das nicht schädlich?
Klar sieht man etwa auf Instagram
viele trainierte Körper. Aber eines muss man sich dabei vergegenwärtigen: Sich
mit anderen zu vergleichen ist das Tor zur Unzufriedenheit. Dennoch ist ein
gesunder Körper natürlich vorteilhaft für ein erfülltes Leben. Insofern
ist der Fitnesswahn von der Richtung her schon gut, zumal besser als Alkohol
oder Rauchen. Wichtig ist einfach, dass man sich bewusst wird: Das Leben ist
ein Marathon, kein Sprint. Jeder muss sein eigenes Tempo gehen! Jeder soll sein
eigenes Körpergefühl entwickeln. Daraus ergeben sich noch weitere Vorteile.
Welche?
Oft führt der sportliche Ehrgeiz auch
zu einer Auseinandersetzung mit der Ernährung. Viele Leute wissen zwar, dass
sie bei ihrem Auto Bleifrei 95 tanken müssen, aber sie haben keine Ahnung was
für Treibstoff sie ihrem Körper zuführen müssen. Das ist fatal! Das lernt man
nicht in der Schule. Optimal und vor allem langfristig funktionieren wir nur
mit einer guten Ernährung. Ich selber habe das Ziel 130 Jahre alt zu werden und
in diesem Alter noch top fit im Gym zu trainieren. Und ich weiss, das ist
absolut möglich.
Viele Anfänger sehen sich auf Instagram täglich
Bilder von Bodybuildern wie dir an, können aber Botschaften wie «no pain, no gain» schlecht differenzieren. Amateursportler laufen deshalb Gefahr, zu oft und zu
hart zu trainieren. Wo sollten Amateursportler die Grenze ziehen?
Ich selber empfehle
Anfängern maximal 3 mal pro Woche zu trainieren. Und das mit einem
Ganzkörpertraining. Bei der Intensität richte ich mich nach der RPE Skala.
Anfänger und Amateursportler sollten eine Intensität von 8 auf der RPE Skala
nie überschreiten. Ausserdem gilt immer Technik vor Gewicht! Zu viel Gewicht
ist ein sinnloses Ego-Game und zerstört eher die Gesundheit als sie zu fördern.
Was sagst du zu jemandem, der 4-5 harte
Trainigs pro Woche absolviert und in jedem Satz bis zum Muskelversagen geht. Sollte
man das nicht den Leistungssportlern
überlassen?
Ein so übermässiges Trainieren hat nichts mit
Leistungssport zu tun. Jedes Mal bis zum Muskelversagen zu trainieren ist sehr
schlecht. Man sollte sich bei der Intensität wirklich an der bereits erwähnten RPE Skala orientieren.
Warum ist das den meisten Anfängern und
Amateuren nicht bewusst?
Anfänger denken, mehr ist gleich mehr. Das ist nicht so.
Regeneration und Pausen sind in diesem Sport extrem wichtig, da erst in der
Regeneration selbst der Muskel wächst.
Du sagst 4-5 harte Trainigs pro Woche sind zu viel und Anfänger denken fälschlicherweise «mehr ist mehr», obwohl Pausen und Regeneration extrem wichtig sind. Dennoch trainierst du selber 5 mal pro Woche für 2 Stunden. Wie geht das zusammen?
Diese Empfehlungen gelten für Anfänger mit weniger als einem Jahr Trainingserfahrung sowie Amateursportler, nicht für Profis.
Wie kann sich ein Amateursportler davor schützen, ins Übertraining zu
kommen?
Ein Amateur sollte zwingend Deloads oder Trainingspausen
einlegen.
Ein Deload-Training heisst, dass der Sportler für eine
Woche die Intensität und das Volumen auf 50 Prozent reduziert. Wenn etwa fürs
Bankdücken 4 Sets zu 8 Wiederholungen mit 100 kg vorgesehen sind, werden in der
Deload-Woche nur 2 Sets zu 8 Wiederholungen mit nur 50 kg ausgeführt. Solche
Deloads müssen systematisch in einen Trainingsplan eingebaut werden. Für
Anfänger empfehle ich alle 8 Wochen eine Deload-Woche.
Bleiben wir bei überrissenen Leistungsidealen. Du selbst sagst oft, man soll in jeder Sekunde
des Lebens sein Maximum geben. Ist das nicht eine Illusion? Machst du nie Pausen?
Doch. Aber ich
gebe immer 100 Prozent. Wenn ich mit meiner Mutter telefoniere, gebe ich ihr meine ungeteilte Aufmerksamkeit und Energie. Das
gleiche gilt, wenn ich arbeite oder mit dir hier spreche. Und
wenn ich eine Pause mache, dann mache ich 100 Prozent Pause.
Viele Leute versuchen, immer alles zu
geben, scheitern dabei aber auch regelmässig. Scheiterst du nie?
Klar.
Scheitern gehört zum Leben. Wichtig ist, dass man sich bewusst wird, dass man
scheitert. Merkt man, dass man wenig Energie hat, bringt es einen in die
Position etwas zu ändern.
Und was machst du, wenn du wenig Energie hast?
Es gibt
verschiedene Massnahmen. Dazu gehören sicher Wasser trinken, Schlafen und
Meditieren. Es ist aber auch wichtig zu spüren, wann man eine Pause braucht und
sich zurückziehen muss. Oder wann es Zeit ist, Ferien zu machen. Aber wenn
einmal nichts mehr geht, gibt es einen Nummer-1-Tipp.
Der wäre?
80 Prozent der
Menschen haben zu wenig Energie, weil sie nicht richtig atmen. Wir atmen pro
Tag etwa 2 Millionen Liter Luft ein. Wenn wir nicht richtig atmen, fehlt uns
der Sauerstoff im Hirn. Viele Leute atmen zu flach, etwa weil sie gestresst
sind. Wer also kurzzeitig Energie braucht, der sollte sich mit geradem Rücken
hinsetzen, die Augen schliessen und tief und bewusst in den Brustkorb atmen.
Durch die Nase einatmen und durch den Mund ausatmen, 10 Minuten lang. Man wird
schnell feststellen, wie sich der Atem normalisiert und die Energie
zurückkehrt.
Wovor hast du Angst?
Angst machen wir
uns nur selber. Angst existiert nur in unserem Kopf. Wir machen uns Sorgen über
ein künftiges Ereignis, das noch gar nicht eingetroffen ist. Für Angst bin ich also selber verantwortlich. Wenn ich einmal Angst
empfinde, dann nutze ich diese als Motivation, indem ich mich auf die andere Seite der Angst, nämlich das
Glück fokussiere. Wir alle kennen es aus der Schule. Vor einem Vortrag hat man Angst. Aber
wenn wir durch die Angst hindurchgehen und der Vortrag vorüber ist, dann sind
wir glücklich.
Du betonst oft die Wichtigkeit einer Morgenroutine. Wie sieht deine aus?
Ich stehe ohne
Wecker auf, wegen dem Biorythmus. Dann dusche ich kalt, auch im Winter. Das
gibt mir extrem viel Energie. Dann ist es sehr wichtig, die Flüssigkeit
auszugleichen, die wir über die Nacht verloren haben. Deshalb trinke ich
mindestens einen halben Liter Wasser. Das ist das wichtigste. Dann baue ich
meistens noch 20 Minuten Meditation ein. Schliesslich schreibe ich noch von
Hand alle meine wichtigsten Ziele nieder, jeden Tag. Durch dieses tägliche Visualisieren werden sie mir erst richtig
bewusst und verschaffen mir täglich Antrieb. Und erst dann, eine Stunde nach dem Aufstehen schalte ich mein Handy
ein, niemals vorher.
Warum schaltest du dein Handy erst später ein?
Es gib Leute, die greifen am Morgen als erstes zu ihrem Smartphone und konsumieren unbewusst News oder Social Media. Wenn man sich nun vorstellt, dass unser Geist ein Papierkorb ist, dann erlauben diese Leute jedem, seinen Abfall in diesen Papierkorb zu werfen. Ich will mich bewusst und wachen Geistes dafür entscheiden, Social Media zu nutzen.
Und wie sieht
deine Abendroutine aus?
Ich gehe meine Termine vom
nächsten Tag durch und visualisiere meine Ziele für jeden einzelnen Termin. Eine Stunde
vor dem Einschlafen schalte ich dann mein Handy aus. Danach dimme ich alle
Lichter um mich herum. Licht ist der grösste Schlafkiller überhaupt. Früher war
es für uns Menschen nach dem Sonnenuntergang einfach dunkel und wir konnten auf
natürliche Weise einschlafen. Heute haben wir überall Licht.
Wann hast du das letzte mal Alkohol getrunken?
Schon länger
her. Vielleicht vor einem halben Jahr mal ein Glas Wein. Ich bin ein «Fühler». Mein
Körper signalisiert mir, was ihm gut tut und was nicht. Ich finde das wichtig.
Aber viele spüren sich nicht oder hören nicht auf ihren Körper.
Du ernährst dich seit 3 Jahren vegan. Warum?
Ich habe früher viel
Fleisch gegessen, auch weil ich den Mythos geglaubt habe, dass man für den
Muskelaufbau Fleisch essen muss. Ich habe mich dann informiert. Unter dem
Aspekt der eigenen Gesundheit, des Tierleids und der Klimaschädlichkeit der
Massentierhaltung machte der Konsum tierischer Produkte für mich irgendwann
keinen Sinn mehr.
Und dann hast du von einem Tag auf den anderen
umgestellt?
Ich dachte, ich
mache mal einen Monat vegan und schaue was geht. Nach diesem Monat habe ich
mich extrem gut gefühlt. Ich war fit, wach und energiegeladen. Für mich war
sofort klar, dass ich das durchziehe und direkt vegan werde. Als ich nach 3 Monaten
wieder einmal Fleisch probiert habe, musste ich feststellen, dass es mir
überhaupt nicht gut tat. Mein Körper brauchte viel länger, um das Fleisch zu
verarbeiten und es schmeckte mir auch nicht mehr wirklich. Nun ernähre ich mich
seit 3 Jahren komplett pflanzlich und es war eine der besten Entscheidungen
meines Lebens.