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Frauen, die sich trennen, sind keine Opfer

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Frauen, die sich trennen, sind keine Opfer – verdammt!

13.07.2018, 08:5413.07.2018, 09:32
Gunda Windmüller / watson.de
Mehr «Leben»

Justin Bieber war jahrelang mit Selena Gomez zusammen. Nun hat er sich mit Hailey Baldwin verlobt.

Ihr müsst euch nicht für diese Personen interessieren, noch wissen, wer die überhaupt sind. Aber wenn es nach der öffentlichen Reaktion geht, solltet ihr trotzdem vor allem eines empfinden:

MITLEID!

Und zwar mit der armen, armen Selena.

Warum?

Na, weil es ihr doch ganz offensichtlich derzeit so richtig, richtig schlecht geht. Sie ist schliesslich Single und ihr Ex will eine andere heiraten. Das sind die Schlagzeilen:

Warum ist nicht SIE Justin Biebers grosse Liebe?

Diesmal bemitleiden wir Selena Gomez: Wenn dein Ex plötzlich heiratet

Der Tenor dabei ist eindeutig: Frauen sind nach einem Beziehungsende immer die Armen. Die Verlassenen. Die Opfer.

Beispiel Selena. Es heißt nun, sie sei «sauer» und «verletzt» über die Verlobung. Jahrelang habe sie versucht, Bieber zu «bändigen», habe dabei «Engelsgeduld» aufgebracht, nur um jetzt vom «Liebeszauber» der Hailey Baldwin ausgebootet zu werden. Eine Runde Mitleid.

The Lonely Hearts Club Band

Damit ist Selena in guter, aber natürlich tragischer Gesellschaft. Sie kann sich nahtlos einreihen in die Galerie der gebrochenen Herzen: Hallo, Jennifer! Hey, Demi!

Denn diese Frauen teilen alle ein erschütterndes Schicksal. Sie alle haben gescheiterte Beziehungen hinter sich.

Bye-bye Ashton ...

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Doch wenn wir uns so umschauen, teilen diese Frauen dieses Schicksal allerdings mit ziemlich genau JEDER Person, die wir kennen. So besonders ist es also nicht. Und wir stellen zudem fest: Wir haben keinerlei Ahnung, was wirklich hinter den gescheiterten Beziehungen von Gomez und Co. steckt.

Wirklich gar keine Ahnung.

Vielleicht wollte ja Justin Selena «bändigen» und sie wollte nicht. Vielleicht hatte sie auch einfach keine Lust mehr auf sein halbstarkes Gehabe. Vielleicht war es auch einfach eine gemeinsame Entscheidung, getrennte Wege zu gehen. Und vielleicht sitzt sie jetzt irgendwo mit Freunden an einer Bar und köpft eine Schampusflasche nach der anderen: Endlich ist sie ihn wirklich los!

Vielleicht. Wie gesagt: Wir wissen es nicht.

Und doch ist die reflexartige Reaktion in der Öffentlichkeit nach einer solchen Promi-Trennung immer die gleiche. Wir sollen Mitleid haben. Mit der Frau.

Das Schema:

  • Frau hatte versucht, den Mann zu «bändigen» («Selena gab nie auf ...»)
  • Frau hatte sich Stabilität gewünscht («Jen lehnt sich an die starke Schulter ...»
  • Frau hatte viel aufgegeben («Jennifer Aniston: Kann sie noch Kinder bekommen ...»)
  • Frau wird von jüngerer/sexyer Frau aus dem Weg geräumt («Angelina ...»)
  • Frau ist völlig fertig («Selena lächelt tapfer ...»)

Denkt sie hier an Justin?

epa06853861 American singer and actress Selena Gomez arrives for the film premiere of 'Hotel Transylvania 3: Summer Vacation' at the Regency Village Theatre in Westwood, California, USA, 30  ...
Bild: EPA/EPA

In Kontrast dazu die Schlagzeilen, die frische männliche Singles bekommen:

  • «Single, aber nicht allein» (Leonardo DiCaprio)
  • «Umgeben von Models» (George Clooney)
  • «Fröhlicher Single: Er geniesst sein Singleleben» (nochmal Leo)

Sieht traurig aus. Aber ihm geht's sicherlich Bombe.

Actor Leonardo Di Caprio grimaces after a photo call for the french premiere of the film 'Before the Flood', ('Avant Le Deluge') at Chatelet Theater in Paris, Monday Oct. 17, 2016. ...
Bild: AP/AP

Diese Darstellungen sind so schwarz/weiss, man mag es eigentlich gar nicht glauben. Aber es ist leider so. Und es ist immer das Gleiche.

Singlefrauen sind tragisch. Sie sind Opfer.

Und das gilt nicht nur für Promi-Frauen.

Sondern auch für uns.

Ganz normale Singlefrauen werden oft genug bemitleidet. 

  • Wie lange bist du denn jetzt schon allein?
  • Findest du es nicht schlimm, auf Hochzeiten eingeladen zu werden?
  • Willst du denn keine Kinder?
  • Vielleicht kommt ihr ja nochmal zusammen.
  • Du bist so toll, ich weiss gar nicht, warum dich keiner will. (Danke für nichts, btw.)

Frauen, so das Bild, das vermittelt wird, brauchen Beziehungen mehr, sie investieren mehr, sie leiden mehr. Singlemänner können Spass haben, sich frei fühlen und neue Beziehungen eingehen. Jennifer, Demi, Selena und die Singlefreundin hingegen sind alleine irgendwie nur noch 2/3-Menschen.

Wir unterstellen damit, dass es der Mann war, der sie erst so richtig glücklich gemacht hat. Dass ein Leben auch ohne Mann glücken machen kann? Das kommt in diesem Bild nicht vor.

Dieses Bild orientiert sich an einem Frauenbild, das Frauen immer noch vornehmlich in der Beziehung zu einem Mann definiert. Passiv, bedürftig, unselbständig. Ganz egal, wie vermögend, unabhängig und lebenslustig diese Frauen auch sonst sein mögen. 

Wir müssen also nochmal grundsätzlich werden: Eine Trennung kann wehtun. Männern wie Frauen. Aber eine Frau ist nach einer Trennung nicht automatisch «Opfer».

Sie ist in dem Zusammenhang einfach nur eins: Single.

Und dabei kann es ihr sogar verdammt gut gehen.

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In einer fernen Zukunft werden gar Frauen auf den Mond fliegen!
Und dort werden sie ... putzen.
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32 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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MissSophia
13.07.2018 09:05registriert September 2016
Danke!
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Balua
13.07.2018 10:16registriert November 2014
Ob nun Promi oder nicht: es ist leider immer noch so, dass eine Frau bemitleidet wird, wenn sie single ist. Ich höre seit Jahren dasselbe: fühlst du dich nicht einsam? Aber du wärst doch ne gute Freundin! Bist du etwa zu kompliziert? Und dann noch die mega persönlichen Fragen betreffend Kinder und so weiter - und das von Menschen, die ich nicht mal so gut kenne. Das ist ein Eingriff in die Privatsphäre. Danke für den Artikel, bei dem leider so vieles zutrifft.
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Roman Stanger
13.07.2018 09:59registriert Februar 2018
Das ist doch keine allgemeine "reflexartige Reaktion der Öffentlichkeit". Es ist eine ganz gezielte Masche des Boulevard-Journalismus, alles in Richtung Drama und Tragik zu interpretieren und fabulieren. Und damit sollen zum Beispiel jene angesprochen werden, die sich alleingelassen, verschmäht und übergangen fühlen - wie eben angeblich Selena Gomez.
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