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The Good, the Schweizer and the Gaga: 7 Filme am ZFF

Viggo Mortensen
Viggo Mortensen, ein Star, auf den das aufregende Adjektiv «bescheiden» zutrifft, signiert, was ihm die Fans am Mittwochnachmittag in Zürich entgegenstrecken.Bild: sme
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The Good, the Schweizer and the Gaga: 7 ZFF-Filme, superkurz und subjektiv seziert

Lasst uns ein erstes, winziges Fenster ins diesjährige Festivalprogramm aufstossen! Viel Spass!
28.09.2018, 09:1528.09.2018, 20:03
Simone Meier
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«Green Book»

Es gibt eine Formel für den ZFF-Eröffnungsfilm. Sie heisst: Man nehme Dev Patel als Schicksalsinder in der westlichen Welt – 2016 in «Lion», 2015 in «The Man Who Knew Infinity». Oder die Geschichte eines schwarzen Musikers, der die weisse Welt erobert – 2014 war das James Brown in «Get on up», 2018 ist es Don Shirley in «Green Book». Und das ganz Gute daran: Die Geschichten sind allesamt wahr! Das ist natürlich doppelt so erbaulich oder niederschmetternd, als wenn sie erfunden worden wären. Facts statt Fiction! Auch wenn die Facts immer mit gehörigem Herzenskitsch angerichtet werden.

«Green Book» hat die Menschheit dermassen berührt, dass er eben erst in Toronto den Publikumspreis gewonnen hat. Weil?  Ganz einfach: Viggo Mortensen als Bronx-Italo ist ein gnadenlos guter Chauffeur, Mahershala Ali ein begnadeter Pianist, der gnädige Zufall will, dass Mortensen für Ali arbeitet. Der Film wird zum gemütslastigen musikalischen Roadmovie durch die ungemütlichen Südstaaten, es kommt, wie's kommen muss, also super Männerfreundschaft. Rassismus, Homophobie und so, alles überwunden, es gibt Pasta für den Pianisten, wir haben den beiden gerne zugeschaut und uns gut amüsiert, und als Eröffnungsfilm war das insgesamt tiptop.

Am ZFF: 28.9., 14.30 Uhr, Arthouse Le Paris; 28.9., 18.15 Uhr, Corso 1;  30.9., 15 Uhr, Arena 4; 6.10., 17.45 Uhr, Corso 1.
Im Kino ab 31. Januar 2019.

«A Star Is Born»

Das Erste, was es zu sehen gibt, ist Bradley Cooper, der harten Alk trinkt und eine Pille schluckt. Ein Mann in der Abwärtsspirale. Und nicht irgendeiner, sondern ein Country-Megastar. Klar wirkt sich das auf die Psyche aus, wenn man immer von einsamen Strassen und Herzen singen muss. Damit nicht sein ganzes Genie mit ihm zu Grunde geht, greift er sich eine junge Kellnerin mit Hammerstimme (Lady Gaga) und während er verblüht, reift sie zum Superstar. Wir sehen und hören Höhen, Tiefen, Höhen, Tiefen, alles ist restlos amerikanisch, ihr Traum, seine Rehab, ihre Beziehungsgespräche, es schleppt sich ein wenig, aber fuck, kann die Gaga geil singen, das hat schon krasseren Suchtfaktor.

Bradley Cooper verantwortet hier Drehbuch, Regie und männliche Hauptrolle, es ist seine erste Arbeit als Regisseur, er hat durchaus ein Talent dafür, besonders für das desolat Beziehungsdynamische. Sein nächster Einsatz als Regisseur heisst «Bernstein», ein Film über den Komponisten Leonard Bernstein («West Side Story»), der natürlich von Bradley Cooper gespielt wird. Da hat einer schon wahnsinnig grosse Freude an sich selbst.

Am ZFF: 1.10., 18 Uhr, Corso 1; 2.10., 21.15 Uhr, Arena 4.
Im Kino ab 4. Oktober.

«Werk ohne Autor»

Oh. Mein. Gott. Florian Henckel von Donnersmarck («Das Lebend der anderen») betreibt handfesten Revisionismus. Oder habt ihr gewusst, dass es im Zweiten Weltkrieg eigentlich nur nichtjüdische deutsche Opfer gab? Unglaublich, aber er schafft das. Schon in der Schnellstzusammenfassung offenbart sich die Absurdität dieses Films.

Also los: Ein Mädchen steht auf Autohupen und Hitler, das erregt sie, obwohl sie gegen Nazis ist. Sie muss lange nackt Klavier spielen, was bedeutet, dass sie wahnsinnig ist und vergast werden muss. Ihr Neffe (Tom Schilling) wird in der DDR gross und hat eine sehr schöne Freundin (Paula Beer), deren Altnazi-Vater leider an ihr eine Abtreibung vornimmt. Dann gehen sie in den Westen, der junge Mann trifft einen Beuys-Verschnitt (gespielt von Oliver Masucci, der eben noch irgendwo Hitler spielte), denkt an seine tote Tante, wird ein supergeiler Künstler bzw. ein Gerhard-Richter-Verschnitt, und so ist denn endlich aus viel krassem Frauenleid der Phönix des männlichen Künstlergenies auferstanden. Süffiger Edelkitsch allerdings, das muss man dem Dreistünder des (kunst)historischen Grausens zu Gute halten.

Am ZFF: 30.9., 20.15 Uhr, Corso 1; 2.10., 14 Uhr, Arena 4; 7.10., 14 Uhr, Corso 1.
Im Kino ab 4. Oktober.

«The Favourite»

Wow, wow, wow! Der griechische Regisseur Yorgos Lanthimos ist ja grad sowas wie der irrste Kreativkopf der Filmwelt. Ich stell mir das Innere seiner Gehirnwindungen als Mischung zwischen kopulierenden Gummibärchen und Dr. Frankensteins geheimsten Geheimlabor vor. Es ist betörend! Nach «The Lobster» und «The Killing of a Sacred Deer» inszeniert er jetzt einen lesbischen Kostümfilm und macht dabei explizit, was britische Historiker sich schon lange gerne vorstellten: Das intime Leben der nicht so schönen Queen Anne (Olivia Colman) mit ihren verführerischen Favoritinnen (Emma Stone und Rachel Weisz). Da wird nichts ausgelassen: Niedertracht und Erniedrigung, Intrigen, Gift und sexuelle Hörigkeit, tote Kinder werden durch Hasen ersetzt, eigentlich ein Riesendrama, aber so verschroben erzählt, dass er unglaublich lustig ist. Das Fazit? Wer die Macht hat, hat sie. Egal ob Mann oder Frau.

Am ZFF: 6.10., 21 Uhr, Arthouse Le Paris.
Im Kino ab 3. Januar 2019.

«Der Läufer»

Ich hab sie dermassen satt, die Schweizer Filme über junge Männer, die Probleme mit sich haben und dann aggro werden und nach irgendeiner Form von Gewaltentladung, gern auch gegen Frauen, suchen. Im Einzelnen und mit vielen Jahren Abstand fand ich sie immer ganz gut («Chrieg», «Driften», «Goliath»), aber jetzt, bei «Der Läufer», reicht's. Der Debütfilm von Hannes Baumgartner über einen Berner Waffenläufer, der zum Frauenmörder wird (nach einer wahren Geschichte), hängt sich als Bleigürtel grauer Tristesse an die Laune der Kinogänger. Oder etwa nur an meine? Ein Kinoerfolg dieses Films würde mich überraschen und belehren und ich würde mich umgehend bei Herrn Baumgartner entschuldigen. Ansonsten, liebe Drehbuchautoren und Regisseure, nehmt bitte bessere Drogen oder gar keine!

Am ZFF: 29.9., 18.45 Uhr, Corso 2; 30.9., 21 Uhr, Arena 3; 1.10., 18.30 Uhr, Arena 7; 7.10., 13.30 Uhr, Corso 2.
Im Kino ab 4. Oktober.

«Wolkenbruch»

Definitiv korrekte Drogen oder gar keine hat Regisseur Michael Steiner während der Dreharbeiten zu «Wolkenbruch», der Verfilmung des Bestsellers von Thomas Meyer, genommen. Leider darf ich hier noch fast nichts verraten, da die offizielle Premiere erst ansteht, aber ich hab den Film schon mit eigenen Augen gesehen – Leute, er ist gross! Er macht Spass! Eine hinreissend rührende Komödie über einen jungen Zürcher Juden, der Probleme mit sich hat, aber nicht aggro wird, sondern zur Liebe und den Frauen findet. Joel Basman hat ja schon viel Gutes geleistet in Film und Fernsehen, als Wolkenbruch übertrifft er sich selbst zigfach. Wird ein Hit, ich schwör's!

Und damit ist es Zeit, auf eine weitere ZFF-Formel hinzuweisen, die da heisst: Man nehme Filme, die schon an einem anderen Festival gelaufen sind – in Cannes, Venedig, Toronto, San Sebastian, Berlin wherever – und kümmere sich kein bisschen darum, dass ein Festival, um international glänzen zu können, möglichst bedeutende Welturaufführungen (WUF) zeigen sollte. Heuer sind von 160 gezeigten Werken ganze 12 solcher WUFs, mehr nicht. «Wolkenbruch» ist eine aus dem kostbaren Dutzend.

Trailer

Am ZFF: 29.9., 21 Uhr, Corso 1; 29.9., 21.30 Uhr, Arena 4; 2.10., 13.30 Uhr, Arena 3; 2.10., 18.30, Corso 1.
Im Kino ab 25. Oktober.

«Girl»

In Belgien ist es dagegen nicht lustig. Jedenfalls nicht für die 15-jährige Lara. Erstens will sie Balletttänzerin werden, was eh sowas wie der qualvollst mögliche Weg hin zu einer total übersteigerten Weiblichkeit ist. Dann befindet sie sich auch noch kurz vor der Geschlechtsangleichung. Also vor der grossen Operation, nach der sie auch in allen Äusserlichkeiten ganz Frau sein soll. Lara fügt ihrem Körper im Verlangen nach einer übermenschlichen Perfektion Schmerz um Schmerz zu, es ist schier unerträglich ihr dabei zuzusehen, aber auch ihrem alleinerziehenden Vater, der alles versucht, seiner Tochter ein Leben zu ermöglichen, das sie irgendwann glücklich macht.

Ein beeindruckender, berührender, beelendender Transitions-Film von Lukas Dhont, der in Cannes die «queere Palme» gewonnen hat. Allerdings muss man sich schon die Frage stellen: Kommen jetzt, da Schwule und Lesben im Film nicht mehr nur durchgehend unglücklich sein müssen, Jahre der total niederschmetternden Transgender-Tragödien?

Am ZFF: 28.9., 18.45 Uhr, Corso 2; 29.9., 21.15 Uhr, RiffRaff 1; 2.10., 18.30 Uhr, Arena 7; 6.10., 19.30 Uhr, Arthouse Picadilly.
Im Kino ab 18. Oktober.

Hier findest du das Rezept für das Zurich Film Festival

Video: watson/Simone Meier, Emily Engkent
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