Achtung: Der Beitrag enthält leichte Spoiler.
«Schwarz, wenn der Mond nicht scheint.
Weiss, wenn der kalte Himmel weint.
Grau, wie ein erstarrtes Herz.
Rot, wie ein neuer Schmerz.»
Als Serien-Junkie hat man es nicht leicht. Zwar ist es im Netflix-Zeitalter kein Problem, an Stoff zu kommen. Doch das wirklich gute Zeug ist so selten wie frisch gefallener Schnee.
Damit du einschätzen kannst, was ich unter Top-Qualität im Krimi- und Thriller-Genre verstehe, nenne ich in der folgenden Bildstrecke meine absoluten Favoriten.
Die deutsch-österreichische Produktion «Der Pass» schliesst an weltweit erfolgreiche Vorlagen an und braucht sich nicht zu verstecken. Im Gegenteil! Die «Sky Original»-Produktion ist das Beste vom Besten. Und ja, damit meine ich auch «Die Brücke» mit meiner absoluten Lieblingskommissarin.
Über acht Folgen entwickelt «Der Pass», der sich vom Krimi zum Thriller wandelt, einen unheimlichen Sog. Und bald lassen einen die Ermittlungen zum brandgefährlichen Täter, den die Presse «Krampuskiller» tauft, nicht mehr los.
Der Serien-Titel steht zum einen für den Ort, wo zu Beginn eine merkwürdig inszenierte Leiche entdeckt wird; der Oberkörper liegt in Österreich, die Beine in Deutschland. Zum andern bezeichnet «Pass» nach altem Brauchtum verkleidete Folklore-Gruppen, die bei Winterumzügen auftreten.
Ich werde fast nichts von der spannenden Geschichte und ihren überraschenden Wendungen verraten. Stattdessen konzentriere mich auf die neun besten Gründe, warum «Der Pass» ein Hochgenuss ist für Film- und Serienfans.
Leider setzen Filmemacher vermehrt auf wackelige Kamera und schnelle Schnitte. Ganz anders «Der Pass», der mich mit seiner Kino-Ästhetik restlos begeisterte. Es ist eine bildgewaltige Inszenierung, die auch dank dramatischer Vertonung an «Das Schweigen der Lämmer» erinnert.
Wie bei «The Bridge» gibt es Totalen aus Drohnen-Flughöhe, langsame Kameraschwenks sowie Nahaufnahmen, bei denen man sich als Zuschauer wie ein Voyeur vorkommt.
Damit sind wir bei ihm hier ...
Nicholas Ofczarek als Gedeon Winter.
Dieser Mann ist eine Naturgewalt. Und Saga Norén, die nach vier Staffeln als autistische schwedische Kommissarin nicht mehr ermittelt, hat einen würdigen Nachfolger.
Ofczarek spielt sich als schnoddrig-zynischer Kommissar in die Herzen der Zuschauer – oder Zuseher, wie die Österreicher sagen. Auch wenn man dies zu Beginn der Serie überhaupt nicht für möglich halten würde. Zu kaputt kommt er daher, zu versifft, mit seinem zerknitterten Anzug, den fettigen Haaren und dem Lodenmantel. Und es verwundert kaum, dass er sehr enge Beziehungen ins Rotlichtmilieu hat.
Zudem greift Winter bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit zu Rauschmitteln. Er raucht wie ein Schlot, trinkt Vodka aus der Flasche, kokst sich am Morgen im Auto munter – und träufelt LSD auf einen Würfelzucker. Im Büro.
In seinem Heimatland ist der 47-jährige Österreicher ein Schauspiel-Gigant. Und – witziges Detail – er wuchs im Appenzell auf. Das sei «eine fast weiblich anmutende, lieblich hügelige Landschaft», sagte er im Interview. «Ein Hochland.» Nicht so schroff wie die Berge im Salzburger Land.
Womit wir bei einem Punkt sind, den die Amerikaner mit keiner noch so teuren Produktion hinkriegen ...
Diese Sprache, seufz!
Eine Journalisten-Kollegin schrieb treffend: «Auf Österreichisch klingt einfach alles besser. Selbst die Jagd nach einem Serienmörder.»
Literarisch gehört Wolf Haas zu meinen absoluten Lieblingen. Und wenn man Kommissar Winter in «Der Pass» zuhört, wird's nicht nur «Brenner»-Fans warm ums Herz.
Wenn Kommissar Winter grantelt und tobt, muss man allerdings manchmal zweimal hinhören, um zu verstehen. Andere Formulierungen sind schmerzhaft klar ...
An der Seite von Nicholas Ofczarek spielt die deutsche Schauspielerin Julia Jentsch die hochmotivierte junge Ermittlerin Ellie Stocker. Und wie ihrem österreichischen Kollegen gelingt ihr im Laufe der Serie eine unglaubliche Wandlung.
Als Krimi-Fan lege ich Wert auf realistische Handlungen und authentische Darstellungen. Was die Figuren und Dialoge betrifft, als auch den Umgang mit Waffen und moderner Technik, vermag «Der Pass» zu glänzen.
Die Geschichte ist von realen Kriminalfällen inspiriert, wobei die Drehbuchautoren auf die Unterstützung des renommierten Fallanalytikers Alexander Horn zählen konnten. Mit ihm gemeinsam haben sie den Täter «kreiert».
Horn gehört zu den bekanntesten deutschen Kriminalisten und ist Mitbegründer des Täterprofilings bei der Münchener Mordkommission. Er arbeitete an Fällen des Serienmörders mit, der als «Maskenmann» nachts in Schulheime, Zeltlager und Privathäuser eindrang. Und er war an der Aufklärung der Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) beteiligt, bei der neun Gewerbetreibende mit ausländischen Wurzeln sowie eine Polizistin getötet wurden.
Zu seiner nebenberuflichen Beratungstätigkeit für die Filmemacher sagte er:
Journalisten in Krimi-Serien: Das ist häufig ein Trauerspiel. Im besten Fall kommt ihnen eine Rolle als unsympathischer, gefühlsloser Neben-Bösewicht zu, als «Witwenschüttler» oder sensationsgeiler Pressefritze, der lügt wie gedruckt.
«Der Pass» ist auch hier wohltuend und erfrischend anders, ohne anbiedernd zu wirken. Ich erlaube mir als Medienprofi das Urteil, dass der Reporter glaubhaft dargestellt wird.
Die musikalische Untermalung, die von einem Schüler des Star-Komponisten Hans Zimmer stammt, ist perfekt. Zum andern gibt es diverse Ohrwürmer, Made in Austria.
Wie zum Beispiel:
* Bildnachweis/Urheberrechte: Sky Deutschland / Wiedemann & Berg Television GmbH & Co. KG / Sammy Hart
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