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Filmfestival Locarno

Die Lust der Frau als Laster: 3 neue Schweizer Filme

Filmfestival Locarno

Die Lust der Frau als Laster: 3 neue Schweizer Filme (komplett albern illustriert)

Nämlich mit Tweets aus einem lustigen Plotgenerator für das helvetische Filmschaffen. 
08.08.2018, 14:2909.08.2018, 07:51
Simone Meier
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Lena ist 17 und findet ihren Bruder super. Und so schön! Sie will ihn. Obwohl er miserabel singt und auch sonst keinen Schweisstropfen Charisma verströmt. Aber wo die Liebe hinfällt, wird der Mensch halt blind und taub. Weshalb Lena immerzu entweder an den dünnen Trägern ihres Kleides zupft oder sich mit einem Eiswürfel die überhitzte Haut kühlen muss. Hallo, Inzestverlangen!

Schweizer Regisseure denken gern an Inzest. Die Geschwisterliebe in der Alphütte aus «Höhenfeuer» (1985) wird immer wieder als bester Schweizer Film aller bis jetzt je dagewesenen Zeiten gefeiert. Jetzt also «Glaubenberg» von Thomas Imbach, der einzige Schweizer Beitrag im internationalen Wettbewerb von Locarno. Nach einer wahren Geschichte. Nach Imbachs eigener Geschichte, wie er allenthalben durchschimmern lässt. Gewidmet ist der Film seiner Schwester.

Erfunden hat diesen liebenswerten Nonsense übrigens einer der Schreiber für Dominic Deville.
Erfunden hat diesen liebenswerten Nonsense übrigens einer der Schreiber für Dominic Deville.Bild: twitter/@schweizerfilm

Natürlich verbinden in Locarno alle seit Tagen wie wild die diversen Punkte. Und fragen sich: Was meint wohl die Schwester zu dem Film? Ist sie irritiert? Oder beleidigt, weil er so ultrafad geworden ist? Denn «Glaubenberg» ist ein softerotisches Nichts aus üblen Dialogen und Jungmädchenhaut. Eine totale Obsession der Kamera mit Lena, obwohl doch die ganze Zeit über behauptet wird, dass ihre Fixierung auf den Bruder enorm lästig sei. Wer begehrt hier wen wie verrückt?

Damit das Ganze etwas bigger than life wird und möglichst weit von der Realität wegkommt, wird die Geschichte dann kurzerhand ins Reich griechischer Sagen und antiker Ausgrabungsstätten verlagert. Hilft alles nichts. Zurück bleibt ein Berg aus verquastem Schwachsinn, dem man keinerlei Glauben schenken mag.  

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Bild: twitter/@schweizerfilm
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Der andere Mann, der nicht so richtig wusste, wie man Frauen begegnen soll, war Festivalpräsident Marco Solari. Am Sonntagmorgen war er Mitunterzeichner der grossen Gleichstellungs-Charta des Filmfestivals Locarno. Eine Massnahme die bis nach Hollywood vermeldet wurde und mit der Locarno dem Beispiel von Cannes folgt (mehr zur Charta findet sich hier).

Doch während die anwesenden Damen, etwa die Regisseurin und Charta-«Gotte» Ursula Meier oder Isabelle Chassot, die Direktorin des Bundesamtes für Kultur, kurz und knapp nach «Action!» riefen, versuchte Solari erst einmal, für sich zu definieren, was das Weibliche an sich denn eigentlich sei. Bei Goethe, Dante und Shakespeare stehe es für die Liebe, sagte er, und deshalb werde er die Charta jetzt (nicht nur mit einem sehr teuren Kugelschreiber, sondern auch) mit viel Liebe unterschreiben. Aha.

Aber gut, schauen wir weiter, was die Frau und die Liebe, die ja eigentlich das Gleiche sind, miteinander so treiben. Etwa im Jura. Die grosse Frage 2017 war ja, ob Bettina Oberli nach dem Powerdreh des TV-Zweiteilers «Private Banking» noch genug Energie besitzen würde um direkt im Anschluss das jurassische Windenergie-Drama «Le vent tourne» zu drehen.

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Und wie sie die hatte! Zwar geht es in ihrem Film Kühen und dem Biobauerntum enorm schlecht, aber einer schönen blonden Frau mit einem Windrad-Aufrichter (hallo, dezente Symbolik ...) dafür umso besser. Es wird ein Drama mit mehreren Höhepunkten erzählt, eine Fantasie darf Wirklichkeit werden, und die Natur ist natürlich echt nicht schlecht, man kennt das ja vom Pilzesammeln in den Freibergen. Überdies ein sehenswertes Ensemble.

Und dann ist da noch einer der grossen Publikumslieblinge dieses Festivals zu, der sogenannten Hashtagfilm, dessen Premiere zu Standing Ovations führte, «#FEMALE PLEASURE» nämlich. Ein Triumph, bei dem man sich als Frau und Feministin allerdings fragt: Ähm, ja und, what's new? Aber gut, man kann gegen den Dokfilm der Winterthurerin Barbara Miller nicht wirklich was einwenden, man wäre sonst ein schlechter Mensch.

Oder wie einem hier Männer unentwegt versichern: «Wahnsinn! Der Film ist total wichtig für uns! Das war uns ja alles nicht klar! Dieses Ausmass der Katastrophe, dieser Flächenbrand der Diskriminierung!» Meine Herren, eure Erleuchtung in Ehren, aber ehrlich jetzt? Das ist euch neu? Im Ernst?

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Bild: twitter/@schweizerfilm
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Bild: twitter/@schweizerfilm

«#FEMALE PLEASURE» begleitet fünf Frauen in ihrem Kampf gegen eine Kriminalisierung oder Unterdrückung der weiblichen Lust. Die japanische Vagina-Künstlerin Rokudenashiko bemüht sich in einer Kultur, die an jeder Ecke den Penis feiert, darum, 3D-Drucke ihrer Vagina als Designgrundlage für allerlei lustige Kunst verwenden zu dürfen.

Die somalische Aktivistin Leyla Hussein erklärt jungen Männern überaus drastisch, wie es ist, wenn einem kleinen Mädchen Klitoris und Schamlippen abgeschnitten werden und es zugenäht wird. Eine deutsche Ex-Nonne wurde mehrfach von Priestern missbraucht und schildert den Katholizismus als brutale Gehirnwäsche und Selbstauslöschung der Frau, die als einziges Vorbild Maria, die gehorsame ewige Jungfrau hat. Eine junge Inderin betreibt einen aufklärerischen Sexblog für junge Frauen und Männer und wehrt sich gegen die grausamen Vergewaltigungen in Indien. Eine Jüdin zieht gegen die Unterdrückung der Frau im Chassidismus ins Feld. Eine der Produzentinnen heisst Melanie Winiger.

«#FEMALE PLEASURE» ist eine tiptoppe Bestandesaufnahme von Frauen, die diversem Grauen beherzt entgegen treten und endet mit lauter optimistischen Noten. Aber etwas mehr Analyse, mehr Zahlen und Thesen hätten gewiss nicht geschadet. Oder um es genderpolitisch extra kreuzfalsch zu sagen: Vielleicht eine minimale Prise Michael Moore in Millers Oeuvre.

Das Filmfestival Locarno dauert noch bis zum 12. August.

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