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Zu Besuch bei Rapper DAIF, der kein Geheimnis aus seinem Drogenkonsum macht

Der Schweizer Rapper DAIF.
Der Schweizer Rapper DAIF.bild: Yung Porno Büsi
Interview

Zu Besuch bei einem Rapper, der kein Geheimnis aus seinem Drogenkonsum macht

29.12.2018, 13:3530.12.2018, 10:22
Sergio Scagliola
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Ein Artikel von
Branding Box
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«Wer nur Wasser trinkt, hat vor seinen Mitmenschen etwas zu verbergen.»

Charles Baudelaire, französischer Lyriker und bekennender Drogenkonsument, hat dies einst gesagt. Er starb mit 46 Jahren.

Rausch ist ehrlich, real und intim. Ein von Drogen berauschtes Individuum kann sich gegenüber dem eigenen Selbst, den Vertrauten und dem Vertrauten öffnen, kann aber auch durch den Rausch desillusioniert und wirr werden. Desillusioniert ist auch die Kritik der «alten Garde» des Hip-Hops am Newschool: zu wirr, zu unklar, zu vernebelt von verschiedensten synthetischen Drogen.

Die Kritik innerhalb der Szene besteht im Prinzip nur aus einseitigem Herumhacken auf den «weggetretenen Newschool-Rappern», ohne eine konstruktive Diskussion führen zu wollen.

Deshalb fahre ich nach Frauenfeld, um einen Rapper zu besuchen, der sich im experimentellen Feld des Genres bewegt und offenkundig Drogen konsumiert. Musiker DAIF hat mich mit seiner sphärischen, fast psychedelischen EP «카프리 선데이» ziemlich beeindruckt, von der LYRICS-Leserschaft aber fast keinerlei positives Feedback erhalten.

DAIF – «KETI HILFT GEGE DEPRESSIONE»

LYRICS Magazin – Sonderausgabe
Dieser Artikel stammt aus der Sonderausgabe «Hat Rap ein Problem?» des Schweizer Hip-Hop-Magazins LYRICS. In Zusammenarbeit mit den Autoren wird watson in der letzten Dezember-Woche ausgewählte Artikel online stellen.

Welche Themen behandelt die Sonderausgabe?

Ist Hip-Hop sexistisch? Gewaltverherrlichend? Antisemitisch? Hip-Hop ist im Jahr 2018 die dominante Jugendkultur, Rap das führende Musikgenre in der Hitparade. Die zunehmende Popularität führte in den vergangenen Jahren vermehrt zu kontroversen Debatten. In der Sonderausgabe rollt das grösste Schweizer Hip-Hop/Urban-Medium die Brennpunkte mit interessanten Gästen neu auf.

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cover: lyrics

Ich werde am Bahnhof Frauenfeld abgeholt. DAIF ist Mitte zwanzig und von unruhiger Natur. Schwarzlackierte Fingernägel komplementieren die Anarcho-Tumblr-Ästhetik, die man auch in seiner Musik heraushört. Er als Künstler verschmilzt mit dem Menschen hinter der Musik – was ich nicht erwartet hatte.

Nach Beschaffung von Snacks, Eistee und Dosenprosecco führt mich DAIF im Untergeschoss eines grauen Blocks einen langen Gang entlang, vorbei an Heizräumen und Kellerabteilen.

Das Studio ist ein ziemlich grosser Raum, vollgestellt mit Instrumenten, leeren Flaschen, farbigen Lichterketten, Studioequipment und zwei Sofas. Die Luft riecht ein wenig abgestanden, nach warmen Elektronikgeräten, nach Gras. Und Bier.

DAIF packt Haschisch aus, beginnt, sich einen Joint zu drehen, ich nippe an meinem Eistee und stelle meine erste Interview-Frage.

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bild: yung porno büsi

DAIF, warum tragen deine Songs Titel wie «Keti hilft gege Depressione»? Ist deine Musik eine Art Verarbeitung deiner eigenen (Drogen-)Probleme?
DAIF: Drogen sind sicher zum Teil eine Ablenkung von eigenen Problemen. Es gibt sicherlich Leute, die desillusioniert sind und kein Vertrauen in diverse Dinge haben. Der Glaube fehlt häufig in Bezug darauf, ob man wirklich machen kann, was man will. Vielleicht können Drogen in diesem Fall helfen. Und wenn man das auf die Hip-Hop-Szene beziehen will: Hip-Hop ist schon ein ziemlicher Circle-Jerk und bewegt sich nur schwerfällig aus diesem Kreis hinaus. Aber es ist ja auch okay und wichtig, dass man das Gespräch eröffnet und über den eigenen Konsum spricht. Teils ist der eigene Drogenkonsum und wie man damit umgeht etwas, worüber man sprechen will, und das finde ich nicht per se etwas Schlechtes.

... und deshalb ist «Keti hilft gege Depressione» etwas sehr Reales, weil es deinen Konsum thematisiert. Ich frage mich einfach, ob sich die Diskussion verändern würde, wenn statt Xanax, Lean oder Ketamin Heroin konsumiert werden würde.
Die Reaktion wäre sicher anders, als sie jetzt ist. Aber Lean als Opiat ist ja sowieso nahe verwandt und in diesem Zusammenhang kommt auch diese Frage immer wieder auf. Man darf aber nicht vergessen, dass Heroin extrem stigmatisiert ist, weil Heroin in der Schweiz eine grosse Rolle gespielt hat. Man hat sich damit auseinandergesetzt und die Heroinkrise ziemlich konsequent eingedämmt. Acid beispielsweise wurde ähnlich stigmatisiert: Wenn du durch die Stadt läufst und dir deine Eltern sagen: «Hey, der Typ ist vor zehn Jahren auf LSD hängengeblieben», dann wird dir so ein Stigma weitergegeben irgendwie. Vielleicht ist die Diskussion, die heute geführt wird, einfach wieder eine neue Art, wie wir mit einer neuen Modedroge umgehen.

Machst du einen Unterschied zwischen Gras, LSD und Heroin?
Ich glaube nicht, keine Ahnung. Ich kann ja sowieso nicht über etwas schreiben oder eine Aussage darüber machen, was ich nicht kenne. Heroin ist so stigmatisiert und auch für mich zu weit weg, als dass ich irgendwie in Kontakt damit kommen würde, da das Stigma auch in mir extrem dominant ist. Deshalb: Keine Ahnung, ob ich wirklich einen Unterschied machen würde.

Wir sind auch nicht die Generation, die sich stark mit Heroin auseinandersetzen musste.
Ich fände es wichtig, dass man Drogen offen in der Öffentlichkeit thematisiert. Man weiss als Durchschnittsbürger nicht viel über Drogen, sondern wird oft nur mit Klischees und Halbwahrheiten konfrontiert. Das finde ich das Interessante an Hip-Hop. Es gibt kein Genre oder auch keine Kultur, die sich so ehrlich mit schwierigen Thematiken auseinandersetzt. Ob das nun in Misere oder in Glorifizierung und Lobpreisung ist. Es ist ein Sprachrohr für Anti- und Gegenkultur und das empfinde ich als verdammt guten Rahmen, um Drogen zu thematisieren.

DAIF erzählt mir, dass er in nur einer Woche sein neustes Projekt «Molly und Speed» konzipiert und realisiert hat. Während DAIF mir das Album zeigt, fällt mir auf, dass ich keine Ahnung habe, wie spät es eigentlich ist. Eindrücklich, wie schlecht meine innere Uhr ohne Tageslicht auskommt, obwohl ich doch nur fünf Meter unter dem Boden bin.

Wie kannst du so völlig abgeschnitten vom Geschehen und ohne zu wissen, ob jetzt eigentlich Tag oder Nacht ist, arbeiten?
Dadurch blühe ich erst so richtig auf. In diesem zeitlosen Raum gibt es keinen Grund, zu denken, dass ich vielleicht mal zu Abend essen oder schlafen gehen sollte. So wird die Couch für einen Powernap genutzt und der Name des Albums zum Programm.

Was spielen Drogen für eine Rolle in deinen Aufnahmesessions?
Sie sind Hilfsmittel. Wahrscheinlich könnte ich auch ein paar Monate hardcore meditieren, dann zehn Minuten auf die Couch sitzen und einen Acid-ähnlichen Trip haben, aber ich habe leider die Disziplin nicht dafür. Deshalb bleibt es wohl bei LSD. Drogen sind ein erleichterter Zugang zu anderen Stadien verschiedenster Dinge, sei es das eigene Bewusstsein, sei es die Musik, die Wahrnehmung, was auch immer. Ich kann mich besser auf die Musik konzentrieren und werde nicht abgelenkt. Zudem: Amphetamin hält wach.

Yung Lean wecke in ihm ein Verlangen, Gras zu rauchen, erzählt mir DAIF, sich einen zweiten Joint anzündend. Ich begutachte DAIFs T-Shirt mit einem Backprint, auf welchem riesig «Ecstasy» steht, im Hintergrund läuft Yung Lean.

Yung Lean.Video: YouTube/Yung Lean

Musstest du dir schon konkrete Kritik auf deine Musikvideos oder deinen offenen Umgang generell mit Drogen hin anhören?
Ja, aber nie direkt. Man spricht ja auch nicht gerne darüber. Ich bekomme es mit, wenn mir Freunde Screenshots von DMs zeigen, in denen steht: «Hä, hat er jetzt wirklich was gezogen?» Direkt wurde ich noch nie damit konfrontiert, vielleicht aber doch und ich habe es einfach verdrängt. Ich glaube schon, dass es mein Umfeld zweiter Hand beispielsweise ziemlich verstört.

Sind Musiker für den Konsum ihrer Hörerschaft mitverantwortlich?
Schwierig. Ich denke, wenn nicht so viele Musiker, die ich gefeiert habe, Drogen genommen hätten, würde ich wohl mehr Distanz zum Thema haben. Ich glaube, Musik kann ein Trigger sein, Lust auf einen Rausch zu haben.

«Ich will kein Vorbild sein und warum sollte ich ein solches sein, nur weil ich Musik mache?»

Heisst das, deine Lieblingskünstler animieren dich irgendwie zum Drogenkonsum?
Man ist sowieso immer selbst für seinen Konsum verantwortlich. Wenn man wirklich eine Hörerschaft hat, dann kann man schon argumentieren, dass ein Vibe vermittelt wird. Aber es rappt ja auch niemand über Safer Use. Bei meiner Musik kann man es vielleicht so sehen: Ich weise einfach jegliche Verantwortung von mir, weil ich in meiner Musik meinen Shit verarbeite. Ich will kein Vorbild sein und warum sollte ich ein solches sein, nur weil ich Musik mache? Kürzlich ist jemand zu mir gekommen und hat gesagt, er habe ziemliche Cravings nach Drogen bekommen, als er meine EP gehört hat. Und ich habe mir dann zum ersten Mal überlegt, dass meine Musik ja so etwas triggern kann. Aber ganz ehrlich: Falls ich jemals in einer Lage wäre, wo ich wirklich viele Leute triggern könnte, Drogen zu nehmen, würde ich sowieso vor dem Druck wegrennen und abtauchen in eine Selbstversorgungs-Kult-Kommune irgendwo im Ödland. Das ist mein Backup-Plan eigentlich. Wenn ich nicht mehr mit den Thematiken spielen kann, mit denen ich mich jetzt auseinandersetze, verliere ich vermutlich die Nerven.

DAIF hat sich daran gestört, dass ich in der Interviewanfrage über die Kunstfigur DAIF sprechen wollte. Er sagt, jetzt sei er mal ehrlich und unverstellt und werde dann als Kunstfigur diffamiert.

DAIF konsumiert Drogen und spricht darüber, unternimmt zumindest den Versuch, es irgendwie offen zu thematisieren. Auf seine Weise.

DAIF zieht eine Line Amphetamin von einer Schallplattenhülle. Es wird wohl wieder eine lange Studiosession in Frauenfeld.

Drogen im Schweizer Abwasser, 2017 – MDMA

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Drogen im Schweizer Abwasser, 2017 – MDMA
In Zürich wurden 2017 81,2 mg MDMA pro 1000 Personen und Tag gemessen, mehr als im Vorjahr (59,3 mg).
quelle: emcdda
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27 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Pümpernüssler
29.12.2018 13:48registriert Juli 2018
Verstehe den Sinn dieses Interviews nicht so ganz. Ist doch viel zu kurz um wirklich vertieft in das Thema eindringen zu können.
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Ikarus
29.12.2018 14:39registriert Juni 2015
Schwaches interview. Das sind für mich die 9-10 vorbereiteten fragen gewesen aber die jeweils 2-3 vertieften fragen die sich aus dem gespräch ergeben wurden vergessen. Dieses interview hätte genauso per mail geführt werden können dafür musste man nicht vor ort sein. Ich hoffe auf eine zeit wo qualität wieder mehr zählt als quantität..
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Mia_san_mia
29.12.2018 16:48registriert Januar 2014
Da habe ich mehr erwartet... Solche Typen die in irgendeinem Kellerstudio hocken, ein bisschen drauf sind unbelangloses Zeugs reden, gibts viele. Und als Rapper zum eigenen Drogenkonsum zu stehen, ist jetzt auch nicht so speziell...
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