Wenn im Sommer die Temperaturen steigen, fängt ihr Leidensweg an: Menschen, die in Dachwohnungen dahinvegetieren leben. Wir haben eine solche Person getroffen. Hier gibt sie uns einen kleinen Einblick in eine immer noch legendenumwobene Welt.
Die wichtigste Frage zuerst: Wie heiss war es in den letzten zwei Wochen in deiner Wohnung?
Keine Ahnung, die Anzeige meines Thermometers geht nur bis 60 Grad.
Wie hast du es bei dieser Hitze bloss in deiner Dachwohnung ausgehalten?
Es ist wichtig, dass man Bewegung vermeidet. Schon kleinste Anstrengungen, zum Beispiel das Lesen eines Buches, führen zu Schweissausbrüchen. Auch den Betrieb von Elektrogeräten sollte man tunlichst vermeiden, weil Laptops oder Fernseher sehr viel Hitze produzieren. Meistens sass ich daher Abends regungslos auf einem Stuhl und starrte die Wand an. Manchmal fiel ein Schatten.
Das macht mich jetzt ein wenig traurig.
Hör auf! Wenn du weinst, dann fliessen bei mir auch die Tränen. Das kann ich mir nicht leisten, schliesslich brauche ich jeden Tropfen in meinem Körper, um zu schwitzen.
Ok. Tschuldigung. Ist es im Badezimmer wenigstens etwas kühler?
Nein, das kann sich ein PIDNIEDL gar nicht vorstellen. Auf der Toilette zum Beispiel, da kannst du nach dem Stuhlgang gar nicht so schnell spülen, bevor die Kacke am dampfen ist.
PIDNIEDL?
In unserer Selbsthilfegruppe steht PIDNIEDL für privilegiertes Individuum, das nicht in einer Dachwohnung lebt.
Und wie war das nachts? Konntest du da überhaupt schlafen?
Ja, das war schon nicht einfach. Also am Anfang hatte ich noch diverse gängige Tipps und Tricks ausprobiert. Wie zu Grossmutters Zeiten: Nasse Tücher aufhängen, ordentlich Lüften, die Rollladen tagsüber unten lassen, Hoden ins Eiswasser legen – solche Sachen halt. Als das alles nichts genützt hat, habe ich mich schliesslich irgendwann dazu durchgerungen, zur Notschlafstelle zu gehen.
Verständlich.
Dort wollten sie mir zuerst keinen Platz geben, weil die Betten nur für Bedürftige seien. Als sie aber erfuhren, dass ich in einer Dachwohnung lebe, haben sie sofort Hüften-Peter samt Krücken auf die Strasse gestellt.
Wie gehen deine Freunde und Familie damit um, dass jemand in ihrem Umfeld in einer Dachwohnung lebt?
Ich habe es fünf Jahre verschwiegen. Irgendwann habe ich dieses Versteckspiel nicht mehr ausgehalten. Es musste einfach raus. Meine Freunde reagierten verständnisvoll, aber ich spüre, dass sie hinter meinem Rücken über mich reden («haha, dä Tubel»). Meine Mutter bringt nachts ab und zu einen Sack Eis vorbei, wohlwissend, dass er nicht lange halten wird.
Merken deine Mitarbeiter, dass du … anders bist?
Ich habe versucht, es zu verheimlichen. Aber bei uns im Büro ist es bloss 36 Grad kalt, da brauche ich jeweils eine Jacke, weil es sonst schon etwas frisch ist. Dann kriege ich immer ziemlich harte Brustwarzen.
Aber hat so eine Dachwohnung im Sommer denn gar nichts Positives?
Nein.
Hast du noch irgend einen Tipp für Leute, die in einer Dachwohnung leben?
Wenn ihr im Ausgang jemanden ansprecht, erzählt von eurer Dachwohnung. Ich wurde schon einige Male aus Mitleid flachgelegt.