Jedes Mal, bevor ich meine Wohnung auf Airbnb vermiete, räume ich erst mal alle Wertgegenstände in eine Kiste und bringe sie hinunter in den Keller. Kameras, Dokumente, meine Anlage, Ladekabel, das neue Paar Schuhe (man weiss ja nie), Parfüms, Schmuck, Kosmetik und meinen Lieblingsrucksack. Den Rest, sage ich mir, wird schon keiner mitnehmen, da es sich grossteils um Möbel und alte Klamotten handelt und die Schubladen zu verkleben, das wäre schon ein wenig paranoid. Oder? Ich hänge beschriftete Post-Its zur ersten Orientierung in die Küche und hole den «Herzlich Willkommen»-Zettel aus der Schublade wie eine fleissige Hotelbetreiberin. Fertig.
Versteht mich nicht falsch: Airbnb ist gerade in Städten mit horrenden Mietpreisen eine perfekte Möglichkeit, um sich die Samstagsschicht im Supermarkt zu ersparen. Wer wegfährt, kann Teile seiner Wohnung relativ unkompliziert an fremde Touristen vermieten, und es mag sogar Menschen geben, die eine Woche pro Monat bei Freunden übernachten, um sich die fehlenden Moneten für die Miete sozusagen im Schlaf dazuzuverdienen.
Airbnb ist in über 190 Ländern und rund 65'000 Städten vertreten und hat nach eigenen Angaben im Jahr 2016 rund 60 Millionen Gäste vermittelt und über zwei Millionen Inserate geschaltet. Aber ganz ehrlich, wenn ihr mich fragt: Wer nicht muss, wird seine Wohnung – das Privateste, das er besitzt – wohl kaum im Internet zum Sparpreis anbieten.
Anfang des Monats wurde mein Flug nach München abgesagt, als ich bereits im Flugzeug sass. Also, alle wieder raus und ab nach Hause. Theoretisch. Da ich meine Wohnung bei Airbnb vermietet hatte, war das für mich nicht möglich. So stand ich also, mit grosser Vorfreude auf einen Besuch bei meinen alten Studienfreunden, am Flughafen, und konnte gottverdammt noch nicht einmal in meine eigene Wohnung zurück.
Ich rief einen Freund an, der mich zum Glück für ein paar Tage beherbergen konnte, da er selbst nicht zuhause war. Den Schlüssel bekam ich von seiner Nachbarin. Aber angenehm, das ist wirklich etwas anderes. Ich kam mir dumm vor, und auch irgendwie geizig. Frei nach dem Motto: «Och, bei dir schlafen wär schon nett, ich verdien ja nebenbei gerade Geld.»
Obwohl ich eine neue Unterkunft bekam, fühlte ich mich schäbig. Ich war in der Stadt, in der ich lebte, ausquartiert worden und musste den Alltag von einem neuen Ort bestreiten, bei dem es sich nicht um ein Hotel handelte. Ich war fremd in meiner eigenen Gegend und lebte aus dem Koffer, obwohl ich doch fünf Stationen weiter meine Wohnung hatte.
Der Gedanke ging mir nicht aus dem Kopf – auch wenn meine temporäre Bleibe wirklich okay war, diese Geschichte war es nicht.
Am dritten Tag erzählte ich meinen Airbnb-Gästen von dem Zwischenfall und fragte, ob ich vielleicht am Sonntag kurz in die Wohnung könne (haha, in meine eigene Wohnung!), um ein paar Sachen zu holen. Sie waren zum Glück verständnisvoll und so machte ich mich auf den Weg in meine besetzte Wohnung.
Als ich die Tür aufschloss, und zum ersten Mal fremde Schuhe in meinem Flur – plötzlich entwickelte mein Körper bei den banalsten Dingen Besitzansprüche – stehen sah, bekam ich in einen Kloss im Hals. Fühlt sich so Zuhause an?
Ich ging in die Küche und checkte erst mal den Kühlschrank. Noch alles da. Das Besteck hatten sie falsch eingeordnet, aber wem kann man diese Kleinigkeit verübeln. Seltsam allerdings ist es schon, die Töpfe nicht dort vorzufinden, wo man sie das letzte Mal hingestellt hatte. Als ob jemand mit Schlüssel eingebrochen wäre. Im Bad: fremde Zahnbürsten, Bademäntel, meine von mir Unbekannten benutzten Handtücher. Und, das Allerschlimmste: Mein Bett mit den Schlaf-T-Shirts anderer Menschen obendrauf.
Was hatte ich erwartet, fragte ich mich. Dass sich Menschen in Luft auflösen, sobald sie meine Wohnung betreten, dass ich keinerlei Spuren vorfinden würde in meinem Schlafgemach? In der Regel ist das nämlich genau so: Mein Nachbar übergibt den Schlüssel und wenn ich wieder da bin, ist alles bis aufs kleinste Detail genau so wie vorher. Dieses Mal war es natürlich anders, da ich nicht nur auf die Wohnung angewiesen war, sondern auch live vorbeischaute.
Als meine Wohnung am Dienstagmorgen wieder frei war, spürte ich Erleichterung. Niemand hatte meine privaten Gegenstände auf einem Flohmarkt verhökert und auch die Küche ist nicht abgebrannt. Die Befürchtung, so etwas könnte doch irgendwann einmal passieren, wenn ich so fahrlässig weitermache, bleibt vermutlich solange, bis ich mich von der Plattform abmelde.
Denn, ganz ehrlich: Wer mietet ein Apartment für mehrere hundert Franken, um dort Gegenstände von geringem Wert mitgehen zu lassen? Wer würde absichtlich etwas kaputt machen? Die wenigsten. Zudem ist Airbnb keine anonyme Plattform, die dich bei Schaden auflaufen lässt. Zumindest schreiben sie es so: «Für den seltenen Fall, dass ein Gast das Eigentum eines Gastgebers beschädigt, deckt die Airbnb-Gastgeber-Garantie Schäden bis zu einem Wert in Höhe von 800.000 Euro ab.»
Solange mich nicht jemand vom Gegenteil überzeugt, bleibe ich dabei und hole mir das Geld für Gas, Strom, Handy und Internet durch zahlungswillige Touristen rein, die gerne eine «echte Wohnerfahrung» machen möchten. Solange es funktioniert, muss ich mich damit arrangieren, dass andere Menschen in meinem Bett Sex haben und genau dort essen, wo ich für gewöhnlich schreibe.
Ich investiere vorher und nachher an die zwei Stunden, um alles sauberzumachen, das Bett neu zu beziehen und meine Wohnung von den Spuren anderer zu befreien. Sie wieder ganz mein zu machen. Bis zur nächsten Buchung zumindest.
Immer noch besser als ein
Samstagsjob, sag ich mir, bevor ich mich mit einem guten Buch auf die Couch
lege.
*Richtiger Name der Redaktion bekannt
Insgesamt ein ausserordentlich inhaltsloser Artikel.
Du solltest eher dankbar sein, dass Du in einer Zeit lebst, in der Du mit ein paar Klicks und fast ohne Aufwand zu einem (falls Du Mieterin bist) nicht wirklich legalen und ethisch-wirtschaftlich fragwürdigen Zusatzeinkommen kommen kannst.