Durch die Kulturen existierten und existieren noch immer zahlreiche Beispiele, wie das weibliche Haar – aus ganz unterschiedlichen Gründen – bedeckt oder kaschiert wird. Und an vieles haben wir uns schon so sehr gewöhnt, dass es uns im Alltag auch gar nicht mehr auffällt. In manchen Fällen war es euch vermutlich nicht mal bewusst.
Einige Passagen des Talmud bezeichnen das weibliche Haar als ‹Nacktheit›. Dadurch ordnet die jüdische Schrift das Haar in den innersten Kreis der Intimsphäre ein. Dass man diesen nicht mit der Öffentlichkeit teilt, ergibt sich daraus von selbst. Diese Passagen, die sich auf das Bedecken des Haares beziehen unterscheiden sich jedoch stets leicht im Unterton. In der Folge, wie so oft, wird seit Jahrhunderten darüber diskutiert, wie diese denn Auszulegen und was jetzt genau die ursprüngliche Motivation dahinter gewesen sei. Die Rabbis sind sich uneins. Die Ausprägungen in der Praxis sind genauso breit.
Gewisse kabalistische Theorien gehen sogar noch weiter, weshalb manche Frauen nicht einmal zuhause, alleine, ihr Haar entblössen.
Das Gebot bezieht sich allerdings nur auf verheiratete Frauen. Dadurch wird nicht nur kommuniziert, dass die Frau vergeben ist, es wird auch ein Bereich geschaffen, der den Eheleuten alleine vorbehalten bleibt. Die Trennung von Privatsphäre und Öffentlichkeit stärkt gleichzeitig die Konzentration aufs Wesentliche.
Doch jetzt zum eigentlich spannendsten Punkt: Warum fällt uns das gar nicht so auf im Alltag?
Weil es zwar durchaus Untergruppen gibt, die soweit gehen, sich den Kopf zu rasieren und Kopftuch zu tragen, der Grossteil der orthodoxen Jüdinnen jedoch zur Perücke greift.
Und an dieser liesse sich schon einiges über die Religion der Trägerin ablesen ... wäre man sich der Perücke denn bewusst.
Dem Zwang purer Ästhetik ergeben sich die Frauen in Afrika. Im Abstand weniger Wochen unterziehen sie sich stets neuer Prozeduren, ihr krauses Haar zu Twists oder Cornrows zu flechten und mit Perlen, Farben und Extensions zu ergänzen. Was jedoch auf dem Kontinent Ausdruck von Stolz und Identität ist, wird in Europa und den USA zur Demonstration gesellschaftlicher Zwänge.
Das unkontrollierbare Haar sei einfach nicht schön und stehe nicht nur für mangelnde Ästhetik, sondern auch mangelnde Zivilisation. Daher wird mit Chemie geklotzt, nicht gekleckert, es wird gebügelt und gestreckt.
Einfacher und erst noch flexibler sind da Haarverlängerungen und Perücken. Denn manche der juckenden und ätzenden Cremes sollen auf Dauer sogar blind machen.
Seit einigen Jahren greift jedoch das Natural Hair Movement um sich. Oder wie es im französischen Sprachraum heisst: «Mouvement Nappy». Happy und Natural soll das Haar sein. Mädchen und Frauen von Lagos bis Paris, Dhakar bis New York bestärken sich gegenseitig in ihrer Identität.
Zunächst mal die Faktenlage klären: In den letzten 50 Jahren soll der Anteil blonder Menschen an der Gesamtbevölkerung von 40% auf 14% zurückgegangen sein. Nur 2% aller Frauen weltweit kommen noch blond zur Welt .... Fake News!
Diese Zahlen sind völlig aus der Luft gegriffen. Aber: Das Gen für blonde Haare wird tatsächlich rezessiv weitervererbt. Es gibt immer weniger echte Blondinen da draussen. Und gleichzeitig dunkelt ein Grossteil derjeniger, die blond geboren werden, im Verlauf der Kindheit und Jugend nach.
Und jetzt guck dich mal um ...
Wie hoch schätzt du die Wahrscheinlichkeit, dass sich die übrig bleibenden Blondinen jetzt grade alle gleichzeitig in deinem Büro/Bus/Café aufhalten?
Und das ist dabei ja nur die Spitze des Eisberges. Gemäss einer Umfrage von Schwarzkopf färben sich ein Drittel der Frauen die Haare. Dazu kommen Extensions, künstliche Ponys 🐴 und ganze Haarteile. Doch warum macht man sowas?
Weil wir begehren, was wir sehen. Und wir sehen ganz viele Schauspieler und Models. Dass wir die kaum je mit ihren eigenen Haaren sehen, da ihre unterschiedlichen Rollen auch ständig wechselnde Looks verlangen, das fällt dabei unter den Tisch.
Halten wir fest:
Die Gründe, an der eigenen Erscheinung zu arbeiten sind dabei so unterschiedlich wie individuell. Aber ob es sich jetzt um Jahrtausende alte religiöse Traditionen, ethnische und gesellschaftliche Zwänge oder schlicht Eitelkeit handelt:
Das weibliche Haar stand und steht stets im Zentrum der Faszination.