David Friedman steht vor seinem Instrument, Michael Schiefel hat das Mikrophon schon in der Hand. Es herrscht Stille im abgedunkelten Raum. Das Publikum schaut gebannt auf die Musiker. Es erklingen feine, hohe Töne vom Vibraphon, gleich darauf fängt Schiefel an, mit der Stimme Klänge zu erzeugen.
Plötzlich kippt die Stimmung ins Laute, Exotische. Man hat das Gefühl, man ist in der Wildnis, das Herz schlägt im gleichen Takt wie die Schläge von Friedman. Nach einer kurzen Pause meint Schiefel: «Wir freuen uns, hier zu sein und endlich wieder zusammen zu spielen», und mit dem Satz «Imagination is funny, it makes a rainy day sunny» (Fantasie ist lustig, es macht einen regnerischen Tag sonnig) leitet er das nächste Stück ein.
Mit diesen Worten antwortete Friedman auf die Frage, von wo die Inspiration für das Improvisieren kommt. «Das, was wir machen, gibt es gar nicht. Diese Instrumentation gibt es so nicht und diese Art, die Standards als lockeres Gerüst zu nehmen und einfach immer was Neues drum herum zu basteln, die findet man kein zweites Mal. Andere Bands einigen sich auf Strukturen und bleiben bei diesen, wir sind aber strukturlos und spielen drauf los».
Das Duo kennt sich schon seit über dreissig Jahren. Kennengelernt haben sie sich an der Hochschule der Künste in Berlin, wo David Friedman der Dozent von Michael Schiefel war. Seither machen sie, wenn auch unregelmässig und spontan, Musik zusammen.
Während dem Konzert wird über die Liebe gesungen, sich über den Frühling gefreut und über das Meerestief philosophiert. Ein regelrechtes Emotionskarussell, auf das sich die Zuschauer eingelassen haben. Mit vielen Klängen und wenigen Worten werden Geschichten erzählt. Und doch sind zu viele Wörter immer noch unausgesprochen, sang Michael Schiefel («Too many words are still unspoken»). Die Stimmung im Pflegidach wird nach sechzig Minuten wieder feiner, zerbrechlicher, bis die Musik ganz verstummt. Das Publikum wartet noch, ist die Reise jetzt schon beendet? Und dann, tosender Applaus und eine wohlverdiente Standing Ovation.
Doch niemand wollte wirklich aufstehen und gehen. Organisator Stephan Diethelm rief den Musikern zu, sie sollten ein normales Stück spielen und erst dann noch eine Zugabe. «Wie klingt ein normales Stück?», kam die Antwort von der Bühne.
Bei diesem Duo gibt es keine normale Stücke. Sie selber erklären dies damit, dass sie vollstes Vertrauen zueinander haben. Sie gehen spontane Risiken auf der Bühne ein, es ist, als würde man Seiltanzen. «Wenn einer stolpert, ist der andere da und fängt ihn auf. Und so entstehen ungewöhnliche Dinge».