Mit den Füssen wippend, wartet der Vibraphonist auf seinen Einsatz. Dann legt er los. Applaus und Geschrei, als er mit seinen Aufschlagstäben, den sogenannten Mallets, beginnt, sein Instrument zu bearbeiten – virtuos, mitreissend. Immer wieder legt Joel Melvin Ross Pausen ein und lässt sich mit einem Lächeln im Gesicht von der Musik seiner Kollegen mitreissen – und zu seinem nächsten Einsatz führen. Ross ist kein Unbekannter. Bereits zum dritten Mal sorgt er im «Pflegidach» für «good vibes». Weshalb er immer wieder zu den gern gesehenen Gästen in Muri gehört, weiss er allerdings nicht so genau. «Wahrscheinlich liegt es daran, dass es Stephan Diethelm einfach um die Musik geht und nicht um grosse Namen oder um Glanz und Glamour», sagt er schulterzuckend.
Doch Ross ist alles andere als ein Unbekannter. Er hat schon an verschiedensten Orten Konzerte gegeben. Das «Pflegidach» in Muri sei aber ein Club, den man nicht so schnell vergesse und immer in guter Erinnerung bleibe. Weitere gute Erinnerungen konnte der Jazzmusiker zweifellos vergangenen Sonntag sammeln. Schon mit dem ersten Stück, «Chant», hatte er das Publikum «im Sack». Fusswippen, Kopfnicken, begeisterter Applaus.
Volle 40 Minuten dauerte es allerdings, bis der Musiker zum ersten Mal zu seinem Publikum sprach. Warum er das so mache? «Es geht mir vor allem darum, ohne Worte zu kommunizieren», meint der 27-Jährige. Und die Musik spreche ja für sich. Da vieles improvisiert sei, lasse er sich oft selbst überraschen, wie er zum Ende komme.
Auf gar keinen Fall soll das Schweigen jedoch bedeuten, dass er sich nicht für seine Zuhörerschaft interessiere. Im Gegenteil: «Ich achte sehr darauf, wie das Publikum meine Musik aufnimmt», erklärt er. Und es sei ihm wichtig, zu sehen, wie die Zuhörerschaft mit meinen Stücken interagiert. Sicher ist aber: Ross ist definitiv kein Mann der grossen Worte. Auch wenn er mal spricht: Die Message seiner Stücke bringt er dann aber mit wenigen Worten auf den Punkt. «Ein Laferi ist er also bestimmt nicht», sagt eine Besucherin dann auch lachend.
Mit seiner Band, die hervorragend harmoniert, verbindet den Blue-Note-Artisten Ross weit mehr als die Musik. «Sie sind die Einzigen, die mich hinter dem Ofen hervorholen können», gesteht er lachend. Die Bandmitglieder seien nicht nur Arbeitskollegen, sondern auch gute Freunde. In dieser Formation mit Ross am Vibraphon, Jeremy Corren am Piano, Kanoa Mendenhall am Violoncello und Joe Dyson am Schlagzeug spiele die Musikgruppe aber zum ersten Mal.
Das beweist vor allem die Experimentierfreudigkeit der Band, die sich auch gerne mal auf ein musikalisches Abenteuer einlässt. So wurde das Set-up für das Schlagezug nach den Wünschen des Drummers durch Diethelm, selbst Schlagzeuger und Organisator von «Musig im Pflegidach», neu zusammengestellt. «Heute Abend habe ich etwas Neues ausprobiert», erklärt Dyson. «Ich habe mit zwei Bass-Trommeln gespielt.» Entsprechend «fett» war der Sound an diesem Sonntagabend.
Dass sich die Band immer wieder anders formiert und gerne experimentiert, wirkt sich keineswegs negativ aus. Sie wirkt und klingt harmonisch und perfekt aufeinander abgestimmt. Dass jeder seinen ganz persönlichen Stil einbringt, macht sie unverwechselbar – und scheint zu gefallen: hier ein Wippen, da ein Klatschen und dort ein Jubel – das Publikum im «Pflegidach» war aktiv.
Entsprechend positiv waren auch die Kommentare am Ende des Konzerts. «Das war einfach fantastisch», meinte ein Zuhörer. «Der Abend hat meine Erwartungen übertroffen.» Er habe kaum stillsitzen können, meinte eine andere Besucherin. Die Band hat tatsächlich, wie es ihr Name sagt, im Pflegidach «good vibes» erzeugt.