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Angriff auf die Katze mit den neun Leben

Ein undatiertes Bild von Mohammed Deif.
Ein undatiertes Bild von Mohammed Deif.Bild: reuters
Nahost

Angriff auf die Katze mit den neun Leben

Fünf israelische Attentate in 20 Jahren hat Mohammed Deif bereits überlebt. Ob er auch dem sechsten Anschlag entkam, war am Mittwoch unklar.
20.08.2014, 13:5620.08.2014, 14:26
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Israelische Kampfflugzeuge schossen am Vorabend drei Raketen in das Gebäude in Gaza-Stadt, in dem der Militärchef der Hamas vermutet wurde. Seine 27-jährige Frau Widad und sein siebenmonatiger Sohn Ali wurden dabei nach palästinensischen Angaben getötet. Über den Verbleib «der Katze mit den neun Leben», wie die israelische Armee den Hamas-Kämpfer nennt, gab es keine Angaben.

Deif, Kommandant des bewaffneten Flügels der Hamas, gilt in Israel als Staatsfeind Nummer eins. Das machte der israelische Finanzminister Jair Lapid kürzlich mit einer Drohung nochmals deutlich.

«Wir finden Dich. So wie die USA nicht ruhten, bis sie Bin Laden ausgeschaltet hatten, wird Israel keine Ruhe geben, bis Deif samt seiner Freunde fertiggemacht wurde für das, was sie den Kindern in Israel und Gaza in den vergangenen Wochen angetan haben», sagte der Minister.

«Der Gast»

Ein Gebäude in Gaza Stadt, in dem angeblich Deifs Familie getötet wurde.
Ein Gebäude in Gaza Stadt, in dem angeblich Deifs Familie getötet wurde.Bild: MOHAMMED SABER/EPA/KEYSTONE

Mohammed Diab al Masri, so sein eigentlicher Name, wurde vermutlich 1965 im Gazastreifen in einer Flüchtlingssiedlung bei Chan Junis geboren. Seit mehr als 20 Jahren soll er in die härtesten Angriffe verwickelt sein, die Israel erleiden musste, ob Soldatenentführung, Selbstmordattentate, Raketenbeschuss oder Attacken über Angriffstunnel. Seinen Beinamen Deif («der Gast») erhielt der einstige Biologiestudent, weil er im Untergrund ständig seinen Aufenthaltsort wechselt.

2002 wurde er zum Führer der Essedin-al-Kassam-Brigaden der islamistischen Hamas-Bewegung ernannt, als sein Vorgänger Salah Schehade bei einem israelischen Bombenabwurf auf sein Haus getötet wurde. Da hatte Deif schon eine lange militante Karriere zurückgelegt. Diese begann in den 80er Jahren als Studentenvertreter und Muslimbruder an der Islamischen Universität von Gaza.

Im Jahr 2000 konnte er zu Beginn der Zweiten Intifada aus einem Gefängnis der Palästinensischen Autonomiebehörde entkommen – sehr zum Verdruss der israelischen Sicherheitsdienste, die ihn da schon seit zehn Jahren im Visier hatten. Auf seine Ernennung zum Chef der Kassam-Brigaden folgte der fünfte Versuch, ihn gezielt zu töten. Er wurde an der Wirbelsäule schwer verletzt.

Keine Angaben über heutiges Aussehen

Obwohl Deif die operative Leitung der Brigaden danach an seinen Stellvertreter Achmed Dschaabari abgeben musste, blieb er Strippen ziehend im Untergrund. Es gibt nur wenige Fotos des Schattenmannes, die vor vielen Jahren aufgenommen wurden und deren Qualität schlecht ist. Deif wird zudem nachgesagt, er verstehe es hervorragend, sich zu verkleiden und zu schauspielern.

Ohne Nennung seines Namens berichtet ein Hamas-Anführer im Gespräch mit AFP, Deif verzichte völlig auf den Gebrauch elektronischer Geräte, die den Israelis seine Ortung erleichtern könnten. Offenbar hat er auch aus dem Tod seines Mentors Jachja Ajache gelernt: Der Sprengmeister der Hamas war 1996 von einem Mobiltelefon getötet worden, das der israelische Geheimdienst mit Sprengstoff präpariert hatte.

Öffentliche Wortmeldungen Deifs sind rar. Ende Juli sprach er sich noch im Hamas-Sender Al-Aksa-TV vehement gegen eine Feuerpause zu diesem Zeitpunkt aus. In den vergangenen Tagen schien er aber wie die Islamistenchefs in Gaza und im Gegensatz zur Exilführung in Katar eher zu einem Waffenstillstand bereit gewesen zu sein.

Nach israelischen Angaben steckte Deif schon 1994 hinter der Entführung und Tötung von israelischen Soldaten. Nach dem tödlichen Anschlag auf Ajache, der ihm seine Kenntnisse als Bombenbauer vermittelt hatte, wurde Deif «der Waffeningenieur der Kassam-Brigaden», schreibt die israelische Armee auf ihrer Website.

Sie sieht ihn zudem als «das Hirn» hinter den von der Hamas verübten Selbstmordanschlägen der Zweiten Intifada. Bestätigt sich sein Tod, würde dies in Israel als erster unstrittiger Erfolg im aktuellen Gaza-Konflikt gefeiert. (pma/sda/afp)

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