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«Nicht jede Spionage ist schlecht»

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Bild: AP/The Guardian
Snowden beantwortet Twitter-Fragen

«Nicht jede Spionage ist schlecht»

Während eineinhalb Stunden hat Edward Snowden auf der Website seiner Unterstützer Fragen beantwortet, die ihm auf Twitter gestellt wurden. Auszüge des Q & A.
23.01.2014, 20:5924.01.2014, 08:35
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mperkel: Gibt es eine Balance zwischen Privatsphäre uns Sicherheit, wie gesagt wird? Ich denke, Spionage macht uns weniger sicher.
Snowden: Geheimdienste müssen eine Rolle wahrnehmen. Die Menschen, die für die NSA, CIA oder ein anderes Mitglied der IC arbeiten sind nicht hinter Ihnen her. Es sind gute Menschen, die das Richtige zu tun versuchen. Diejenigen, vor denen sie sich hüten sollten sind die hochrangigen Verantwortlichen, die die verfassungswidrigen Programme genehmigen. Sogar der Präsident gibt zu, dass unsere Überwachungsprogramme zu weit gehen. Daten über jeden Amerikaner zu sammeln ist eine Verschwendung von Geld, Zeit und Ressourcen, die besser dazu eingesetzt würden, echte Bedrohung zu erkennen.

Greg Ferenstein: Was ist die schlimmste und realistischste Bedrohung durch die Massenüberwachung? Warum denken Sie, dass dies die nationale Sicherheit aufwiegt?
Zum einen ist das der Chilling-Effekt: Studien haben gezeigt, das sich das menschliche Verhalten ändert, wenn wir wissen, dass wir überwacht werden. Unter Beobachtung handeln wir weniger frei, was effektiv heisst, dass wir weniger frei sind. Zum zweiten zeichnen diese Programe unsere täglichen Aktivitäten permanent auf. Landen Sie einmal auf dem Radar der Regierung, verfügt diese über die komplette Aufzeichnung ihrer Aktivitäten – oft bis fünf Jahre in die Vergangenheit. Sie wissen vielleicht nicht, wo sie am 12. Juni 2009 zu Abend gegessen haben, aber die Regierung weiss es. Die Macht dieser Aufzeichnungen kann nicht überbewertet werden. (...). Eine Gesellschaft, in der die permanente Überwachung zur Routine wird, wendet sich von der Tradition der Freiheit ab und bewegt sich auf eine unfreie Strukturen zu, die auf präventiver Ermittlung basieren. Ich werde hier nicht die Argumente für und gegen diese Strukturen formulieren, aber wenn unsere Gesellschaft dies begrüsst, sollte das eine Entscheidung sein, die in der Öffentlichkeit und nicht in geschlossenen Konferenzen gefällt wird.

Lukas Reuter: Wie soll die Staatengemeinschaft auf die Überwachung regieren? Was muss getan werden?
Wir müssen zusammen an einer internationalen Norm für die Grenzen der Spionage arbeiten. Niemand sollte kritische Institutionen wie Krankenhäuser oder Kraftwerke hacken können. Wir müssen erkennen, dass nationale Gesetze das Problem der indiskreten Überwachung nicht lösen werden. Die Sicherheitsstandards, die unsere Privatsphäre schützen, müssen auf globaler Ebene ausgearbeitet werden – nicht mittels Gesetze, sondern mittels Wissenschaft und Technologie.

Jake Trapper: Unter welchen Umständen würden Sie in die USA zurückkehren?
Eine Rückkehr wäre das Beste für die Regierung, die Öffentlichkeit und mich selbst, aber leider ist es wegen der aktuellen Whistleblower-Gesetze nicht möglich. (...). Es gibt keine Aussicht auf einen fairen Prozess. Deshalb kann ich nicht nach Hause kommen. (...). Vielleicht dann, wenn der Kongress das Programm beendet, das gerade für illegal erklärt wurde, die Whistleblower-Gesetze reformiert und alle Amerikaner einen fairen Prozess erhalten.

Raghav Sharma: Was ist die angemessene Reichweite des US-Sicherheitsapparates? Bestimmt ist Spionage nötig?
Nicht jede Spionage ist schlecht. Das grösste Problem zurzeit ist die neue Technik der Massenüberwachung. (...). Jetzt wo wir Berichte von der Regierung und sogar Stellungnahmen des Kongresses dazu haben, dass diese Programme uns kein bisschen sicherer gemacht haben, sollte die Überwachung eingeschränkt werden. (...). Die NSA und der Rest der USIC ist in der Lage, den Geheimdienst mittels gezielter Überwachung zu unterstützen – so wie wir es immer getan haben – ohne auf die Massenüberwachung der gesamten Bevölkerung zurückgreifen zu müssen.

Michael Hargrove: Haben Sie die Privatsphäre Ihrer Arbeitskollegen berücksichtigt, während Sie deren Log-Ins und Passwörter gestohlen haben?
Der Reuters-Bericht, der dies behauptet hat, war schlicht falsch. Ich habe nie Passwörter gestohlen, noch habe ich eine Armee von Arbeitskollegen ausgetrickst.

Naomi Colvin: War Obamas NSA-Rede beschämend?
Der Zeitpunkt der Rede scheint interessant, zumal so oft gesagt wurde: «Die Programme wurden nicht missbraucht.» (...). Wenn die Regierung sagt, die NSA hätte die Verfassung mindestens 120 Millionen Mal mit einem einzigen Programm verletzt, jedoch daran scheitert, einen einzigen Plot aufzudecken, ist es Zeit, die Überwachung zu stoppen. Verfassungswidrige Aktionen mit nullprozentiger Erfolgsquote weiterzuführen, ist nicht gerechtfertigt.

VilleThompson: Was hältst du von Obamas Whistleblower-Schutzprogramm?
Die Gesetze zum Schutz von Whistleblowern in den USA schützen keine Auftragnehmer im Bereich der nationalen Sicherheit. Es gibt so viele Lücken in den Gesetzen, der Schutz, den sie bieten, ist so schwach und der von ihnen gebotene Meldeprozess ist so unwirksam, dass sie höchstens bewirken, dass man nicht einmal die kleinsten Fehltritte meldet. (...). Mein Fall demonstriert klar, dass wir eine umfassende Reform zum wirksamen Schutz von Whistleblowern brauchen. Hätte es einen richtigen Prozess gegeben, und würde das Melden von Fehltritten ernst genommen, hätte ich vermutlich nicht so viel opfern müssen, um etwas zu tun, das selbst der Präsident für nötig hält.

Midwire: Wie schnell kann die NSA AES-Nachrichten entschlüsseln? Funktioniert es überhaupt, Mails zu verschlüsseln?
Richtig eingesetzte, starke Verschlüsselung funktioniert. Um was man sich Sorgen machen muss sind die Endpunkte. Wenn jemand in der Lage ist, die Schlüsselcodes zu stehlen, hilft keine Kryptografie.  

Jen Savage: Kann sich unsere Demokratie vom Schaden erholen, den die NSA angerichtet hat?
Ja. Was unser Land stark macht, ist unser Wertesystem, keine Momentaufnahme unserer Institutionen oder der Rahmen unserer Gesetze. Wir können Gesetze korrigieren, die Reichweite von Institutionen eindämmen und diejenigen, die die Schuld für die missbräuchlichen Programme tragen, zur Verantwortung ziehen.

Die Plattform Free Snowden hat im Vorfeld dazu aufgerufen, dem 30-jährigen Amerikaner Fragen über Twitter zu stellen:

Youtube/TheGuardian

(daw)

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