So schauts Klaus

So perfekte Spiele an einem so schönen Ort wird es nie mehr geben

Sotschi beeindruckt

So perfekte Spiele an einem so schönen Ort wird es nie mehr geben

Noch nie hat es im Vorfeld von Olympischen Winterspielen so viele Zweifel und so harsche Kritik gegeben. Nun zeigt sich: Sotschi beschert uns die besten Spiele aller Zeiten. 
18.02.2014, 10:3318.02.2014, 13:37
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Seit Anbeginn der Zeiten (1924) sind die Winterspiele von Politik verschont geblieben. Zwar nicht vom Gezänk der olympischen Funktionäre: Die Zulassung von zwei amerikanischen Hockey-Teams 1948 in St. Moritz, das Ringen um die Zulassung der Alpinen Wettbewerbe (in der heutigen Form erst seit 1948), das Startverbot für Skilehrer (weil sie als Profis galten) und der Ausschluss von Karl Schranz 1972 weil er in einem T-Shirt mit dem Aufdruck einer Kaffeemarke ein Fussballspiel bestritten hatte – Sportpolitik hat die Winterspiele immer wieder beschäftigt. 

Die richtige Politik hat die Winterspiele hingegen verschont. Schon deshalb, weil die Spiele im Schnee mit Ausnahme von 1936 (Deutschland) in politisch unbedenklichen Ländern organisiert wurden, der Gigantismus auf die Sommerspiele beschränkt blieb und das Interesse an den Winterspielen global immer viel geringer war als fürs sommerliche olympische Spektakel. Boykotte wie bei den Sommerspielen 1956 (einige westliche Länder), 1976 (durch die Afrikaner), 1980 (durch die Amerikaner) und 1984 (durch die Ostblockländer) hat es nie gegeben. 

Boykotte gab es bei Olympia immer wieder. Letztmals 1984 in Los Angeles von den Ostblockländern. Es war die «Revanche» auf den Boykott der Amerikaner bei den Spielen in Moskau vier Jahre zuvor.Bild: AP Pool

Politische Gründe verhindern die verdiente Anerkennung

Erst Sotschi 2014 hat das alles verändert. Wladimir Putins Russland beschäftigt die Welt so stark, dass einige westliche Staatsoberhäupter demonstrativ nicht zur Eröffnungsfeier erschienen. Und die halbe Welt regte sich über die Kosten der Spiele auf. Sie betragen, je nach Quelle, zwischen 50 und 100 Milliarden Franken. Die Spiele werden allerdings von den Russen bezahlt. Ausländische Steuerzahler werden nicht zur Kasse gebeten. Und es ist immer noch besser, Milliarden in Sportanlagen, Infrastrukturen und Hotels zu investieren als in die Rüstung. 

Sotschi 2014 beschert uns nun die besten Spiele aller Zeiten. Aber aus grundsätzlichen politischen Gründen wird die Organisation der Spiele möglicherweise im Westen nicht ganz die Anerkennung bekommen die sie verdienen. Die familiäre Stimmung von 1994 (Lillehammer) fehlt. Aber die gibt es bei den Dimensionen der Spiele im 21. Jahrhundert sowieso nie mehr.  

Sotschi 2014: Meist super Wetter, warme Temperaturen und im Hintergrund die Schneeberge.Bild: X00499

Transport so perfekt wie nie

Sotschi 2014 unterscheidet sich grundsätzlich von allen bisherigen Winterspielen. Olympische Winterspiele sind zuvor mit Ausnahme von Squaw Valley (1960) immer in das Alltagsleben und die bestehende Infrastruktur einer Stadt und einer Region integriert worden. Bestehende Anlagen wurden aus-, ein paar Anlagen neu gebaut. Der Transport funktionierte nie richtig, die Wege zwischen den einzelnen Stadien in den Städten (wie zuletzt in Vancouver) waren durch den Alltagsverkehr zeitraubend. 

In Sotschi funktioniert hingegen alles praktisch perfekt. Es gab ein paar Anfangsschwierigkeiten. Aber die sind einem alten russischen Sprichtwort geschuldet: «Lange satteln und dann perfekt reiten.» Kein Bus steckt im Stau, und gefahren wird pünktlich wie die Schweizer Eisenbahn.

Unzählige Busse sorgen für schnelle Verbindungen.Bild: AP/AP

Der Traum der kurzen Wege erstmals umgesetzt

Denn Sotschi hat seine eigene Wintersportwelt praktisch auf der «grünen Wiese» nach den Anforderungen des 21. Jahrhunderts gebaut. Da war vorher nichts. Sämtliche Eissportstadien sind in einem grandiosen Wintersport-Disneyland zusammengefasst. Die Besucher gehen zu Fuss vom Eiskunstlaufen zum Hockey, zwischendurch zum Curling oder zum Eisschnelllaufen.

Noch 2010 in Vancouver konnte es einen halben Tag in Anspruch nehmen um vom Hockeystadion zur Curlinghalle zu gelangen. Der Weg in die Berge, der etwa 2006 in Turin wegen der Verkehrsstaus eine Tagesreise hin und eine Tagesreise zurück war, ist hier ein Sprint: Mit dem Bus oder der Bahn in einer Stunde in den Bergen und von dort in einer weiteren Stunde per Bus an jedem Wettkampfort. Der Traum von den Spielen der kurzen Wege ist in Sotschi erstmals in die Wirklichkeit umgesetzt worden.

Feuerwerk über dem Olympia-Park. So nah waren die Wettkampfstätten noch nie.Bild: EPA/EPA

Viel besser als dies die Amerikaner konnten

Es sind die bestorganisierten und damit besten Winterspiele aller Zeiten. Ja, die Russen haben es besser gemacht als die Amerikaner bei ihren letzten Winterspielen 2002 in Salt Lake City. Im Vergleich zu Sotschi waren die Sommerspiele von 1996 in Atlanta sogar eine Zumutung. Nicht auszudenken, welche Häme ausgegossen worden wäre, wenn sich die Russen erlaubt hätten, ein solches Chaos zu veranstalten wie die Amerikaner 1996 in Atlanta. 

Nie zuvor hat die Welt auf so funktionelle Stadien geschaut wie in Sotschi. Die Kommunikation verläuft störungsfrei, das Internet ist zumindest während der Spiele nicht zensuriert worden. Und weil hinter den Bergen die Gotteskrieger lauern, ist die ganze Region hermetisch abgeriegelt worden.

Ein «Planet Olympia» ist so höchstens noch in China möglich

Innerhalb des «Planeten Olympia» ist die Bewegungsfreiheit gross und die Eingangskontrollen laufen so zügig und problemlos ab wie am Flughafen in Kloten. Noch in Vancouver provozierten die Sicherheitskontrollen vor den einzelnen Stadien oft Wartezeiten von mehr als einer Stunde. 

Sotschi 2014 dürfte einmalig bleiben. Diese titanischen Bauarbeiten sind nur in einem reichen Land mit einer gelenkten Demokratie ohne Einsprachekultur und Opposition mach- und finanzierbar. Höchstens China könnte ein Werk wie Sotschi 2014 vollbringen. Der Gegenentwurf zu Sotschi, die bescheidenen und umweltfreundlichen Spiele, integriert in eine längst bestehendes Winterwunderland – Davos und St. Moritz 2022 – wollten die gleichen Kreise nicht, die Sotschi 2014 im Vorfeld verteufelt haben. 

Innerhalb des «Planeten Olympia» ist die Bewegungsfreiheit trotz der vielen Security gross.Bild: X00503

Im Rückblick wird Sotschi eine «Wintersport-Utopia» sein

Im Rückblick werden wir Sotschi als beinahe beängstigendes «Wintersport-Utopia» erkennen, als perfekte, ideale Welt, die sich so von der Wirklichkeit unterscheidet wie Disneyland vom richtigen Leben. Mehrheitlich wunderbares Wetter mit Mittelmeerklima und die Lage am Meer runden das Bild der perfekten, grandiosen und eimaligen «Delfin-Spiele» ab.

Palmen statt Tannen. Und es wird wohl nie mehr sein, dass die einzigen wildlebenden Tiere, die Besucher von olympischen Winterspielen erblicken, springende Delfine sind – und nicht Adler, Murmeltier und Steinbock. 

Palmen statt Tannen im Olympia-Park.Bild: EPA/DPA
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