Bereits zum sechsten Mal hat das Lauter-Festival stattgefunden. Der eintägige Event rund um die Zürcher Gessnerallee war einst als Plattform für Newcomer vorgesehen, ist mittlerweile aber längst darüber hinausgewachsen. Letztes Wochenende kamen 24 zum Teil internationale Bands in den Stall 6, in die Hafenkneipe und ins El Lokal und bezauberten vorwiegend Indie-Pop-Fans. Aber nicht nur. watson-Redaktor Can Kgil war vor Ort und erzählt von seinen persönlichen Eindrücken:
Zugegeben, über die Teeniband The Pixels hatte ich im Vorfeld nicht viel Gutes gehört. Deswegen wurde die Zürcher Band ohne schlechtes Gewissen von der Prioritätenliste gestrichen. Diese Entscheidung sollte ich später jedoch bereuen. Gegen alle Erwartungen protestierten diverse Festivalgänger vehement gegen meine Vorverurteilung und legten nahe, man müsse unbedingt den Tönen dieser jungen Leute lauschen. Nach langem Tamtam konnte ich mich dann beim besten Willen nicht widersetzen. So kam es, dass ich mich in die komplett überfüllte Hafenkneipe presste und zwischen all den zirka zehn Jahre jüngeren Teenies und ihren Eltern stand.
Ehe die Band anstimmte, ging ein Gekreische los und ich fasste mir nachdenklich an den Kopf. Ich wollte gehen, konnte aber nicht – jegliche Flucht wurde durch das eng zusammengeraufte Publikum verunmöglicht. Doch dann, mit jedem neuen Song änderte sich meine Einstellung. Hey, diese Kids haben's drauf! Nicht nur musikalisch, sondern auch textlich: Sinnvoller Mundart halt, begleitet durch rhythmische Töne. Schliesslich wippte ich bei den Liedern mit und die einstige Ablehnung wandelte sich in Begeisterung. Der halbstündige Gig ging vorüber und ich schritt peinlich berührt und gequält durch meine Voreingenommenheit von dannen. Das ist mein Outing: Ich bin auch ein Pixel.
Ein paar Häuser weiter wurden gerade die letzten drei Lieder von gespielt. What Josephine Saw
Im Stall 6 streichelten die sechs Jungs mit melancholischen Klängen die zarten Gemüter des Publikums. In der taumelnden Masse fehlte eigentlich nur noch ein Feuerzeug-Flammenmeer. Die Lichttechnik mit alten Glühbirnen machte das stimmungs-technisch aber wieder wett. Alles in allem: Ein gelungener frühabendlicher Beitrag, der alteingesessene WJS-Fans mit Vertrautem beglückte und die Festivalstimmung der Neuentdecker nicht allzu fest herunter zog. Denn mehrheitlich war der Stall 6 von lustigen Auftritten geprägt.
So sangen am Frühabend über Hipster-Mädchen. Ganz im Sinn der Szene fühlte sich von all den Turnbeutel-Trägerinnen niemand wirklich angesprochen. Verständlich, wenn man bedenkt, dass der E-Gitarrist selbst mit einem Dreieck-gemusterten Tanktop auftrat. Man lässt sich ja auch nicht von einem Vegetarier als Veganer beschimpfen, oder so. Schon das Erscheinungsbild von Lift UpLift Up zauberte einigen Besuchern ein Lächeln ins Gesicht: Die vier Punkrocker könnten unterschiedlicher nicht sein. Der Leadsänger könnte glatt als Rapper durchgehen, der E-Gitarrist als salonfähiger Szeni, der Bassist wiederum war eher ein unscheinbarer Zeitgenosse und der Drummer ein stets grinsender Typ, der schon nur durch die lustigen Grimassen hinter seinen Schlaginstrumenten das Publikum zu belustigen wusste.
Dann kamen aber Sizarr aus Deutschland (hier ) und geht's zum Gespräch mit watsonBRNS aus Belgien. Zweifelsfrei füllten diese zwei Acts den Stall am meisten. Kein Wunder irgendwie, denn der Mix aus lauthals gerufenen Gesängen und den schnellen und melodischen Klängen machten schlicht und einfach gute Laune.
Zwei wunderbare Bands, die ganz dem Publikumsgusto im Indie-Pop/Rock-Bermudadreieck am Samstag zu entsprechen schienen. Die Masse, am Ende der Konzertreihe von den holländischen De erheitert, war dann bereit für die Party mit den Zürcher DJs StaatDragon Suplex und Nicolaj von Miteinandermusik. Dazwischen feierten die Festivalbesucher mit Parra For Cuva, einem DJ aus Berlin.
Das Publikum war im Vergleich zu anderen Festivals gemischter. So flanierten am späten Nachmittag eher Familien und Teenager zwischen den drei Lokalitäten. Am Frühabend waren sogar vereinzelt Kinderwägen anzutreffen. Die Nacht gehörte dann aber doch den klassischen Festivalbesuchern im Alter zwischen 18 und 35.
Jutesäckchen und hochgekrempelte Jeans gehörten offenbar zum Pflichtdress der Lauter-Besucher. Und wer den Turnbeutel nicht gerade zur Hand hatte, konnte sich vor Ort beim Natasche-Stand einen besorgen.
Nicht nur das schöne Wetter lockte schaulustige Hipster mit Hornbrille und Co an. Auch kulinarisch wurde was geboten. Von Weltküche bis hin zum Grillbetrieb konnten die Lauter-Besucher allerlei Schmaus geniessen:
Klassisch für musikgeprägte Anlässe wurde vermutlich am meisten Bier konsumiert. Aber nicht nur. Während der gepflegte Szeni sein Club Maté trank, ein koffeinhaltiges und alkoholfreies In-Getränk aus Deutschland, bevorzugten andere prickelnden Prosecco. Jedem das Seine.
Obwohl der Eintritt auch dieses Jahr kostenlos war, schienen die Veranstalter an keiner für die Besucher bemerkbaren Stelle zu sparen. Die anfänglichen Bedenken, dass ein von Indie-Pop/Rock dominierendes Line-Up zu einseitig sein könnte, wurden aus meiner Sicht entschärft. So wurden melancholische Töne von What Josephine Saw schnell von diversen Gute-Laune-Melodien abgelöst, sodass den Festivalbesuchern einerseits viel Abwechslung, andererseits rasch neue Hörerlebnisse geboten wurden. Langeweile war also fehl am Platz.
Lediglich logistische Probleme, wie teilweise überfüllte Konzerte und lange Wartezeiten bei den Ein- und Ausgängen, könnte man den Organisatoren anlasten. Die Verpflegung war zwar gut, hatte aber auch ihren (zum Teil stolzen) Preis.
Das Bier war mit 5 Franken im zahlbaren Bereich und somit mehr als fair. Mir imponierte, dass ein solcher Anlass ohne Zuschauereinnahmen auskommt – immerhin fand er dieses Jahr zum sechsten Mal statt. Falls es ein siebtes Mal geben sollte, bin ich sicher wieder mit von der Partie.