«Peinlich dieses SRF», «Schwache Leistung aus Leutschenbach», «Und dafür zahlen alle Schweizer Bilag?». Was ist denn nun schon wieder los, fragt sich da der erschrockene Leser. Und ausserdem: Was ist eigentlich aus Grammatik und Orthographie geworden? Zu lesen sind diese Kommentare unter einem Artikel von 20 Minuten, bei dem es um «Die Brocki-Profis» geht.
Obwohl die Sendung noch gar nicht ausgestrahlt worden ist, haben sich die Kollegen schon eine Meinung gebildet: «SRF kupfert schon wieder beim Privatfernsehen ab», lautet die These mit Blick auf den «Trödeltrupp» von RTL 2. Weitere Beispiele seien «Das Supertalent», «Mein Lokal, dein Lokal», «Domian» und «Deal or No Deal».
Schade nur, dass Formate wie «Got Talent» und «Deal or No Deal» aus Grossbritannien und den Niederlanden kommen. Auch die Restaurant-Tests und der einfühlsame, nächtliche Talk sind auch nicht im Norden erfunden worden. Doch wen kümmert's, wenn man Volkes gerechten Zorn entfachen kann? «Gehandelt wird mit klaren Worten und harten Bandagen», heisst es dann auch beim SRF. Gemeint sind aber «Die Brocki-Profis», nicht «20 Minuten».
Die Trödelhändler sind «unverfälscht und echt», verspricht Leutschenbach. Und hält Wort: Sabine Reusser in Basel, Bernhard Jost in Winingen ZH und Patrick Schaerz in Boswil AG sind schweizerisch (und) authentisch und im Prinzip der Trumpf der Sendung.
Nehmen wir nun Sabine Reusser: Die Frau führt ihr Basler Brocki seit acht Jahren und hat beachtliche 30 Angestellte. Die Frau ist gelernte Schreinerin und versteht ihr Handwerk. So lernt der Zuschauer etwa durch eine Kundin, die ein vermeintliches altes Holzpferd anbietet, dass Bearbeitungsspuren von modernen Werkzeugen das wahre Alter des Objekts verraten.
250 Franken hätte die Dame gern, doch Reusser muss ihr nach Rücksprache mit der Kollegin eröffnen: «Die haben dich in Thailand übers Ohr gehauen!» Das sei aber schon vor 20 Jahren gewesen, insistiert die Kundin. «Dann wären wir ja alle antik», kontert der Brocki-Profi. Sie zahlt am Ende 110 Franken für das Pferd, zeigt aber Mitgefühl. «Es ist manchmal hart für die Leute», sagt sie. Und: «Es tut mir Leid, dass ich nicht mehr geben konnte.»
Später findet Mario den Weg nach Basel, um dort seine Grammophone zu verkaufen. So will er mehr Zeit für seine Liebste haben. «Lieber mit der Freundin spielen», bestärkt ihn Reusser und zieht ihren Angestellten Erich zu Rate, der der Technik-Fuchs im Haus ist. Der findet, das alte Stück Technik sei «eine ganz coole Sache». Mario will mindestens 200 Franken dafür – und bekommt sie anstandslos. «Ich glaube, das darf man schon zahlen für das», meint Erich.
Bernhard Jost und seiner Frau Marlen in Weiningen bekommen von einem Kunden eine Truhe, die angeblich von 1837 ist. «Die ist alt», sagt Jost und erklärt, dass Frauen solche «Berner Tröggli» oft mit in die Ehe gebracht haben. Der aufgemalte Name der Besitzerin – Barbara Fankhauser – mindere aber den Wert. Der Kunde möchte «400, 450 Franken». Die Antwort: «Ja, das ist toll, dass du dir das so überlegt hast.» Das Angebot: 130 Stutz. Es wird «schweren Herzens» angenommen.
Patrick Schaerz in Boswil beweist, dass ein Geschäft auch mal ins Wasser fallen kann und nachher trotzdem alle zufrieden sind. Ein Rentnerpaar bringt Kram: Bilder, eine antike Uhr und ein altes Radio. Das wird alles links liegen gelassen. Nur eine Schwinger-Schmuckschatulle von 1923 erregt die Aufmerksamkeit des Händlers. «Schwingen ist ja doch ein Männersport», wundert der sich über das von Hand geschnitzte Stück. «Ein kleiner Nachteil sind die Fehlstellen.»
50 Franken bietet er, was den Senioren gar nicht schmeckt. «Ich habe es auf etwa 200 geschätzt», sagt der Kunde. Das sei aber zu viel. 170 Franken sei sein «letzter Preis», Schaerz erhöht auf 100. Es kommt keine Einigung zustande, aber dennoch gehen die Menschen friedlich ihrer Wege. Oder wie Schaerz sagt: «Es sind freundliche und nette Leute gewesen.»
Ja, das waren sie. Alle an der Premiere beteiligten. Und schweizerisch. Deshalb schaue ich auch nicht RTL 2.