Verrückte Pläne und neue Vorhaben machen ihm seit Jahrzehnten das Leben lieb. Das Chaos hat er zu seinem Lebenselixier erklärt und in verschiedenen Projekten effektvoll zelebriert. Und so mag Dieter Meier international noch so bekannt sein als rappende Yello-Hälfte, als Kunst-Anarchist oder Bio-Agronom: Mit 69 startet er nochmals durch. «Out Of Chaos» nennt Meier sein erstes Soloalbum, das ab dem 11. April erhältlich ist.
Eine Platte, die den gefeierten Pionier des Electro-Pop in anderem Gewand zeigt. Auf vielen der zwölf Songs singt Dieter Meier - ja: er singt! Das war zu frühen Yello-Zeiten undenkbar, galt es damals doch, den Sprechgesang für den Electro-Pop mitzuerfinden. Eine Singstimme war dafür nicht zwingend nötig. «Out Of Chaos» ist ein Ereignis, wenn auch ein nicht ganz unerwartetes. Unter demselben Namen lancierte Dieter Meier vor drei Jahren ein «akustisches Bilderbuch», mit dem er lesereisend durch die Lande zog.
Aus diesem Projekt erwuchs die Liveband Out Of Chaos, für die er in der jungen Schweizer Jazzszene fündig wurde. Pianist Ephrem Lüchinger (Heidi Happy), Gitarrist Nicolas Rüttimann und Geiger Tobias Preisig halfen Meier nicht nur, seine Songs zu intonieren. Sie waren es, die seine Ideen so richtig zum Klingen brachten.
Nun geht der Zampano, der seit den 60er-Jahren auch als Performance-Künstler und selbsterklärter «Individual-Anarchist» von sich reden machte, noch einen Schritt weiter. Für die Zubereitung seiner Songs zur CD-Reife engagierte er ein Berliner Produzenten-Trio. Und Ben Lauber, T. Raumschmiere und Nackt haben ganze Arbeit geleistet. «Out Of Chaos» verdient unbedingt Beachtung.
Was kaum denkbar erscheint, tritt nämlich ein. Dieter Meier schafft mit 69 einmal mehr eine künstlerische Neuinszenierung. Nichts gegen Yello und noch weniger gegen den genialen Meier-Partner Boris Blank: Aber «Out Of Chaos» präsentiert einen nochmals anderen Dieter Meier. Den neuen Songs «Jimmy» oder «Fat Fly» haftet zwar noch ein elektrifizierter Yello-Touch an. Doch die Balladen «Ritual» und «Annabelle» singt Dieter Meier mit tiefschwarzem Rock in den Adern.
Den hat ihm wohl sein Drummer Thomas Wydler eingegeben, der bei Nick Caves Post-Punk-Band Bad Sees trommelte. Die grösste Überraschung: Meiers Stimme nimmt auch ohne elektronische Verfremdung gefangen. Sein rauchiges Timbre klingt, als ob es lebenslang geschult wäre. Ist es ja irgendwie auch. Denn Yello existiert bis heute und ist gerade mit einem Echo-Musikpreis für das Lebenswerk ausgezeichnet worden.
(sda)