Es ist mal wieder Wacken – und der Metalhead erhebt, nun ja, sein hässlich Haupt. Das Open-Air-Festival findet dieses Jahr schon zum 25. Mal statt, eignet sich aber immer noch bestens, sämtliche Klischees zu bedienen.
Die lauten in etwa so: Eine ulkige Masse aus langhaarigen, schwarz gekleideten, an sich harmlosen, aber gefährlich aussehen wollenden Freaks suhlt sich tagelang kollektiv im Dreck, trinkt sich besinnungslos und schüttelt den Kopf zu Musik, die eigentlich gar keine ist. Und dann erst diese lustigen Fotos!
Das Problem ist nicht, dass das alles nicht auch stimmte. Wacken ist kein Opernabend, sondern eine mehrtägige Open-Air-Party. Und auf der wird nun einmal gesoffen, getanzt und am Ende schlecht gerochen. Das lässt sich allerdings genauso bei anderen Massenpartys beobachten, nur oft in weniger friedlicher Atmosphäre.
Nein, merkwürdig ist eher, dass in weiten Teilen des deutschen Bürgertums - und insbesondere in manchen Redaktionen - folgende Annahme verbreitet scheint: Wacken ist nicht nur ein Phänomen des Metal, Wacken ist der Metal.
Was für ein Irrtum.
Der Metal hat seit den Siebzigern eine Unzahl von Subgenres hervorgebracht, jedes mit seinem eigenen Substil und nicht selten auch seiner eigenen Subkultur. Zwar gibt es in vielen davon schlechte Musik mit abgrundtief dummen Texten (wie übrigens auch im Volksmusik-TV oder im Schlager-Radio). Und es gibt Bands, die seit Jahrzehnten gefühlt alle zwei Jahre dieselbe Platte aufnehmen (in Wacken mit dabei: Accept, Saxon, Slayer, Hammerfall, Megadeth, Motörhead).
Aber technisches Können spielte im Metal, anders als etwa im Punk, schon immer eine zentrale Rolle. In seinen besten Momenten gelingt es ihm, den musikalischen Vorschlaghammer mit chirurgischer Präzision zu führen. Dieser Widerstreit zwischen Urkraft (oder auch Urtrieben) und Kontrolle findet sich häufig auch in den Texten wieder.
In manchen Subgenres haben sich in Jahrzehnten eine musikalische Virtuosität und ein inhaltlicher Tiefgang entwickelt, die man anderswo in der Populärmusik ebenso lange wie vergeblich suchen würde. Bands mit einem Durchschnittsalter von knapp über 20 stellen mit ihren Instrumenten inzwischen Dinge an, die manche Metal-Grössen der Achtziger und Neunziger wohl nicht einmal für möglich gehalten hätten.
Sie schreiben Songs, die Zuhörer herausfordern und in denen eine Menge an kompositorischen Ideen steckt, mit der eine durchschnittliche Pop-Kombo mindestens zwei Alben bestreiten würde. Solche Bands stehen in diesem Jahr auch in diesem grossen Wacken auf der Bühne - etwa Bring Me The Horizon oder August Burns Red.
Muss nur mal jemand hinhören, der den Metal nicht schon von vornherein zu kennen glaubt.
Spiegel Online überträgt das Wacken Open Air ab Donnerstagnachmittag hier live im Internet.