Ende der 1970er Jahre hat Harald Naegeli nachts und anonym die sauberen Wände Zürichs mit Strichfiguren belebt. Mit diesen Provokationen löste er einen Riesenwirbel aus und wurde gerichtlich verfolgt. Seither ist es um den Künstler ruhiger geworden. Längst ist er rehabilitiert.
Als das Zürcher Obergericht Harald Naegeli 1981 wegen Sachbeschädigung zu neun Monaten Gefängnis und einer saftigen Busse verurteilte, hatte sich der «Zürcher Sprayer» nach Deutschland abgesetzt. Dort und in anderen europäischen Städten sprayte er fleissig weiter, bevor er 1983 der deutschen Polizei ins Netz ging. In die Schweiz ausgeliefert, sass er seine Gefängnisstrafe ab.
Tempi passati. Die Urteilsbegründung des Obergerichts, Naegeli habe Zürich «mit beispielloser Härte, Konsequenz und Rücksichtslosigkeit» verunsichert und den «Glauben an die Unverletzlichkeit des Eigentums» erschüttert, wirkt aus heutiger Perspektive lächerlich. Der Künstler tut niemandem mehr weh. Im Gegenteil.
Seine Zeichnungen tauchten nicht nur auf Bettwäsche und Bademäntel auf, seine Kunst wird auch an Auktionen gehandelt, auch an solchen, die einem guten Zweck dienen. So stellte Naegeli 2010 30 Graffiti-Studien zur Verfügung, um den Kampf von Pro Natura für die Artenvielfalt zu unterstützen. 24 dieser Blätter wurden an der Benefiz-Versteigerung verkauft, für insgesamt 70'000 Franken.
Wie willkommen der Künstler in seiner Geburtsstadt geworden ist, zeigte eine Retrospektive, die ihm das Kunsthaus Zürich 1993 ausrichtete. Zehn Jahre später setzte der Kanton ganz offiziell ein ähnliches Zeichen: Er liess Naegelis weiblichen Wassergeist «Undine» (1978) restaurieren und konservieren. Seither ist die Zeichnung an der Zürcher Schönberggasse zu besichtigen.
Auch im laufenden Jahr hörte man immer wieder Harmonisches von Harald Naegeli. So sprayte er anlässlich der «Waldhaus Konzerte Flims» zu selbst gewählter Musik ein Bild, und in Zürich unterstützte er mit einer Benefiz-Aktion im Kulturraum Kassette beim Pfauen den Umzug und Umbau der Buchhandlung am Hottingerplatz.
In seiner wilden Zeit Ende der 1970er Jahre sprayte Naegeli zwischen 400 und 600 Strichfiguren auf Zürichs Hauswände. Die weitaus meisten sind verschwunden. (lis/sda)