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Genug von der mühseligen Partnersuche? Dann lassen sie sich doch einfach mit einem Wildfremden verheiraten  

Neue Kuppel-Show

Genug von der mühseligen Partnersuche? Dann lassen sie sich doch einfach mit einem Wildfremden verheiraten  

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Zu viel Freiheit scheint der Mensch nicht zu vertragen. Dann weiss er nicht mehr, was er will. Zum Glück gibt es jetzt eine neue Kuppelshow, in der den Kandidaten von Experten gesagt wird, wen sie heiraten sollen. 
15.11.2014, 12:5315.11.2014, 14:27

Am Sonntag startet auf «Sat.1» die neue Kuppel-Show «Hochzeit auf den ersten Blick». Es ist die eingedeutschte Version der dänischen Heiratsshow «Married at First Sight», die in Skandinavien ein Quotenknaller war. Jetzt halten Sie sich fest: Die Kandidaten, vier Männer und vier Frauen, sehen sich zum allerersten Mal auf dem Standesamt. Dort können sie sich das Ja-Wort geben – müssen aber nicht. Dass sie diesem Lebensbund zustimmen, ist allerdings der Sinn der Show. 

Ausgewählt wurden die Paare von einem Experten-Team, das die Kandidaten mit Hilfe von psychologischen Tests zusammengestellt hat. Danach geht's für die Frischvermählten ab in die Flitterwochen, wo sie sich sechs Wochen lang unter der Sonne kennenlernen können und dann wird entschieden: Ehe, Eheberatung oder Scheidung – die allerdings nach deutschem Recht frühestens nach einem Jahr erfolgen kann. Und falls es dazu kommt, müssen die Kandidaten selber zahlen.

Von der Zwangsehe zur Expertenehe 

Ist das jetzt der Gipfel der Dekadenz? Kaum hat sich der Mensch mehrheitlich befreit von existentiellen, gesellschaftlichen oder sonstigen Ehe-Zwängen, und kann sich seinen Partner frei wählen, wünscht er sich wieder unters patriarchale Joch zurück. Nur sind es nicht mehr die Väter, die ihren Töchtern einen Schleier aufsetzen und sie blindlings in eine vermeintlich abgesicherte Zukunft stossen. Jetzt sind es die Experten. Die Liebes-Wissenschaftler, die sich auf das Messen der Gefühle verstehen. Die acht Kandidaten von «Hochzeit auf den ersten Blick» lassen sich von diesen Sachverständigen ihren Lebenspartner vor die Nase setzen. 

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Wenn man selbst immer falsch wählt, gibt es immer noch die Experten.gif: giphy

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Ewigkeit, ja – Kompromisse, nein

«Bild» hat mit der 26-jährigen Tatjana gesprochen, die Ja zu einer Ewigkeit mit einem Wildfremden sagte.

Auf die Frage, was sie dazu bewogen habe, vor laufender Kamera einen Unbekannten zu ehelichen, antwortete die junge Frau: «Nach mehreren Enttäuschungen wollte ich die mühselige Partnersuche hinter mich bringen, um endlich den perfekten Partner an meiner Seite zu haben. Ich nehme an der Sendung teil, weil ich mir erhoffe, dadurch den Partner fürs Leben zu finden, damit ich endlich das Leben leben kann, wie ich es mir immer vorgestellt habe.»

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Wann kommt endlich der Richtige?gif: giphy

Tatjana empfindet die Partnersuche als mühselig, sie will sich nicht länger mit ihr beschäftigen, sie zögert nur ihr eigentliches Ziel heraus: ihren Entwurf einer erfüllten Zweisamkeit, ihre Vision einer perfekten Beziehung endlich zu leben. 

Warum klammern sich junge Menschen wie Tatjana noch immer so verbissen an das Ehe-Konzept, an die Vorstellung des perfekten und ewigen Zusammenpassens, während sie gleichzeitig an der Suche nach diesem Ideal verzweifeln? Wie lange kann man sich einreden, dass der Richtige halt einfach noch nicht gekommen ist? 

Was aber, wenn es ihn gar nicht gibt? Wenn er nur in den Köpfen der Suchenden steckt, als ein fiktives Perfektionskonstrukt, das dann über die Anwärter gestülpt wird, als wäre es eine Verkleidung, in der sie dann ohne zu stolpern durchs makellose Eheleben spazieren können? 

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Bild: tinypic, bearbeitung watson

Irgendwann aber fliegt er auf, der kostümierte Kavalier, seine wahre Natur guckt unter der Maskerade hervor, er mag Jazz ja gar nicht, er will keine Liebesfilme mit ihr gucken und den Lebensbaum, den sie im Töpferkurs gemacht hat, findet er überhaupt nicht schön. So hat sie sich ihren Traummann also ganz und gar nicht vorgestellt.

«Eine Heirat ist kein Spiel – und eine Scheidung ist in meinen Augen etwas sehr Trauriges.»

Womöglich scheitern heutzutage viele Beziehungen deshalb, weil man zu sehr mit sich und seiner individuellen Entfaltung beschäftigt ist. Man will die perfekte Liebe, doch niemand ist bereit, Kompromisse einzugehen. Das würde ja heissen, man müsste sich verbiegen, würde vielleicht sogar sich selbst verraten. Das Konzept der Ewigkeit funktioniert nicht mehr richtig, weil es niemand mehr zu erfüllen versteht. 

Aber wer hängt schon seine Ideale an den Nagel? Tatjana tut das jedenfalls nicht. Sie kommt zum Schluss, dass sie bei der Auswahl ihrer Partner des Öfteren daneben gegriffen hat, will diesem Zirkus endlich ein Ende setzen und legt nun also ihr Glück in die Hände von Experten. Denn sie ist überzeugt von dem Bund des Lebens: Eine Heirat sei kein Spiel, betont sie im Interview, «und eine Scheidung ist in meinen Augen etwas sehr Trauriges.» 

Dann wollen wir hoffen, dass es für Tatjana gut ausgeht, nicht dass wir ihr noch beim Scheitern zuschauen müssen – denn das will ja wirklich niemand sehen. 

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