Erstmals in der Krim-Krise haben sich Vertreter von Russland und der Ukraine persönlich zu einem Gespräch getroffen. Der russische Vizeaussenminister Grigori Karassin sei in Moskau mit dem ukrainischen Botschafter Wladimir Jeltschenko zusammengekommen, teilte das Aussenministerium in Moskau am Samstag mit.
«In aufrichtiger Atmosphäre wurden Fragen der russisch-ukrainischen Beziehungen besprochen», hiess es in einer Mitteilung der Behörde.
Dennoch verschärfte sich die Lage auf der Krim weiter. Am Zugang zur ukrainischen Halbinsel wurden am gleichen Tag beim Eintreffen der OSZE-Beobachtermission Warnschüsse abgefeuert. Das teilte die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Wien mit. Die zivilen und militärischen Beobachter, die sich zur Berichterstattung über die aktuelle Lage auf die Krim begeben wollten, seien nach dem Abfeuern von «wahrscheinlich drei Schüssen» von Seiten prorussischer Einheiten umgekehrt.
Die Beauftragte der OSZE für Medienfreiheit, Dunja Mijatovic, verurteilte die Schliessung ukrainischer TV-Sender, das Aufschalten russischer Sender sowie Angriffe auf Medienleute auf der Halbinsel Krim. Mijatovic sprach in einer Medienmitteilung von «extremer Zensur».
Vor dem ukrainischen Marinestützpunkt Nowosernoje zeigten sich russische Soldaten zunehmend nervös. «Die Lage hat sich geändert. Die Spannungen sind stark gestiegen. Sie müssen gehen, sie können hier nicht filmen», herrschte ein russischer Soldat ein Reuters-Team an. Rund 100 russische Soldaten blockieren die Basis, deren Hafenausfahrt auch von einem russischen Schiff versperrt wird.
Hunderte Soldaten rückten zudem in einen Stützpunkt nahe der Krim-Hauptstadt Simferopol ein. Reuters-Reporter sahen einen Konvoi von 50 Truppentransportern, acht gepanzerten Fahrzeugen und Tankwagen in die Basis einfahren.
Auch politisch zeigten weder die pro-russische Regionalregierung noch Russland Bereitschaft, auf Forderungen der Ukraine und des Westens einzugehen. Das umstrittene Referendum über den möglichen Anschluss der Krim an Russland werde stattfinden, sagte Krim-Regierungschef Sergej Axjonow. «Niemand kann es absagen.» Das Referendum sei so kurzfristig angesetzt worden, um Provokationen zu vermeiden, sagte er laut der Nachrichtenagentur Itar-Tass im russischen Fernsehen.
Derweil bekräftigte die ukrainische Regierung in Kiew mit Nachdruck ihren Gebietsanspruch auf die Krim und bezeichnete das umstrittene Referendum über den möglichen Anschluss der Krim an Russland als illegal. «Die Krim war, ist und bleibt ukrainisch», sagte Aussenminister Andrej Deschtschiza eine Woche vor dem geplanten Referendum auf der Halbinsel.
Auch US-Präsident Barack Obama und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sich am Freitagabend erneut über das Vorgehen in der Ukraine-Krise telefonisch abstimmten, sprachen von einem unrechtmässigem Schritt.
Beide bewerteten das Vorgehen Russlands als inakzeptabel, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert. Die USA und die EU haben weitere Sanktionen gegen Russland angedroht, sollte die Volksabstimmung stattfinden.
Russland reagierte mit einer Gegendrohung. Die Ankündigungen der USA und der NATO seien ein «unfreundlicher Akt», zitierte die staatliche Nachrichtenagentur Ria Nowosti einen Vertreter des Verteidigungsministeriums in Moskau. Russland könnte sich veranlasst sehen, die im START-Abrüstungsabkommen vereinbarten Inspektionen der Atomwaffen-Arsenale auszusetzen.
Russlands Aussenminister Sergej Lawrow zeigte sich am Samstag bereit zu einem «ehrlichen Dialog auf Augenhöhe», sofern sein Land nicht als Konfliktpartei angesehen werde. Die Krise auf der Krim sei «nicht von uns provoziert» worden, sondern «trotz unser wiederholten Warnungen». (dhr/sda/afp/dpa)
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