Russland
Gesellschaft & Politik

Russische Interventionen laufen immer nach dem gleichen Muster ab

Russische Truppen in der ukrainischen Stadt Balaklava am 1. März 2014
Russische Truppen in der ukrainischen Stadt Balaklava am 1. März 2014Bild: EPA
Krimkrise

Russische Interventionen laufen immer nach dem gleichen Muster ab

Die Eskalation auf der Krim verläuft ziemlich genau wie 2008 vor dem Georgien-Krieg. Damals schickte Moskau das Militär mit der Begründung los, dass russische Staatsbürger in den abtrünnigen Republiken Abchasien und Südossetien geschützt werden müssten. 
02.03.2014, 14:4703.03.2014, 06:43
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Der Chef der selbst ernannten prorussischen Regierung auf der Krim, Sergej Axjonow, hat die Führung in Moskau zum Eingreifen auf der Halbinsel aufgefordert. Und als Echo betont Sergej Mironow von der Partei Gerechtes Russland: Alle müssten wissen, dass die Russen ihre eigenen Leute in einem Krieg nie fallenliessen. 

Ein russischer Militäreinsatz auf der Krim wurde deshalb am Samstag genau mit dieser Begründung gebilligt. Am Sonntag berichtete die russische Agentur Tass unter Berufung auf den russischen Grenzschutz, es gebe Hinweise auf eine «humanitäre Katastrophe», weil Hunderttausende Ukrainer im Januar und Februar das Land Richtung Osten verlassen hätten. 

Damit wiederholt sich ein Muster, nach dem nicht nur Russland, sondern auch andere Grossmächte vorgehen. Zum anderen zeigt der Konflikt aber auch die wachsende Unschärfe bei der Beantwortung der Frage, ab wann ein militärisches Eingreifen in anderen Staaten zulässig ist. 

Putins Traum vom Imperium 

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte schon vor Jahren den Zusammenbruch der Sowjetunion als grösste Katastrophe des 20. Jahrhunderts bezeichnet. 

Der russische Wissenschaftler Wladislaw Inosemzew wirft ihm deshalb vor, ein russisches Imperium wiederherstellen zu wollen, das Putin mit seiner Vision einer «Eurasischen Union» zumindest aus Teilen der ehemaligen Sowjetunion wieder aufbauen will. 

Auf jeden Fall ist Russland bis heute damit beschäftigt, die Folgen des Zerfalls der Sowjetunion zu verarbeiten. Ein Problem ist die hohe Zahl an Auslandsrussen: So sind mehrere Millionen Russen in den nun unabhängigen ehemaligen Sowjetrepubliken zu Minderheiten geworden. 

Eckpfeiler der russischen Sicherheitsarchitektur 

Gerade die Krim ist aber auch ein Beispiel für ein weiteres Problem: Denn einige wichtige russische Militäreinrichtungen befinden sich nun ausserhalb der Landesgrenzen. In Abchasien betraf dies nur Kureinrichtungen, die jahrzehntelang von der Moskauer Offizierselite genutzt wurden. 

Auf der Krim aber ist die russische Schwarzmeerflotte stationiert, einer der Pfeiler der Sicherheitsarchitektur. Bisher war die Nutzung der Stützpunkte in Verträgen zwischen beiden Staaten geregelt. Durch den Umsturz in Kiew wackeln diese, zumal die schnelle Abschaffung des Russischen als zweite Amtssprache die Ängste der gut acht Millionen russischstämmigen Ukrainer anheizte. 

Ähnliche Sprachenkonflikte gab es bereits in den baltischen Staaten, die aber als Mitglieder von EU und Nato einen anderen Schutz geniessen und keine grosse strategische Bedeutung für Moskau haben. Ein vergleichbarer Konflikt existiert aber in Moldawien, wo ein Grossteil der rund 500'000 Russen im abtrünnigen Landesteil Transnistrien lebt. 

Russische Truppen in Georgien 2008
Russische Truppen in Georgien 2008Bild: EPA

2008 wurde im Zusammenhang mit dem Georgien-Krieg die sogenannte Medwedew-Doktrin entwickelt, die dann 2010 auch in einem Auftrag an das russische Militär umgesetzt wurde: Ausdrücklich wird seither der Einsatz für den Schutz von Russen im Ausland erlaubt. Im Fall der Ukraine werfen westliche Regierungen Putin aber nun vor, dies nur als Vorwand für seine imperiale Strategie zu nutzen. 

Auch der Westen interveniert... 

US-Truppen in Grenada 1983
US-Truppen in Grenada 1983Bild: AP

Allerdings sind solche Interventionen keineswegs eine russische Spezialität. Auch die Amerikaner haben eine lange Tradition vorzuweisen. So wurde der Einsatz der US-Streitkräfte in Grenada 1983 mit dem Schutz der dortigen Amerikaner begründet. 

US-Truppen in Panama 1989
US-Truppen in Panama 1989Bild: AP

1989 liess US-Präsident George Bush mehr als 20'000 US-Soldaten in Panama einmarschieren – erneut mit dem Hinweis auf den Schutz der eigenen Landsleute. Beide Male verfolgte Washington aber auch andere Ziele wie den Schutz des Panama-Kanals oder die Entmachtung unliebsamer, teilweise diktatorischer Regierungen wie die von Manuel Noriega. 

Auch andere westliche Länder haben in den vergangenen Jahrzehnten militärisch in anderen Staaten eingegriffen - mit einer Vielzahl von Begründungen, die von der Abwendung humanitärer Katastrophen bis zur Terrorbekämpfung reichten. 

Französische Truppen in Mali 2013
Französische Truppen in Mali 2013Bild: EPA

Jüngste Beispiele sind die französischen Interventionen in Mali und Zentralafrika. 2011 stürzte der Westen den libyschen Machthaber Muammar Gaddafi. Und im Jahr 2001 entmachteten die USA mit ihren westlichen Verbündeten in Afghanistan die Taliban – der Einsatz dauert an. 

Der Unterschied dieser Aktionen zur Auseinandersetzung auf der Krim oder der in Georgien: Es gab jeweils eine Zustimmung des UNO-Sicherheitsrates. 

...manchmal ohne UNO-Mandat 

Internationale Truppen (hier Amerikaner) im Kosovo 1999
Internationale Truppen (hier Amerikaner) im Kosovo 1999Bild: AP

Allerdings ist diese völkerrechtliche Absicherung auch für den Westen nicht immer Richtschnur des eigenen Handelns – auch Deutschland beteiligte sich 1999 am Kosovo-Krieg, für den kein UNO-Mandat vorlag. 

In den Vereinten Nationen gibt es seit Jahren eine Debatte über eine humanitäre Verpflichtung zum Eingreifen, auch gegen den Willen einer betroffenen Regierung, die unter dem Stichwort «responsibility to protect» läuft, was allerdings der Auslegung Tür und Tor öffnet, was «gerechte» und «ungerechte» Kriege sind. 

Daneben greifen die USA bis heute regelmässig mit Drohnen Ziele im Jemen sowie in Pakistan an – auch gegen den Protest der Regierung in Islamabad. Begründung ist der Kampf gegen Terroristen – eine Wortwahl, die auch die russische Führung jetzt aufgreift. (erf/sda/Reuters)

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