96 Prozent der Teilnehmer des vom Westen als völkerrechtswidrig eingestuften Referendums auf der Krim sprachen sich am Sonntag für einen Anschluss an Russland aus. Ein Glanzresultat für die prorussischen Kräfte in der Ukraine, wäre da nicht der Makel des Manipulationsverdachts, der jedem Wahlausgang mit 90+ Prozent der Stimmen anhaftet – gerade auf dem Territorium der alten Sowjetunion.
In vielerlei Hinsicht war die Sowjetunion hoffnungslos ineffizient, nicht so bei der Durchführung von Wahlen. Alle Kandidaten wurden jeweils mit 99 Prozent der Stimmen gewählt, Gegenkandidaten gab es keine. Die UdSSR mag Geschichte sein, aber «sowjetisch anmutende» Wahlresultate haben überlebt.
Alexander Lukaschenko, seit 1994 Präsident von Weissrussland, weiss um die Glaubwürdigkeitsprobleme von Fabelergebnissen. Nach der Wahl 2006 behauptete er, er habe seinen Stimmanteil von 93 auf 83 Prozent senken lassen, da die Leute psychologisch Schwierigkeiten hätten, ein Resultat von über 90 Prozent zu akzeptieren.
Ilham Aliyev scheint die Einschätzung Lukaschenkos zu teilen. Der Präsident Aserbaidchans liess sich 2013 mit 85 Prozent der Stimmen für eine dritte Amtszeit wählen.
Wladimir Putins Partei «Einiges Russland» erzielt zwar jeweils «nur» um die 60 Prozent der Stimmen. Doch in einigen Regionen kann auch er an sowjetische Traditionen anknüpfen: In Tschetschenien, wo der Kreml-treue Ramsan Kadyrow regiert, garniert Putin jeweils 99+ Prozent der Stimmen. 2011 meldete ein Wahllokal eine Wahlbeteiligung von 107 Prozent.
Kurmanbek Bakijew wurde 2009 mit nahezu 90 Prozent zum Präsidenten Kirgisistans gewählt. «Da schlagen alte sowjetische Traditionen durch», kommentierte OSZE-Wahlbeobachter und SP-Nationalrat Andi Gross damals in der NZZ. Geholfen hat es dem Autokraten nicht: 2010 wurde er gestürzt und zur Flucht ins Exil gezwungen.
Traumresultate werden aber nicht nur auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion erzielt. In Ägypten stimmten im Januar dieses Jahres 98.1 Prozent für die neue Verfassung. Immerhin verschwiegen die Behörden nicht, dass die Wahlbeteiligung bei nur 38.6 Prozent gelegen hatte.
Da kann sogar die Sowjetunion einpacken: Der nordkoreanische Machthaber Kim Jong-un wurde vor einer Woche bei 100 Prozent Stimmbeteiligung mit 100 Prozent der Stimmen in die Oberste Volksversammlung gewählt.
99 Prozent der wahlberechtigten Bewohner der Inselgruppe im südlichen Atlantik entschieden 2013 in einem Referendum gegen einen Anschluss an Argentinien und für einen Verbleib im Vereinigten Königreich.
99.57 Prozent der Menschen im Süden Sudans votierten 2011 für eine Loslösung vom Norden und für die Schaffung eines unabhängigen Staats.
Sogar die beste Demokratie der Welt kennt Abstimmungen mit 90+ Prozent Ja-Anteil. Die höchste Zustimmung in 168 Jahren Bundesstaat wurde am 6. Juni 1915 registriert und betraf die Erhebung einer einmaligen Kriegssteuer: 94.3 Prozent.