Schweiz
Aargau

Ein Aargauer wird der Teilnahme am G20-Krawall in Hamburg verdächtigt.

Momentan ist das Kulturzentrum Bremgarten (KuZeB) durch die Polizei umstellt. Offenbar findet eine Razzia statt.
In Bremgarten durchsuchte die Polizei am Mittwochmorgen das Kulturzentrum.Bild: aargauer zeitung/leserbild

G20-Razzia: Die deutschen Behörden ermitteln gegen einen Aargauer – ohne konkrete Beweise

Die deutsche Justiz ermittelt wegen Brandstiftung und Landfriedensbruch gegen einen Mann aus Bremgarten. Der 27-Jährige soll in Hamburg Brandsätze geworfen oder Autos beschädigt haben. Doch Beweise fehlen.
31.05.2018, 05:4131.05.2018, 08:08
Fabian Hägler / nordwestschweiz
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Am frühen Dienstagmorgen um 6 Uhr hat die Staatsanwaltschaft Hamburg eine internationale Polizeiaktion durchgeführt, auch in der Schweiz. In Winterthur nahmen die Polizisten unter anderem einen 27-jährigen Schweizer fest, in Bremgarten durchsuchten sie dessen Wohnung und das Kulturzentrum. 

Gegen den jungen Schweizer läuft ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren, die Hamburger Justiz wirft ihm schweren Landfriedensbruch vor. Hat der 27-jährige in Hamburg während des G20-Gipfels im vergangenen Jahr also randaliert und Autos beschädigt?

Beweise für solche Straftaten hat die Staatsanwaltschaft offenbar keine – dies ist gemäss Pressesprecherin Frombach aber auch nicht nötig. «Ein konkreter Tatbeitrag wird dem Beschuldigten nicht vorgeworfen, er soll Teil der vermummten und gewaltbereiten Gruppe von 220 Personen gewesen sein und muss sich daher das Handeln anderer Gruppenmitglieder zurechnen lassen.»

Die Hamburger Oberstaatsanwältin Nana Frombach und Rechtsanwalt Martino Locher über den Fall des Aargauer G20-Demonstranten

Video: © Tele M1

Es ist also unklar, ob der befragte Aargauer selber Feuer gelegt hat oder nur vermummt im «Schwarzen Block» mitgelaufen ist. Genau die Unsicherheit, ob die per Foto gesuchten Personen tatsächlich Delikte begangen haben, löste in Deutschland heftige Kritik an der Öffentlichkeitsfahndung aus. Die Linke in Hamburg erklärte, den abgebildeten Aktivisten drohe lebenslange Stigmatisierung.

Noch keine Anklage erhoben

Die Ermittler bezeichneten die erste Öffentlichkeitsfahndung im Dezember hingegen als grossen Erfolg. Vor rund zwei Wochen teilte die Hamburger Polizei mit, von 107 Tatverdächtigen habe man 35 identifiziert, zwei seien angeklagt worden, zudem sei ein Strafbefehl ergangen. Wie es im Fall des verdächtigen Aargauers weitergeht, ist laut Staatsanwaltschaft Hamburg offen. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung, er ist nach der Befragung auf freiem Fuss, eine Anklage gibt es derzeit nicht.

Mit diesem Video hat die Polizei Hamburg nach dem Aargauer gesucht.

      Video: © Polizei Hamburg/T-Online

Weil die Schweiz keine eigenen Bürger ausliefert, müsste ein allfälliger Prozess in Deutschland in Abwesenheit des Mannes stattfinden. Möglich wäre auch ein Strafübernahmebegehren der Hamburger Behörden an die Staatsanwaltschaft im Aargau. Dabei würden Unterlagen und Beweise weitergeleitet und die Schweizer Behörden aufgefordert, ein Strafverfahren durchzuführen.

Parallelen zu «Tanz dich frei»

Ähnlich wie die Hamburger Polizei ging vor fünf Jahren die Kantonspolizei Bern vor. Nach massiven Ausschreitungen bei der «Tanz dich frei»-Demonstration kam damals auch das Mittel der Öffentlichkeitsfahndung zum Einsatz. Dies allerdings mit einem entscheidenden Unterschied: Wenn sich eine Straftat nicht eindeutig einem Verdächtigen zuordnen liess, wurden keine Fotos von ihm im Internet veröffentlicht.

Später gab es Strafverfahren gegen Teilnehmer der Demonstration, die Gewalttaten verübt, Autos angezündet oder Geschäfte verwüstet haben sollten. Die entscheidende Frage bei der Strafzumessung war jene, die im Fall des Aargauers am G20-Gipfel auch im Zentrum steht: Reicht es für eine Verurteilung, nur Teil einer randalierenden Gruppe zu sein? Oder braucht es für einen Schuldspruch den Beweis, dass ein Angeklagter einen Polizisten angriff, eine Flasche warf oder einen Brandsatz legte? Die Gerichte beurteilten diese Frage unterschiedlich.

Nach G20-Krawallen: Mann in Bremgarten festgenommen

   Video: © Tele M1
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38 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Watson - die Weltwoche der SP
31.05.2018 06:41registriert September 2016
"Hat der 27-jährige in Hamburg während des G20-Gipfels im vergangenen Jahr also randaliert und Autos beschädigt?"

Der Autor dieses Artikels scheint nicht zu wissen, was Landfriedensbruch ist..

Ein bisschen Jura-Nachhilfe für Watson:
Landfriedensbruch (Art. 260 StGB)

1 Wer an einer öffentlichen Zusammenrottung teilnimmt, bei der mit vereinten Kräften gegen Menschen oder Sachen Gewalttätigkeiten begangen werden, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.

man muss gar nicht selber "randalieren oder Autos beschädigen", die blosse Teilnahme genügt :)
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Dreiländereck
31.05.2018 06:31registriert April 2016
Bei Landfriedensbruch ist es nicht nötig, dass man persönlich „randaliert und Autos beschädigt“.
Hier die Schweizer Version des Gesetzesartikels Landfriedensbruch:
Wer an einer öffentlichen Zusammenrottung teilnimmt, bei der mit vereinten Kräften gegen Menschen oder Sachen Gewalttätigkeiten begangen werden, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
Die Teilnehmer, die sich auf behördliche Aufforderung hin entfernen, bleiben straffrei, wenn sie weder selbst Gewalt angewendet noch zur Gewaltanwendung aufgefordert haben.

Mitlaufen im Krawallzug in Hamburg reicht.
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walsi
31.05.2018 06:05registriert Februar 2016
Die Aufregung der Linken über die öffentliche Fahndung ist lächerlich. Wenn es anstatt gegen einen Linken, gegen einen Mann mit rechter Gesinnung ginge, der bei einem Saubannerumzug von Neonazis mit lief, dann fände man die öffentliche Fahndung total angemessen, auch wenn man keine konkrete Beweise gegen den Mann hat. Was hat der Mann auch für einen schlechten Umgang.
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