Schweiz
Aargau

Buh-Rufe bei Einbürgerungs-Debatte – Ablehnung tut Nancy Holten «schon sehr weh»

Buh-Rufe bei Einbürgerungs-Debatte – Ablehnung tut Nancy Holten «schon sehr weh»

Die Gemeindeversammlung von Gipf-Oberfrick hat die Einbürgerung einer Holländerin abgelehnt. Nancy Holten hat durch ihre Medienpräsenz polarisiert: Bei der Abstimmung ging es hoch her. Nun kann Holten aber noch Beschwerde einlegen.
01.12.2015, 10:3401.12.2015, 12:13
Nadine Böni
Mehr «Schweiz»

Dreimal geschlafen hat Nancy Holten seit dem Entscheid. «Und langsam begreife ich, was passiert ist», sagt sie. Am Freitagabend hatte ihr die Gipf-Oberfricker Gemeindeversammlung eine deutliche Abfuhr erteilt: Mit 144 Nein- zu 48 Ja-Stimmen lehnte sie das Einbürgerungsgesuch der Holländerin ab.

«Obwohl ich damit gerechnet hatte, tat das in dem Moment, als es real wurde, schon sehr weh», sagt Holten am Montag. Sie habe seither aber über Facebook, per SMS und Telefon viel Zuspruch erhalten. «Das tut gut. Eine positive Stimme ist mindestens so viel wert wie 100 negative», sagt sie.

Was bisher geschah
Die Querdenkerin Nancy Holten aus Gipf-Oberfrick scheut sich nicht, den Mund aufzumachen. Genau das aber ist ihr nun zum Verhängnis geworden. Die Einwohner lehnten ihr Einbürgerungsgesuch überdeutlich ab. Für ihre Forderungen ist die Frau im Kanton Aargau berühmt geworden: Abschaffung des morgendlichen Kirchengeläuts oder der Kuhglocken, keine Tiere im Zirkus und ihr Einsatz für vegane Ernährung. «Ich bin hier aufgewachsen, meine Kinder sind Schweizer. Ich bin vor dreissig Jahren in die Schweiz gekommen», hatte Holten ihr Einbürgerungsgesuch bei der Gemeinde begründet. «Ich bin Schweizerin – alles andere wäre verkehrt.»
Nancy Holten kann gegen den negativen Entscheid Beschwerde einlegen.
Nancy Holten kann gegen den negativen Entscheid Beschwerde einlegen.
Bild: az

Buh-Rufe während Debatte

Die teils sehr emotional geführte Debatte an der Versammlung überraschte Gemeindeammann Regine Leutwyler nicht. Zu sehr habe Nancy Holten vor allem mit ihrer Medienpräsenz in den letzten Monaten die Gemüter im Dorf erhitzt. «Die Leute stören sich nicht in erster Linie an den Meinungen, die sie vertritt, sondern an der Art und Weise, wie sie diese vertritt.»

Dass einzelne Votanten, die sich für eine Einbürgerung aussprachen, von der Versammlung gar lautstark ausgebuht wurden, damit habe sie aber trotz allem nicht gerechnet, gibt Leutwyler zu. «Das war ein Moment, in dem ich vielleicht hätte einschreiten sollen. Hätte es weitere Buh-Rufe gegeben, hätte ich etwas gesagt.»

Für die Gemeinde ist das abgelehnte Einbürgerungsgesuch Neuland. Leutwyler kann sich an keinen ähnlichen Fall erinnern. «Das ist sicher auch so, weil der Gemeinderat immer eine sehr genaue Vorprüfung macht und gar nicht vor die Versammlung kommt, wer die Vorgaben nicht erfüllt.» Holten habe aber darauf bestanden, das Verfahren durchzuziehen, obwohl ihr der Gemeinderat davon abgeraten hatte.

Kuhglocken verbieten zu wollen, kam bei der Gemeindeversammlung offenbar nicht gut an.
Kuhglocken verbieten zu wollen, kam bei der Gemeindeversammlung offenbar nicht gut an.
Bild: KEYSTONE

Die Gemeinde wird Nancy Holten nun schriftlich über den gefällten negativen Einbürgerungsentscheid informieren. Im Brief wird sie auch über ihre Rechte aufgeklärt. Der Ball liegt nun bei ihr. Denn: «Ohne, dass Nancy Holten aktiv wird, passiert nichts», sagt Andreas Bamert, Leiter der Abteilung Register und Personenstand des Kantons. «Wenn nichts unternommen wird, wird der Entscheid akzeptiert.»

Das ist die eine Möglichkeit. Daneben hat Holten noch zwei andere: Entweder sie wartet, lässt etwas Gras über die Sache wachsen und versucht es zu einem beliebigen späteren Zeitpunkt erneut mit einem Gesuch. Oder sie reicht beim Aargauer Regierungsrat Beschwerde gegen den Entscheid ein.

Noch mal vor die Gemeinde?

Heisst der Regierungsrat die Ablehnung des Gesuchs gut, bleibt ihr die Möglichkeit, vor das Verwaltungsgericht zu gehen. Wird die Ablehnung hingegen als unbegründet eingestuft, wird das Verfahren zurück an die Gemeinde delegiert. Will heissen: Die Gemeindeversammlung muss noch einmal über die Einbürgerung abstimmen. In Einzelfällen sichert der Regierungsrat das Bürgerrecht zu.

Jetzt auf

Welchen Weg sie gehen wird, weiss Nancy Holten noch nicht. «Ich warte den schriftlichen Bescheid ab und werde dann alle Optionen prüfen – auch eine Beschwerde», sagt sie.

Hier geht es zum Kommentar von Jörg Meier. (aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
36 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
atomschlaf
01.12.2015 12:15registriert Juli 2015
Momoll, echt clever die Frau. Erst aufs Land ziehen, dann einen Feldzug gegen Kuh- und Kirchenglocken starten und sich zuletzt noch wundern, dass man sie nicht mag.
5711
Melden
Zum Kommentar
avatar
Angelo C.
01.12.2015 11:23registriert Oktober 2014
Im Vorfeld einer beabsichtigten Einbürgerung in eine Dorfgemeinschaft ist es kaum sonderlich klug, stets Klagen gegen Kirchen- und Kuhglocken einzureichen und auch sonst sehr viel Betriebsamkeit zu entwickeln. Das fährt manchen sonst keineswegs fremdenfeindlichen Einwohnern denkbar schlecht ein, was auch durchaus erlaubt sein mag, denn schliesslich leben wir in einer Demokratie, wo Einheimische kleinerer Gemeinden sehr wohl entscheiden dürfen, wen sie aufnehmen wollen und wenn lieber nicht...

Fazit : Selber schuld...
8236
Melden
Zum Kommentar
avatar
Cupsieger Maxi
01.12.2015 13:20registriert Dezember 2014
das intoleranteste wesen sein, und sich dan wundern das man nicht toleriert wird... läuft bei dir 😂😂
4018
Melden
Zum Kommentar
36
Von 1 bis 16 Franken pro 100 Gramm – so krass variieren die Osterhasen-Preise
Fast drei Osterhasen verputzen Herr und Frau Schweizer im Durchschnitt pro Jahr. Wie viel sie dafür berappen, variiert gewaltig. Denn der Luxus-Osterhase vom Chocolatier ist fast 16 Mal teurer als die Billigstvariante aus dem Discounter.

Auch in diesem Jahr werden an Ostern wieder haufenweise Osterhasen aus Schokolade verdrückt. Nach Schätzungen von Chocosuisse, dem Verband der Schweizer Schokoladenfabrikanten, werden in der Schweiz pro Jahr allein für den Inlandmarkt rund 20 Millionen Osterhasen produziert – das sind fast drei Osterhasen pro Kopf. Rund 7 Prozent des jährlichen Schokoladenabsatzes in der Schweiz gehen auf das Konto der Osterfeiertage.

Zur Story