Vor acht Jahren muss es Liebe gewesen sein. Denn so alt ist das gemeinsame Töchterlein von Jano und Vera (Namen geändert). 2014 allerdings hatten längst düstere Wolken den siebten Himmel bedeckt. Mehrfach hatte die Polizei in jener Zeit wegen häuslicher Gewalt in der Wohnung des Paares zum Rechten sehen müssen. Vera war damals gar wegen Tätlichkeit und Drohung per Strafbefehl verurteilt worden. Die Busse und Kosten von insgesamt 1200 Franken hatte sie anstandslos bezahlt.
Gestern nun sass sie – angeklagt derselben Vergehen, plus obendrein wegen Sachbeschädigung – in Bad Zurzach vor Einzelrichter Cyrill Kramer. Jano war mit seiner neuen Partnerin ebenfalls aufgekreuzt. Er hatte seine Ex bei der Polizei angezeigt. Janos dort gemachten Schilderungen dessen, was sich in einer Sommernacht letzten Jahres in Veras Wohnung zugetragen habe, könnten glatt Stoff für die Folge einer Fernseh-Vorabend-Serie liefern. Der 37-jährige Bauarbeiter, vor 20 Jahren aus einem ehemaligen Ostblock-Land in die Schweiz gekommen, hatte an einem Mittwoch gegen Mitternacht seine Ex aufgesucht, um mit ihr über die Alimente für das Töchterlein zu reden.
Vera – eine Landsfrau von ihm, die seit 11 Jahren hier lebt – hatte wenig Lust auf ein Gespräch, aber umso mehr auf Sex. Danach stand Janos Sinn hingegen ganz und gar nicht, worauf Vera die Wohnung abschloss und verkündigte, Jano könne erst gehen, wenn er getan, was sie von ihm forderte. Jano bewies Standfestigkeit – allerdings nicht in der von der 30-Jährigen begehrten Weise, sondern in deren Verweigerung.
Daraufhin – so Jano gegenüber der Polizei – habe Vera ihm gedroht, dass er des Lebens nicht mehr froh werde: Sie wisse, dass für ein paar Russen 1000 Franken reichen, um Jano IV-reif zu prügeln. Als dies ihn nicht beeindruckte, habe sie ihm zwei schallende Ohrfeigen verpasst und als er den Wohnungsschlüssel vom Boden aufheben wollte, mit einem Fuss nach seinem Hinterkopf getreten. Anderntags hatte Jano bemerkt, dass die Reifen und die Abdeckhaube seines 650-Kubik-Motorrads zerstochen waren.
Vera, die seit September einen Job hat und zuvor Sozialhilfe bezog, scheint tatsächlich eine heissblütige Frau zu sein. Jedenfalls trug sie gestern vor Gericht ein kurzärmliges schwarzes Shirt zu schwarzen Hosen und Stiefeln. Nervös war sie, wickelte – das halblange blondierte Haar offen – unentwegt einen Haargummi um die Finger mit den perfekt gestylten Nägeln. Die Post vom Gericht hatte sie erst ganz kurzfristig auf der Post abgeholt. «Ich war in meiner Heimat. Die Tochter lebt jetzt dort bei meiner Mutter und wird nächste Woche dort eingeschult», erklärte sie mit starkem Akzent. «Im März werde ich für ganz zurück in die Heimat gehen.»
Was die Anklage betrifft, so stimme das alles überhaupt nicht. Sie hätte sich damals zwar mit Jano gestritten, aber ihn weder bedroht, noch geschlagen. Als Jano gegangen war, habe er das Handy der Tochter mitgenommen weshalb sie ihn umgehend in seiner nahegelegenen Wohnung aufsuchte. An seinem Motorrad habe sie sich dabei nicht vergriffen. «Wie kam denn ihre DNA auf das Ventil der Maschine?», so Richter Kramer. «Ich war betrunken und kann mich nicht erinnern», so die kleinlaute Erklärung.
Die Rechnung für die zerstochenen Reifen hatte Jano nicht ans Gericht mitgebracht, weshalb der Richter nicht auf seine Schadenersatz-Forderung eingehen konnte. Der Staatsanwalt hatte für Vera eine bedingte Geldstrafe von 3600 sowie 1200 Franken Busse gefordert. Einzelrichter Cyril Kramer sprach die 30-Jährige von den Vorwürfen der Drohung und der Tätlichkeiten frei: «Es steht Aussage gegen Aussage und es gibt keine Beweise.»
Solche allerdings gibt es mit Veras DNA in Bezug auf die Sachbeschädigung. Dafür wird Vera mit einer Geldstrafe von 1000 Franken, bedingt auf drei Jahre, sowie 300 Franken Busse bestraft. Die Gerichtsgebühren und Kosten in Höhe von 1800 Franken werden zu einem Drittel Vera auferlegt, zwei Drittel gehen zulasten des Staates. Summa summarum muss Vera 900 Franken berappen.