Schweiz
Aargau

Reibkäse-Fall: Denner zahlt Rentner 8000 Franken

Happy End im Reibkäse-Fall? Denner zahlt Rentner 8000.- – der ist nur «halb zufrieden»

Der groteske Fall eines vermeintlichen Reibkäse-Diebstahls endet mit der Vergütung der Anwalts- und Gerichtskosten. Der betroffene Rentner ist damit «halb zufrieden».
26.10.2018, 13:42
Ueli Wild / az Aargauer Zeitung
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Der 85-jährige Rentner (er will anonym bleiben) zeigt den Brief, den er von der Denner AG erhalten hat.  
Der 85-jährige Rentner (er will anonym bleiben) zeigt den Brief, den er von der Denner AG erhalten hat.  Ueli Wild

Als die AZ im September publik machte, dass ein 85-jähriger Rentner in einem grotesken Fall von Hausfriedensbruch in einer Denner-Filiale verurteilt wurde, löste das einen Shitstorm aus. Darauf räumte Denner ein, dass «Fehler passiert» seien, und kündigte an, sämtliche Kosten des Rentners aus dem Verfahren zu vergüten. Nun bezahlt Denner dem Mann 8000 Franken.

Auslöser des Ganzen war ein angeblicher Ladendiebstahl bei Denner in der Aarauer Telli gewesen. Der Rentner hatte für 120 Franken eingekauft, doch ein eifriger Security-Mann, der seine Tasche durchwühlte, fand zwischen Boden und Bodenverstärkung einen läppischen Reibkäsebeutel für Fr. 1.95, der nicht auf dem Kassenzettel figurierte. «Ladendiebstahl», befand der Sicherheitsmann. Ein Hausverbot für alle Denner-Filialen in der Schweiz war die Folge.

Zwei Monate später sah der Security-Mann den Rentner wieder. Im Buchser Wynecenter, wo er ausserhalb der Denner-Filiale die Auslagen betrachtete. Eine Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs war die Folge. Den Strafbefehl der Staatsanwaltschaft focht der frühere Beamte an. Am Bezirksgericht wurde er freigesprochen, doch die Staatsanwaltschaft zog das Ganze weiter und das Obergericht gab ihr Recht. Der 85-Jährige war am Boden zerstört und lebte zur Erholung zwei Monate in einem Altersheim.

Nun hat er von Denner Post erhalten: In dem Schreiben nehmen Pascal Staub, stellvertretender Leiter Sicherheitsdienst, und Grazia Grassi, Leiterin Unternehmenskommunikation, Bezug auf die Denner vorliegende Kostenaufstellung: «Sie machen in der Aufstellung Kosten im Umfang von Fr. 7199.20 geltend, wobei Sie anmerken, dass offenbar nicht mehr für alle Zahlungen Belege vorhanden sind.» Den von ihm genannten Betrag, heisst es weiter, werde Denner grosszügig auf 8000 Franken aufrunden.

«Halb zufrieden»

Die 8000 Franken freuen den 85-Jährigen, aber die Wunden, das spürt man, sind noch nicht verheilt. Er sei «halb zufrieden», sagt er. Es wird wohl noch ein wenig dauern, bis sich die Hoffnung von Pascal Staub und Grazia Grassi erfüllen wird: «Wir hoffen, Sie können nun einfacher mit diesem Kapitel abschliessen.» Abgesehen davon, dass er wegen einer Posse rechtskräftig verurteilt ist, geht dem Rentner eines einfach nicht aus dem Kopf: die erniedrigende Behandlung, die ihm im Wynecenter vonseiten des Security-Mannes widerfuhr. Von diesem wurde er, der sein Leben lang auch beruflich dafür besorgt gewesen war, dass alles mit rechten Dingen zuging, «vor allen Leuten, die mich teilweise kannten», behandelt, als hätte er etwas verbrochen.

Die effektiven Kosten, sagt der 85-Jährige, seien höher gewesen als die belegten. Dass er nicht mehr alle Belege fand, erklärt er damit, dass sich seine schwer kranke Frau jedes Mal fürchterlich aufregte, wenn wieder eine Rechnung zu begleichen war. Darum habe er einen Teil der belastenden Dokumente möglichst aus dem Weg geräumt. Die aufgelisteten Fr. 7199.20 bilden die Anwaltskosten sowie die Kosten des erst- und des zweitinstanzlichen Gerichtsverfahrens ab. Nicht in diesem Betrag enthalten sind die Fr. 1197.50, die auch direkt angefallen wären, wenn der Rentner den Strafbefehl nicht angefochten hätte (Strafbefehlsgebühr, von der Staatsanwaltschaft verhängte Busse, Polizeikosten, im Denner in der Telli bezahlte Umtriebsentschädigung).

Die seinerzeit zuständige Sicherheitsfirma arbeitet, unabhängig von diesem Fall, nicht mehr für Denner. Im September sagte Denner-Sprecher Thomas Kaderli gegenüber der AZ, «um Fehlbeurteilungen zu verhindern», habe die Firma nicht nur personelle Änderungen beim eigenen Sicherheitsdienst vorgenommen, sondern auch die Bestimmungen überarbeitet, die regeln, wann welche Sanktion zu erfolgen habe. Damit wolle man sicherstellen, dass ein Fall wie dieser künftig nicht mehr möglich ist.

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12 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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calloideae
26.10.2018 15:14registriert Juni 2018
Schon traurig, dass man von grossen Firmen bloss noch Kulanz erfährt, sobald man sich an die Medien wendet.
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frl_tschuessikowski
26.10.2018 14:55registriert Januar 2017
Das liest sich wie der Bericht zu Donald Trumps Präsidentschaftswahl! Man liest ungläubig, hofft, dass das nur ein dummer Scherz ist & muss schlussendlich einsehen, dass das Ganze die traurige Wahrheit ist.
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carmse
26.10.2018 15:19registriert August 2017
Tchuligom wie bitte...?
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