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Sommerzeit ist Ferienzeit. Für viele ein Anlass, den Alltagsstress hinter sich zu lassen und ans Meer zu verreisen. «Sorgenlos den Strand entlanglaufen, den warmen Sand zwischen den Zehen spüren, das Rauschen der Wellen in den Ohren und schon am Morgen früh die Sonnenstrahlen auf der Haut geniessen.» Wem wird bei solchen Perspektiven nicht warm ums Herz?
Das Zitat oben stammt nicht aus einem Ferienprospekt. Der darüber gesetzte Titel verrät eine ganz andere Absicht: «Das lass ich mir von den Grünen nicht nehmen!» Darauf könnte es hinauslaufen, wenn das Stimmvolk am 25. September die Volksinitiative «Für eine nachhaltige und ressourceneffiziente Wirtschaft (Grüne Wirtschaft)» annehmen sollte, argumentiert das Konsumentenforum, das dem Nein-Lager angehört.
Massive Einschränkungen beim Lebensstil und steigende Preise. Nein zum grünen Diktat im Alltag! #IGW #abst16 ^am pic.twitter.com/MDZNV4J1CT
— IGW-NEIN (@gruenerzwang) 14. August 2016
Das auf der Website der bürgerlich geprägten Organisation publizierte Statement ist kein Ausreisser. Es passt zur Tonalität der gesamten Nein-Kampagne. Die Initiative der Grünen Partei, die eine ökologischere Wirtschaft anstrebt, soll mit der Angst vor Konsumverzicht zu Fall gebracht werden. «Teurer Grüner Zwang» lautet die Parole des gegnerischen Komitees. In seiner Inseratekampagne warnt es, bei einem Ja müsse «jeder den gewohnten Lebensstil radikal ändern».
Für den Zürcher Grünen-Nationalrat Bastien Girod, Co-Präsident des Initiativkomitees, handelt es sich um eine Argumentation im Donald-Trump-Stil: «Man behauptet etwas, das den Leuten Angst macht, und hofft, dass sie den Initiativtext nicht lesen.» Dieser sei sehr offen formuliert, von Konsum stehe dort nichts. Die Initiative setze Ziele und strebe eine Förderung der Grünen Wirtschaft an, sie schreibe aber keine Massnahmen vor: «Diese müsste das Parlament beschliessen.»
Die Gegner hätten deshalb ein «Riesenproblem», glaubt Girod, auch weil sie «den Gegenvorschlag abgeschossen haben». Bundesrätin Doris Leuthard wollte mit einer Revision des Umweltschutzgesetzes die Kreislaufwirtschaft fördern und den Ressourcenverbrauch senken. Das Parlament zog diesem Gegenvorschlag auf Druck der Wirtschaft alle Zähne und versenkte ihn am Ende vollständig, zum Ärger von Leuthard. Sie bekämpft die Initiative, allerdings ohne Elan.
Ein Problem haben die Gegner auch, weil eine ökologischere Wirtschaft durchaus mehrheitsfähig scheint. In der letzte Woche veröffentlichten ersten SRG-Trendumfrage kommt die «Grüne Wirtschaft» auf beachtliche 61 Prozent Ja. Der umfassende Ansatz der Initiative treffe auf «viel Sympathie» und die Ausrichtung des wirtschaftlichen Handelns an Nachhaltigkeit stosse «auf hohe Akzeptanz», begründet das Institut GFS Bern den guten Startwert.
Die Strategie des Nein-Komitees scheint deshalb klar: Die Angst vor Einschränkungen unseres komfortablen Lebensstils soll die Sorge um die Umwelt verdrängen. Kampagnenleiter Matthias Leitner von der FDP Schweiz weist dies zurück: «Wir wollen keine Ängste schüren, aber die Leute müssen sich bewusst sein, was eine Annahme der Initiative bedeutet.» Die im Text erwähnten Lenkungsabgaben etwa würden sich auf die Preise für die Konsumenten auswirken.
Über die Zustimmung in der SRG-Umfrage zeigt sich Leitner nicht überrascht: «Der Titel der Initiative ist gut gewählt, aber darin steht nichts davon, dass sie nur mit Zwang umsetzbar ist.» Er vertraut auf ein Umdenken: «Einen freiwilligen Verzicht auf Fleisch aus ökologischen Gründen kann man sich vorstellen. Das geschieht auch immer häufiger.» Ganz ähnlich argumentiert Babette Sigg, die Präsidentin des Konsumentenforums: «Man kann die Leute zum Verzicht bewegen.»
In seiner Stellungnahme erwähnt das Konsumentenforum selbst, dass mit dem Fliegen «sehr viel CO2 ausgestossen wird». Es gilt als klimaschädlichste Art des Reisens. Sigg bestreitet das nicht, sie will aber die Konsumenten durch Information und Aufklärung dazu bewegen, «einmal keine Strandferien zu machen und dafür in der Schweiz zu bleiben». Die Zürcherin ist auch Präsidentin der CVP-Frauen und damit Parteikollegin von Doris Leuthard, sie hätte den Gegenvorschlag begrüsst. «Trotzdem kann ich zu dieser Initiative nicht Ja sagen, weil sie zu radikal ist.»
Ökologische Argumente kommen bei den Gegnern durchaus vor, sie verweisen etwa auf die «weltrekordhohe» Recyclingquote in der Schweiz. Im Abstimmungskampf aber ist davon wie auch von freiwilligem Verzicht kaum die Rede. Die Rechnung könnte aufgehen. GFS Bern hält eine Annahme am 25. September für möglich, wahrscheinlicher sei jedoch, dass die Initiative abgelehnt werde.
Die Befürworter sind sich dieser Gefahr bewusst. «Die Nein-Kampagne kann wirksam sein, aber sie ist eine Irreführung der Stimmbürger», sagt Bastien Girod. Ob diese Botschaft ankommt, scheint fraglich. Am Ende könnte die Bequemlichkeit der Menschen siegen. Und der Wille, sich die wohl verdienten Ferien am sonnigen Strand «von den Grünen nicht nehmen» zu lassen.