Schweiz
Abstimmungen 2017

Widmer-Schlumpf lobbyiert schon seit Monaten gegen USR III

L'ancienne conseillere federale Evelyne Widmer-Schlumpf parle, lors de l'assemblee des delegues 2017 du PBD Suisse, ce samedi 14 janvier 2017, a Ursins. (KEYSTONE/Leo Duperrex)
Bereits am 14. Januar kritisierte Widmer-Schlumpf die Unternehmensteuerreform III öffentlich bei der DV der BDP. Bild: KEYSTONE

Wie Widmer-Schlumpf schon seit Monaten gegen Ueli Maurers Steuerreform weibelt

Mit ihrer Kritik versetzt die Alt-Bundesrätin der Unternehmenssteuerreform III einen herben Schlag. Recherchen zeigen: Im Hintergrund weibelt sie seit Monaten gegen Ueli Maurers Vorlage.
29.01.2017, 12:1429.01.2017, 15:18
LorenZ Honegger / schweiz am Sonntag
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Ein Artikel von Schweiz am Sonntag
Schweiz am Sonntag

SVP-Bundesrat Ueli Maurer weiss nicht erst seit dieser Woche, dass seine Vorgängerin im Finanzdepartement die Unternehmenssteuerreform III in ihrer heutigen Form skeptisch sieht. Doch auch er wird auf dem falschen Fuss erwischt, als Alt-Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf die Abstimmungsvorlage am Montag öffentlich zum Abschuss freigibt. So berichten es gut informierte Kreise.

Die Gesetzesvorlage sei bei der Beratung im Parlament «aus der Balance» geraten, kritisiert die ehemalige Finanzministerin in einem Interview mit dem «Blick». Die Steuersenkungen seien zu umfangreich, die Ausgleichsmassnahmen zu gering ausgefallen. Solche Kritik ist ungewöhnlich für eine zurückgetretene Magistratin. War dieses Interview ein Ausrutscher oder ein kalkulierter Angriff?

«Maurer hat zu viele Anpassungen goutiert»

Ein prominentes BDP-Mitglied, das anonym bleiben will, sagt: «Für mich ist der Fall klar: Hier spricht eine Diva, die betupft ist, dass ihre Vorlage vom Parlament nicht so übernommen wurde, wie sie es wollte.» Die Alt-Bundesrätin will sich auf Anfrage nicht äussern. Gespräche mit einem Dutzend Parteifreunden Widmer-Schlumpfs zeigen aber: Sie hat ihren Unmut seit Monaten durchblicken lassen. Nicht nur das, sie hat es in Kauf genommen, dass ihre Haltung öffentlich wird.

Grenchen SO, 22. Oktober 2016, Delegiertenversammlung der BDP Schweiz:

Alt Buendesraetin Eveline Widmer-Schlumpf spricht mit einem Delegierten an der Delegiertenversammlung der BDP Schweiz, am Samstag, 22. Oktober 2016 im Velodrome Suisse in Grenchen. (KEYSTONE/Anthony A ...
Eveline Widmer-Schlumpf kritisiert Maurer im kleinen Kreis beim Apéro in Grenchen.Bild: KEYSTONE

Die Alt-Bundesrätin beklagt sich beim Apéro im kleinen Kreis darüber, dass SVP-Bundesrat Maurer die ursprüngliche Fassung der Reform im Parlament zu wenig entschlossen verteidigt und zu viele Anpassungen goutiert habe. Sie überlege es sich, dem Nein-Komitee beizutreten. Pikant: Unter den Zuhörern befindet sich auch ein Bundeshausjournalist des Schweizer Fernsehens SRF. Dabei stehende BDP-Politiker sind entsetzt und flehen sie an, nicht mehr weiterzusprechen, solange der Journalist anwesend sei. Die Partei unterstützt die Unternehmenssteuerreform geschlossen und betrachtet sie als elementar, um die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Schweiz zu retten.

Der TV-Mann hingegen erkennt die Story sofort und versucht, die Alt-Bundesrätin zu einem Statement vor der Kamera zu überreden. Und er fragt sie, ob sie in der Sendung «Arena» gegen Finanzminister Maurer antreten würde.

Es wäre ein TV-Duell der Spitzenklasse. Der Zürcher gegen die Bündnerin, zwei Politiker, die seit Widmer-Schlumpfs wilder Wahl in den Bundesrat 2007 auf Kriegsfuss miteinander stehen. So weit kommt es nicht. Doch knapp drei Monate später macht Widmer-Schlumpf ihre Kritik erstmals öffentlich.

Ursins VD, 14. Januar 2017, Delegiertenversammlung der BDP:

L'ancienne conseillere federale Evelyne Widmer-Schlumpf parle, lors de l'assemblee des delegues 2017 du PBD Suisse, ce samedi 14 janvier 2017, a Ursins. (KEYSTONE/Leo Duperrex)
Und wieder: Eveline Widmer-Schlumpf kritisiert die USR III vor versammelter Partei. Bild: KEYSTONE

Widmer-Schlumpfs Partei debattiert die Parolenfassung zur Unternehmenssteuerreform III. Die Alt-Bundesrätin meldet sich zu Wort und äussert ihre Bedenken vor versammelter Partei, wie sich der Aargauer BDP-Nationalrat Bernhard Guhl erinnert. «Ihre Wortmeldung entsprach etwa dem, was sie später im Interview gesagt hat.» Der Sturm der Entrüstung bleibt jedoch aus, weil die Medien nur summarisch über die Delegiertenversammlung der Kleinpartei berichten.

Die letzte Eskalationsstufe – das «Blick»-Interview – zündet Widmer-Schlumpf eine Woche später. Viele bürgerliche Politiker reagieren schockiert und wütend über den überraschenden Alleingang der Alt-Bundesrätin. Ausgerechnet sie, die Architektin der Reform und eine der beliebtesten politischen Persönlichkeiten des Landes, stellt sich gegen die wichtigste wirtschaftspolitische Abstimmungsvorlage der letzten Jahre. Und das wenige Wochen vor dem Urnengang vom 12. Februar und bei knappen Umfragewerten. Die Frage, die sie in den letzten Tagen vor der Abstimmung umtreibt: Kann Widmer-Schlumpfs Kritik die Abstimmung ins Nein kippen?

Wenig Verständnis in der BDP

Die Bündner Finanzdirektorin und BDP-Politikerin Barbara Janom Steiner sagt: «Ihre Äusserungen könnten durchaus Auswirkungen auf den Abstimmungsausgang haben.» Persönlich könne sie Widmer-Schlumpfs öffentliche Opposition gegen die Steuerreform nicht nachvollziehen. In einem Gesetzgebungsprozess müsse man damit rechnen, dass es zu Veränderungen komme. Gewisse Elemente in der bundesrätlichen Vorlage seien schlicht nicht mehrheitsfähig gewesen. «Unsere Partei hat immer Platz für andere Meinungen. Ihre Argumentation und der Zeitpunkt ihrer Äusserungen haben mich dennoch sehr überrascht.»

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56 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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rodolofo
29.01.2017 12:46registriert Februar 2016
Wo sind wir hier eigentlich?
Etwa in einem Rechtsbürgerlichen Selbstbedienung-Laden?!
Wenn Eveline Widmer Schlumpf die Meinung hat, dass die USTR III aus der Balance geraten ist, dann wird sie das doch wohl noch kund tun dürfen, oder etwa nicht?
Und so gut kennen wir sie doch mittlerweile:
EWS geht es doch nicht um irgendwelche Machtspiele, oder darum, Ueli Maurer eins auszuwischen!
Ihr geht es UM DIE SACHE!
Und genau darum ist sie ja in der Bevölkerung so überaus beliebt, im Gegensatz zu den meisten anderen Politikern!
Das Verhalten der BDP ist jedenfalls sehr enttäuschend...
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meglo
29.01.2017 14:44registriert März 2016
EWS war eine der fähigsten Finanzministerinnen, welche die Schweiz in jüngster Zeit hatte. Sie wagt es auch, gegen die Meinung ihrer eigenen Partei, Stellung zu beziehen, wenn sie eine andere Ueberzeugung hat. Auch wenn ich nicht mit all ihren Entscheidungen einverstanden bin, ich respektiere sie als ehrliche Politikerin, der es um die Sache und nicht um die Parteicouleur geht. Ich vertraue dieser Frau und ihrem Sachverstand mehr als ihrem Nachfolger. Deshalb werde ich die Unternehmenssteuerreform III ablehnen.
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oXiVanisher
29.01.2017 12:38registriert September 2015
Hopp Eveline!
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