Die Gegner der USR III hatten in den letzten Tagen Grund zur Freude. Die ehemalige Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf kritisierte im «Blick», die einst von ihr aufgegleiste Unternehmenssteuerreform sei «aus der Balance» geraten. Christian Wanner, früherer Solothurner FDP-Regierungsrat und Ex-Präsident der kantonalen Finanzdirektoren, doppelte im «Tages-Anzeiger» nach: «Letztlich wird es der Mittelstand sein, der dafür bezahlt.»
In der Deutschschweiz kaum beachtet wurde zudem eine brisante Aussage des Freiburger SVP-Nationalrats Jean-François Rime. Der Einbezug der zinsbereinigten Gewinnsteuer in die Reform sei «ein Fehler» gewesen, sagte der Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbands der Zeitung «Le Temps». Rime steht weiterhin hinter der USR III, doch die kritischen Voten von gewichtigen Vertretern des bürgerlichen Lagers sind Wasser auf die Mühlen der vorab linken Reformgegner.
Die Befürworter lancierten nach dem ersten Schock die Gegenoffensive, insbesondere Bundesrat Ueli Maurer. Er verteidigte die Reform in mehreren Interviews vehement. «Die Vorlage, die das Parlament verabschiedet hat, ist weniger risikoreich als die ursprüngliche Vorlage des Bundesrats», sagte er gegenüber «20 Minuten» mit einem Seitenhieb auf Vorgängerin Widmer-Schlumpf. Auch die kantonalen Finanzdirektoren stellten sich im «Tages-Anzeiger» hinter die USR III.
Ein wichtiger Punkt aber wurde bislang wenig beachtet. Die Schweiz hat die Steuerreform nicht aus eigenem Antrieb erarbeitet, sondern auf Druck des Auslands. Die Frage stellt sich, was bei einem Nein geschieht. Die Sache einfach abhaken und zur Tagesordnung übergehen – das liegt in diesem Fall nicht drin. Der Handlungsbedarf bleibt bestehen. Die Gegner der USR III sehen darin kein Problem, sie sind überzeugt, dass eine rasche Neuauflage möglich ist.
«Wenn sogar Jean-François Rime die zinsbereinigte Gewinnsteuer als Fehler bezeichnet, kann man in einem abgekürzten Verfahren eine neue Vorlage ausarbeiten, gegen die niemand das Referendum ergreifen wird», sagt Daniel Lampart, Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB) und an vorderster Front gegen die USR III im Einsatz. Zum Inhalt der neuen Vorlage hält er sich bedeckt: «Wir warten die Abstimmung am 12. Februar ab.»
Etwas konkreter wird die Luzerner SP-Nationalrätin Prisca Birrer-Heimo: «Die überwiegende Mehrheit der Kantone hat in der Vernehmlassung die zinsbereinigte Gewinnsteuer abgelehnt, im Verhältnis 20 zu 6. Die Kantone wollten ausserdem eine Gegenfinanzierung durch eine höhere Besteuerung der Dividenden. Es ist nahe liegend, dass diese Elemente in einer neuen Vorlage wieder berücksichtigt werden.»
Der Ständerat habe den Fehler gemacht, die Gegenfinanzierung in einer frühen Phase «rauszuwerfen», sagt Birrer-Heimo. Er habe später erfolglos versucht, darauf zurückzukommen. «Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir relativ bald eine neue Vorlage haben werden», sagt die Luzernerin, die der zuständigen Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) angehört. Neben dem Ständerat gebe es genug bürgerliche Nationalräte, die dazu Hand bieten würden.
Auf der Gegenseite winkt man ab: «Wir haben jahrelang intensiv an der Vorlage gearbeitet und gemeinsam mit den Kantonen ein gutes, ausgewogenes Resultat erreicht», sagt die Baselbieter FDP-Nationalrätin Daniela Schneeberger. «Ich denke nicht, dass es eine bessere Vorlage geben kann.»
Die vorliegende Lösung sei gut austariert. Die stark kritisierte zinsbereinigte Gewinnsteuer habe man dermassen «entschärft», dass ein Konsens mit den Kantonen gefunden werden konnte. Sie sei für die Kantone freiwillig, wer sie einführe, müsse zur Gegenfinanzierung die Dividendenbesteuerung erhöhen, betont WAK-Mitglied Schneeberger.
Die Wirtschaftspolitikerin glaubt nicht, dass man im abgekürzten Verfahren eine neue Reform erarbeiten könne: «Dies würde Jahre dauern, und am Ende hätten wir keine bessere Lösung. Wir wissen zum Beispiel nicht, ob der Bund immer noch bereit sein wird, den Kantonen 1,1 Milliarden Franken zu überweisen, um Einnahmenausfälle zu kompensieren.»
«Jede nächste Vorlage wird für den Staat teurer sein als das, worüber wir jetzt abstimmen», sagte auch Ueli Maurer im Interview mit der «Basler Zeitung». Er warnte, dass Unternehmen mit den Füssen abstimmen könnten: «Bei einem Nein wartet man nicht noch auf die nächste Vorlage, sondern man entscheidet über Abwanderung oder nicht. Die Unternehmerwelt hat nicht die Zeit, zu warten, bis es den Schweizern in den Sinn kommt, gute Rahmenbedingungen zu schaffen.»
SGB-Chefökonom Daniel Lampart ist sich des Problems bewusst: «Für Kantone mit vielen Statusgesellschaften und relativ hohen ordentlichen Steuern müssen wir eine Lösung finden.» Man könne dazu Übergangsbestimmungen beschliessen. Allerdings besteht auch die Möglichkeit, dass die Befürworter auf Zeit spielen werden, bis der Druck aus dem Ausland immer grösser und eine Reform dringlich wird. «Theoretisch ist dies möglich», räumt Lampart ein, «ich würde es ihnen aber nicht raten.»
Die SP hatte letztes Jahr ein Alternativkonzept angekündigt. Sie will es jedoch erst nach einem Abstimmungserfolg offenlegen, um den Befürwortern der USR III keine Angriffsfläche zu liefern. Unfreiwillig verweist sie damit auf die Achillesferse ihrer Strategie. Angesichts der klaren Mehrheitsverhältnisse im Parlament dürfte es für die Linke nicht einfach werden, eine Lösung herauszuholen, die wesentlich «besser» ist als die nun vorliegende Reform.