Schweiz
Abstimmungen 2020

Konzernverantwortungsinitiative: Die Gegner holen auf – 3 Erkenntnisse

Une banderole en faveur de l'initiative multinationales responsables (Konzernverantwortungsinitiative) est visible devant le siege de la multinationale Nestle le mercredi 11 novembre 2020 a Vevey ...
Bild: keystone

Konzerninitiative: Die Gegner holen auf – 3 Erkenntnisse zum heissen Abstimmungskampf

Der Entscheid um die Konzerninitiative könnte knapper ausfallen als gedacht. Gemäss den zwei Umfragen von SRG und Tamedia legen die Gegner zu. Drei Erkenntnisse zum heissesten Abstimmungskampf des Jahres.
18.11.2020, 06:2018.11.2020, 06:21
Doris Kleck / ch media
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Im Abstimmungskampf zur Konzernverantwortungsinitiative (KVI) gehen die Wogen hoch. Das Volksbegehren verlangt, dass Schweizer Konzerne für Verstösse gegen Menschenrechte und Umweltstandards haften, die ihre Tochtergesellschaften oder wirtschaftlich abhängige Firmen im Ausland verursachen. Noch zehn Tage bleiben den Befürwortern und den Gegnern für die Schlussmobilisierung. Pünktlich zum Endspurt erscheinen die zweite SRG-Trendumfrage des Forschungsinstituts GFS Bern und die Trendumfrage des Verlags Tamedia.

Die Initianten liegen vorne, aber der Vorsprung schmilzt

In beiden Umfragen liegen die Befürworter vorne. Wäre bereits am 8. November abgestimmt worden, wäre gemäss der SRG-Trendumfrage das Ja zur KVI deutlich ausgefallen. 57 Prozent der Befragten sind bestimmt oder eher für die Initiative, 41 Prozent bestimmt oder eher dagegen. Bei der ersten Umfrage betrug der Vorsprung noch 30 Prozent, mittlerweile liegt er noch bei 16 Prozent.

Will heissen, die Gegner haben aufgeholt. Oder wie es im Fachjargon heisst: Es gibt einen Nein-Trend. Die Tamedia-Abstimmungsumfrage zeichnet ein ähnliches Bild. Der Vorsprung sank von 57 auf 51 Prozent.

Initiative verliert bei CVP-Wählern und Parteilosen an Zustimmung

Die Initianten sind stark darum bemüht, die breite Unterstützung der Initiative zu betonen. Auf den Plakaten haben bekannte Exponenten aus der politischen Mitte ein besonderes Gewicht. Etwa die alt Ständeräte Eugen David (CVP) in St. Gallen oder Peter Bieri (CVP) in Zug. In Bern ist alt Nationalrätin Ursula Haller (BDP) prominent vertreten.

Beide Umfragen stellen aber eine starke Polarisierung fest. In der SRG-Trendumfrage heisst es, das Konfliktmuster entspreche dem gewohnten Bild einer linken Initiative, die von Mitte-Rechts bekämpft wird. Auffallend ist, dass die CVP von einem Nein-Trend erfasst worden ist. Die Zustimmung der CVP-Wähler sank von 56 auf 47 Prozent.

In der Tamedia-Umfrage lag der Ja-Anteil der CVP-Wähler bereits bei der letzten Umfrage unter 50 Prozent, heute liegt er noch bei 43 Prozent. Deren Studienautoren sehen die Ursache für die Aufholjagd der Gegner weniger bei der CVP, als bei FDP und SVP, deren Wähler sich gemäss der aktuellen Tamedia-Umfrage dezidierter gegen das Volksbegehren aussprechen. Stark gepunktet haben die Gegner gemäss der SRG-Umfrage vor allem aber auch bei den parteiungebunden Wählern.

Die Abstimmung wird in den Landkantonen entschieden

Die beiden Umfragen zeichnen ein sehr ähnliches Bild davon, wer die Initiative unterstützt. Sie findet eine stärkere Unterstützung bei Frauen, bei jungen Leuten sowie in Städten und den grossen Agglomerationen. Der Ausgang der Abstimmung ist bei beiden Umfragen offen. GFS Bern hält fest, dass die aktuelle Ja-Mehrheit und der Nein-Trend widersprüchlich seien.

Für ein Ja könnte sprechen, dass die Meinungsbildung schon weit fortgeschritten ist. Allerdings: Eine Mehrheit der Stimmbevölkerung genügt noch nicht für einen Erfolg der Initianten. Sie brauchen auch das Ständemehr. Die Analyse der vorliegenden Daten sei mit Unsicherheit behaftet, zeige aber, dass es tendenziell auf Kantone der Zentral- und Südostschweiz ankomme, heisst es in der SRG-Trendumfrage.

Die Autoren der Tamedia-Umfrage kommen derweil zum Schluss, dass das Ständemehr für die KVI die höhere Hürde sei als das Volksmehr: Selbst wenn die Initiative einen Ja-Anteil von 53 Prozent erreiche, sei offen, ob sie auch das Ständemehr erreiche oder nicht. Damit ist auch klar benannt, wo die Komitees in den verbleibenden zehn Tagen für die Schlussmobilisierung ansetzen werden: In den ländlichen Kantonen.

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173 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Bruno Meier (1)
18.11.2020 07:20registriert Juni 2018
Was mir noch aufgefallen ist, dass im Gegensatz zu anderen Initiativen, sehr viele humanitäre Organisationen und auch die Kirchen, die KVI aktiv unterstützen. Das ist deren gutes Recht und in gewissem Sinne auch deren Pflicht.
Aber die Art des Wahlkampfes, teils unterste Schublade, kommt bei vielen Betriebsinhabern sehr schlecht an. Ich hatte bisher nie bei Abstimmungen, Aussagen vernommen wie (sinngemäss): Bettelbriefe versenden "die" an uns, aber sieh mal, wie wir pauschal bezeichnet werden, die bekommen nie mehr etwas von mir." So ein Stil, kann langfristig zum Eigentor führen.
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Bivio
18.11.2020 11:09registriert März 2018
Dass die Gegner aufholen ist nicht verwunderlich. Das ist die normale Tendenz bei Initiativen. Am Anfang gibt es Zustimmung, da oft ein Thema aufgegriffen wird, welches den Leuten unter den Nägel brennt. Mit der Zeit schwindet die Zustimmung zur Initiative, da Gegenargumente und evtl. Gegenvorschlag aufkommen.
Bei der KVI ist dies klar ersichtlich. Es gab eine extrem lange "Pro-Kampagne". Seit ca. 3-4 Wochen kommen nun die Gegner stärker zu Wort. Dazu kommt mögl. auch die Tatsache, dass in diesen unsicheren Zeiten die Bevölkerung eher auf wirtschatliche Experimente verzichtet.
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Mon Alisa
18.11.2020 08:11registriert Juni 2019
Nachdem ich den Initiativentext gelesen habe, änderte ich meine Meinung zu Nein, da die KVI nicht nur Konzerne sondern auch KMUs tangiert. Laut Initiativtext, und darüber stimmen wir am 29. November ab, gibt es keine Ausnahmen für KMU. Es ist lediglich festgehalten, dass der Gesetzgeber Rücksicht nehmen muss «auf die Bedürfnisse von KMU, die geringe derartige Risiken aufweisen». Aber auch wenn Nichtrisikobranchen generell ausgenommen würden: die Nahrungsmittel- und Textilindustrie mit ihren KMU bleiben Risikobranchen. Es zählt also nicht die Grösse eines Unternehmens, sondern das Risiko.
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