Die AHV hat ein mittlerweile allen bekanntes Problem: Die Ausgaben bei der staatlichen Rentenversicherung steigen schneller als die Einnahmen. Der Hauptgrund: Die Babyboomer-Generation geht in Rente.
Das heisst, die Prozentzahl derjenigen, die von ihrer Rente leben, steigt im Vergleich zu den Menschen, die noch am Arbeitsmarkt teilnehmen und somit in das Rentensystem einzahlen. Ausserdem beziehen eben diese Rentnerinnen und Rentner aufgrund ihrer Lebenserwartung zunehmend länger ihre Renten.
Erkannt wurde das Problem schon vor langer Zeit, nur: Über dessen Lösung wird seit Jahren gestritten. In den letzten 20 Jahren sind mehrere Revisionsversuche gescheitert, wobei die letzte umfassende Revision der AHV auf das Jahr 1997 zurückgeht.
Nun steht eine weitere Reform an. Es ist keine, die das Problem der AHV grundlegend löst, sie soll die AHV aber «stabilisieren». Das heisst: Die Renten sollen zumindest für die kommenden zehn Jahre sichergestellt werden. Alle wichtigen Informationen zu «AHV 21»:
Mit der Reform «AHV 21» sollen für die nahe Zukunft die Renten gesichert werden. Dafür wird an beiden Enden der AHV angesetzt: einerseits an der Einnahme- und andererseits an der Ausgabenseite.
Bei der Einnahmeseite soll mehr Geld in die AHV fliessen, indem die Mehrwertsteuer erhöht wird. Neu würde der Normalsatz bei 8,1 statt 7,7 Prozent liegen. Die Mehrwertsteuererhöhung ist die für die AHV finanziell gewichtigere Vorlage. Der Bund schätzt, dass sie der AHV bis 2032 etwa 12,4 Milliarden Franken zusätzlich einbringen wird.
Bei der Ausgabenseite soll Geld eingespart werden, indem das Rentenalter der Frauen von heute 64 Jahren demjenigen der Männer angepasst wird. Neu läge der ordentliche Zeitpunkt für die Pensionierung der Frauen ebenfalls bei 65 Jahren.
Die Renten wären mit der Reform nicht dauerhaft gesichert. Aber: Die Reform würde die AHV voraussichtlich bis 2032 stabilisieren. Das heisst, die Renten wären bis dahin sichergestellt und ihr Niveau kann erhalten bleiben.
Durch die Mehrwertsteuer (abgekürzt MWST) wird der Verbrauch und der Konsum in der Schweiz besteuert. Sie wird vom Bund erhoben und ist in allen Kantonen gleich hoch. Für den Staat ist die Mehrwertsteuer eine wichtige Einnahmequelle.
Da es zu kompliziert wäre, wenn jeder Konsument und jede Konsumentin ihren Konsum selbst abrechnen würde, wird die Mehrwertsteuer bei den Unternehmen erhoben. Diese geben sie dann weiter, wobei es zwei Möglichkeiten gibt: Entweder wird die Mehrwertsteuer direkt mit den Konsumentenpreisen verrechnet oder sie wird als separate Position auf der Rechnung aufgeführt.
Die Mehrwertsteuer kennt drei verschiedene Sätze:
Ausgenommen von der Mehrwertsteuer sind Leistungen im Bereich der Gesundheit, der Bildung und der Kultur sowie bei der Vermietung und beim Verkauf von Immobilien.
Bei der Mehrwertsteuer ist bei allen drei Sätzen eine Erhöhung vorgesehen:
Im Beispiel: Gibt ein Kunde für einen Einkauf 100 Franken aus, so würden also neu 40 Rappen mehr davon in die AHV fliessen.
Bei einer Annahme der Reform wird das Frauenrentenalter ab 2025 auf 65 Jahre erhöht. Dafür sind vier Schritte vorgesehen, mit jedem Schritt arbeitet die in Rente gehende Generation drei Monate länger. Wie die Grafik zeigt, wird also diejenige Generation, die 2028 in Rente geht, erst mit 65 Jahren ordnungsgemäss ihre Renten erhalten.
Für die Übergangsgenerationen, die demnächst in Rente gehen, kommt die quasi verkürzte Rente einem finanziellen Verlust gleich. Dieser Verlust kann umso bedeutender sein, als dass er nicht in der Vorsorgeplanung der Frauen berücksichtigt werden konnte. Das Parlament hat deshalb für die Generationen mit den Jahrgängen 1961 bis 1969 zwei Ausgleichsmassnahmen beschlossen. Beide Massnahmen sind so ans Einkommen angepasst, dass Frauen mit tieferen Einkommen bevorzugt werden.
Zusätzlich zu den Ausgleichsmassnahmen soll es Rentnerinnen und Rentnern mit der Reform einfacher gemacht werden, schrittweise in Pension zu gehen: Neu kann die Rente im Alter zwischen 63 und 70 Jahren ab jedem beliebigen Monat bezogen werden. Will man sich heute früher pensionieren lassen, kann man die AHV-Rente nur entweder ein Jahr oder zwei Jahre im Voraus beziehen. Mit der Reform will man also auch die Pensionierung flexibler gestalten und eine teilweise Pensionierung einfacher machen.
Es sind zwei Vorlagen – in einer Reform. Über beide wird separat abgestimmt. Allerdings bilden sie eine einzige Reform («AHV 21») und sind dadurch miteinander verknüpft. Dabei ist es wichtig zu wissen: Wird eine der beiden Vorlagen abgelehnt, scheitert die ganze Reform.
Mit dem Bundesbeschluss über die Erhöhung der Mehrwertsteuer wird die Verfassung geändert. Deshalb muss zwingend darüber abgestimmt werden. Damit die Verfassungsänderung vorgenommen werden kann, braucht es eine Mehrheit von Volk und Ständen.
Über das Bundesgesetz mit den Leistungsanpassungen hingegen stimmen wir ab, weil gegen die Erhöhung des Frauenrentenalters das Referendum ergriffen wurde. Für die Annahme dieses Bundesgesetzes braucht es darum nur das Volksmehr.
Von den grossen Parteien sprechen sich GLP, Mitte, FDP und SVP für die Annahme der AHV-Reform aus. Auch Bundesrat und Parlament sind dafür. So wie wir im September über die zwei Vorlagen abstimmen, hat auch das Parlament separat über die Vorlagen abgestimmt. Das Resultat:
Ebenfalls für die AHV-Reform sind zahlreiche Wirtschaftsverbände sowie der Bauernverband.
Das wohl wichtigste Argument der Befürworter ist die Notwendigkeit einer AHV-Reform. «Die AHV gerät nach 25 Jahren ohne umfassende Reform finanziell zunehmend in Schieflage. Eine Reform ist dringend», schreibt zum Beispiel der Bundesrat in seinen Erläuterungen zu den Abstimmungen.
Die vorliegende Reform sei ein guter Kompromiss, da sie sowohl aus Mehreinnahmen als auch aus Minderausgaben, respektive Einsparungen besteht. Die Unterstützer der Reform betonen auch die neu mögliche Flexibilität bei der Pensionierung sowie den schrittweisen Übergang vom Berufs- ins Rentnerleben.
Ausserdem sei die Angleichung des Frauen- ans Männerrentenalter gerechtfertigt. Frauen seien heute besser ausgebildet als früher, überwiegend berufstätig und leben länger als die Männer. Man sei sich bewusst, dass Frauen im Schnitt heute immer noch weniger verdienen als Männer, meint der Bundesrat. Zusammen mit dem Parlament setze man sich für eine Lösung ein. Eine Ablehnung der AHV-Reform würde das Problem gemäss Bundesrat nicht beheben.
SP und Grüne haben für den 25. September die Nein-Parole beschlossen. Ausserdem gegen die Reform sind zahlreiche Gewerkschaften sowie Angestelltenverbände.
Das Hauptargument liegt beim erhöhten Frauenrentenalter: «Frauen erhalten bereits heute einen Drittel weniger Rente als Männer. Mit ‹AHV 21› soll auf ihre Kosten gespart werden», schreibt das Referendumskomitee.
Von den Gegnerinnen und Gegnern der Reform wird ausserdem befürchtet, dass die Erhöhung des Frauenrentenalters nur der Anfang sei einer generellen Erhöhung des Rentenalters in der Schweiz. Das würde die Ungleichheit weiter fördern, da es sich nur noch Top-Verdiener leisten könnten, sich früher pensionieren zu lassen, argumentiert das Referendumskomitee.
Ebenfalls problematisch sei die geringe Erwerbstätigkeit von älteren Menschen kurz vor der Pension als Folge von schlechten Arbeitsmarktbedingungen. Würde man zulassen, dass das Rentenalter weiter steigt, riskiere man eine steigende Arbeitslosigkeit unter den älteren Erwerbstätigen.
Das Referendumskomitee setzt sich auch gegen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ein. Eine Erhöhung senke die Kaufkraft zusätzlich, während bei den Renten gekürzt wird, so das Argument. In einem Land, in dem Unternehmen «rekordhohe Profite schreiben und die Nationalbank Gewinne anhäuft», gäbe es bessere Möglichkeiten, die AHV-Renten zu finanzieren, so das Komitee.
Gegnerinnen und Gegner der Reform haben darum wiederholt vorgeschlagen, für die Finanzierung der AHV Nationalbankgewinne herbeizuziehen. Dies wurde im Parlament von den linken Parteien sowie von der SVP in die Debatte eingebracht, aber am Ende von einer Mehrheit in den Räten abgelehnt.
Doch: Neben den beiden Vorlagen des Bundesrats zur Reform der Altersvorsorge stehen aktuell noch zwei Volksinitiativen zur AHV zur Diskussion: Die Initiative «Für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge» (Renteninitiative) von den Jungfreisinnigen sowie die Initiative «Für ein besseres Leben im Alter» (Initiative für eine 13. AHV-Rente), die von einem linken Bündnis ins Leben gerufen wurde. Über beide Initiativen wird aber erst zu einem späteren Zeitpunkt abgestimmt.