Frau Barco, gemäss einem Bericht der New York Times bezahlt die Schweiz trotz gegenteiligen Beteuerungen Lösegeld, wenn ihre Bürger entführt werden – so auch 2009, als Sie verschleppt wurden. Was stimmt nun? Wurden für Sie über zehn Millionen Franken bezahlt?
Gabriella Barco: Ich weiss es schlicht nicht. Als Geisel kriegt man nicht mit, was im Hintergrund alles abläuft. Der Artikel berührt mich natürlich.
Inwiefern?
Ich möchte auch gerne wissen, was tatsächlich passiert ist. Das würde mir auch bei der Aufarbeitung der Ereignisse helfen.
Angenommen, die Informationen des Artikels stimmen. Weshalb
beteuern die Regierungen stets, nichts zu bezahlen?
Es gibt wohl eine inoffizielle Sprachregelung unter den betroffenen Nationen, um potenzielle Nachahmer abzuschrecken. Wenn die Behauptungen korrekt sind, stelle ich mir auch ethische Fragen, die mich nicht loslassen: Hätte ich mich lieber erschiessen lassen wollen, wenn ich gewusst hätte, dass für mich bezahlt wird? Und ganz grundsätzlich: Wie viel ist ein Menschenleben wert?
In der Öffentlichkeit gibt es Unverständnis dafür, dass Steuergelder für Personen ausgegeben werden, die sich selbst in Gefahr gebracht haben.
Ich kenne die Diskussion, sie greift aber zu kurz. Wir sind keine Abenteurer, die in der malischen Wüste herumkurvten und den Kick suchten. Das ist für mich ein ganz wichtiger Punkt. Wir haben die Reise sorgfältig geplant und waren mit einer internationalen Reisegruppe unterwegs, welche stets von lokalen Führern begleitet wurde. Auch eine 77-jährige Teilnehmerin war dabei. Das Festival, an das wir gingen, wurde von zahlreichen Touristen besucht. Ich wüsste nicht, was wir anders hätten machen können. So eine Entführung kann mittlerweile in so vielen Ländern passieren – das ist ja genau das Ernüchternde.
Sind Sie seither wieder in eine
Gefahrenregion gereist?
Nein, natürlich nicht. Das war es nach unserer Wahrnehmung auch damals nicht. Wir können wegen dieser traumatischen Erfahrung überhaupt nicht mehr nach Afrika reisen. Die Angst wäre zu gross. Das ist leider der Preis, den man bezahlt. Viele interessante Erfahrungen sind nun leider nicht mehr möglich.
Ihre Geiselhaft liegt nun über fünf Jahre zurück. Haben Sie das Geschehene verarbeitet?
Komplett werde ich nie über die Erfahrung hinwegkommen. Im Gegensatz zu den ersten paar Monaten, in denen ich wie paralysiert war und keine Kraft hatte, bin ich mittlerweile aber psychisch einigermassen gefestigt.
Dennoch sprechen Sie, zumindest in der Öffentlichkeit, ungern über die genauen Umstände Ihrer Geiselnahme. Warum?
Die Hauptfrage ist: Was würde es mir bringen? Mit jeder Erzählung kommt alles wieder hoch, das will ich mir nicht antun. Wer das nicht erlebt hat, kann sich nicht vorstellen, was wir durchgemacht haben. Es war die Hölle. Eine Erfahrung, die ich niemandem wünschen möchte.