Der Wirtschaftsminister ist vorgeprescht: Mit seinem Rücktritt heute Dienstag ist Schneider-Ammann Doris Leuthard (CVP) zuvorgekommen. Die UVEK-Vorsteherin weilt derzeit am jährlichen UNO-Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs in New York. Schneider-Ammann hat sie gemäss eigenen Aussagen am Montag telefonisch über seinen Entscheid informiert.
Nach dem Telefonat dürften sich Leuthards Gedanken im «Big Apple» kaum noch um die grosse Weltpolitik in der UNO drehen, sondern um die eigene Zukunft. Denn Schneider-Ammann hat sie unter Druck gesetzt: Will Leuthard ihrer Partei einen Gefallen tun, muss sie bis zum Beginn der Wintersession am 26. November ebenfalls ihren Rücktritt bekanntgeben. In diesem Falle würden am 5. Dezember die beiden freigewordenen Bundesratssitze neu besetzt.
Und dabei wäre die CVP im Vorteil. Der Grund dafür findet sich in Artikel 133 des Parlamentsgesetzes, welcher die Besetzung von Vakanzen regelt. «Sind mehrere Vakanzen zu besetzen, so ist für die Reihenfolge das Amtsalter der bisherigen Amtsinhaberinnen oder Amtsinhaber massgebend», heisst es dort. Leuthard ist seit 2006 im Amt, Schneider-Ammann hingegen erst seit 2010. Damit würde zuerst der CVP-Sitz neu besetzt, dann jener der FDP.
Und das ist ein Vorteil für die CVP. Das Parlament ist gemäss Verfassung dazu verpflichtet, Rücksicht auf eine «angemessene Vertretung der Landesgegenden und Sprachregionen» zu nehmen. Hinzu kommt natürlich die Geschlechterfrage.
Da der Deutschschweizer Anspruch auf beide Sitze unbestritten ist, wird das Parlament auf die regionale Herkunft und das Geschlecht der Kandidierenden achten.
Weil ihr Sitz im Falle eines Doppelrücktritts zuerst neu besetzt würde, hätte die CVP mehr Optionen. Kandidierende sowohl aus der Ost- als auch aus der Zentralschweiz dürften sich Hoffnungen auf den Sprung in den Bundesrat machen. Beide Regionen waren schon länger nicht mehr im Bundesrat vertreten. Beim FDP-Sitz hingegen würden dann die Wahlchancen der Bewerber aus jener Region sinken, die bereits beim CVP-Sitz zum Zug gekommen ist.
Auch bei der Geschlechterfrage würde die CVP von einem baldigen Rücktritt von Doris Leuthard profitieren – beziehungsweise in erster Linie die CVP-Männer.
Und zwar aus folgendem Grund: Das Parlament kann sich schwerlich erlauben, beide Sitze mit Männern zu besetzen. Dann sässe mit Simonetta Sommaruga bloss noch eine Frau im Bundesrat. Weil man jedoch die heutige Frauenvertretung von zwei Bundesrätinnen auch noch beim FDP-Sitz sicherstellen kann, kommen beim CVP-Sitz auch Männer in Frage.
Folgt auf Leuthard tatsächlich ein Mann, wäre der Druck für eine Frau als Nachfolgerin Schneider-Ammanns riesig: Die männlichen FDP-Papabili würden in diesem Fall wohl leer ausgehen.