Die vom Bundesrat vorgeschlagenen Überbrückungsleistungen für über 60-jährige Arbeitslose werden von allen grossen Parteien grundsätzlich begrüsst - mit Ausnahme der SVP. Diese sieht darin «eine mit Steuermillionen betriebene Abstimmungskampagne des Staates gegen die Begrenzungsinitiative».
Eine Überbrückungsleistung belohne gerade jene Unternehmer, die ihre älteren Angestellten durch jüngere Zugewanderte ersetzen und dadurch «die zu starke Migration in unser kleines Land massgeblich verursachen», schreibt die SVP in ihrer Stellungnahme zur Vernehmlassung, die am Donnerstag zu Ende ging.
Der Bundesrat hatte seinen Vorschlag im Mai damit begründet, dass ältere Personen nach längerer Arbeitslosigkeit grosse Schwierigkeiten hätten, wieder eine Stelle zu finden.
Wenn diese ihren Anspruch auf Taggelder der Arbeitslosenversicherung verlören, müssten sie ihr Vermögen aufbrauchen, ihre AHV-Rente vorbeziehen und häufig auch ihre Altersguthaben aus der zweiten und der dritten Säule antasten, bevor sie Sozialhilfe erhielten, so begründete der Bundesrat sein Vorhaben. Die Sozialhilfequote der 60- bis 64-Jährigen sei von 2011 bis 2017 um 47 Prozent gestiegen - stärker als in allen anderen Alterskategorien.
Gelingt der Wiedereinstieg in die Arbeitswelt trotz verschiedenen Massnahmen nicht, sollen die Überbrückungsleistungen nach dem Willen des Bundesrates einen gesicherten Übergang in die Pensionierung ermöglichen.
Anspruch hätten Personen, die mit 58 Jahren oder älter ihre Stelle verloren haben. Eine Überbrückungsrente erhielte jedoch nur, wer mindestens 20 Jahre lang in die AHV eingezahlt hat - davon 10 Jahre unmittelbar vor der Aussteuerung. In diesen 20 Jahren muss ein Erwerbseinkommen in der Höhe von 75 Prozent der maximalen AHV-Altersrente erzielt worden sein.
Vorgesehen ist, dass der Bund die Überbrückungsleistungen finanziert. Der Bundesrat geht von einer Belastung des Bundeshaushaltes von rund 270 Millionen Franken pro Jahr aus, wenn sich das System eingependelt hat. Im ersten Jahr würden sich die Kosten auf 40 Millionen Franken belaufen.
Die SP begrüsst zwar den Vorschlag des Bundesrates, plädiert aber für Überbrückungsleistungen schon ab 55 Jahren und nicht erst nach dem 60. Lebensjahr. Ausserdem sieht die Partei die 75-Prozent-Koppelung an die maximale AHV-Altersrente als geschlechterdiskriminierend an, und zwar weil dies tendenziell Frauen benachteilige, die in der Regel schlechter verdienten als Männer.
Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) sieht das ähnlich: Er fordert, dass Personen, die schon vor dem vollendeten 57. Altersjahr ausgesteuert werden, Anspruch auf eine Überbrückungsleistung haben. Ausserdem fordert der SGB vorbeugende Massnahmen.
Dazu gehöre ein aktives Engagement der Wirtschaft sowie ein besserer Kündigungsschutz, ein wirksamer Schutz gegen Altersdiskriminierung, berufsbegleitende Weiterbildungsangebote und eine spezifische Ausrichtung der öffentlichen Stellenvermittlung auf die Bedürfnisse älterer Arbeitsloser, schreibt der Gewerkschaftsbund.
Die Gewerkschaft Travail.Suisse schliesst sich den SGB-Bedenken an und fordert zudem eine tiefere AHV-Mindestversicherungsdauer als die vom Bundesrat vorgeschlagene.
Die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) bemängelt die vom Bundesrat vorgeschlagenen 10 Jahre lückenlose Einzahlungspflicht vor der Aussteuerung, da dies Mütter oder Väter benachteilige, die aus familiären Gründen eine Erwerbspause eingelegt haben.
Auch die CVP befürwortet die Einführung einer Überbrückungsrente, fordert aber, dass dafür klare Voraussetzungen definiert und die Leistungen nach oben begrenzt werden.
Die Grünen begrüssen die vom Bundesrat vorgeschlagene Einführung einer Überbrückungsleistung für ältere Arbeitslose als «wichtigen Schritt»i. Se diene dazu, das Alterskapital zu schützen, Frühpensionierungen und entsprechend reduzierte Rentenleistungen zu verhindern und den häufig mit Scham verbundenen Gang zur Sozialhilfe zu verhindern. Es sei aber auch höchste Zeit, die Rahmenbedingungen für ältere Arbeitnehmende zu verbessern.
Die FDP empfiehlt eine Anhebung des Alters von 60 auf 62 Jahre für den Anspruch auf eine Überbrückungsrente. Und die Grünliberalen signalisieren überhaupt «grosse Vorbehalte», wie sie in einer Mitteilung schreiben.
Eine Überbrückungsrente, die faktisch einer Frühpensionierung entspreche, sei der falsche Weg und widerspreche dem Ziel der Rückkehr in die Erwerbstätigkeit.
Sollte der Bundesrat der Meinung sein, dass die Sozialhilfe nicht mehr bedürfnisgerecht funktioniere, sollte er mit den dafür zuständigen Kantonen eine Anpassung der Sozialhilferichtlinien diskutieren, statt mit der Überbrückungsleistung eine neue Sozialversicherung zu schaffen, die zu neuen Ungerechtigkeiten führe, schreiben die Grünliberalen.
Der Gewerbeverband äussert «grosse Bedenken». Die Einführung der Überbrückungsleistung verursache jährliche Kosten zwischen 200 und 350 Millionen Franken und berge zudem «grosses Missbrauchspotenzial». Deshalb sei das Alter für diese Leistung von 60 auf 62 zu erhöhen. Grundsätzlich brauche es mehr Anreize, damit Erwerbstätige länger im Arbeitsmarkt blieben und Ältere schneller wieder eine Stelle fänden. (aeg/sda)