Der Führungsstab der Armee ist für die grossen Einsätze des Schweizer Militärs verantwortlich. Derzeit ist er aber mit anderen Fragen beschäftigt. Hat ein Kadermann einen seiner Untergebenen als «Idiot» und «Arschloch» bezeichnet? Nein, er bezeichnete ihn als «Hobbyjuristen». Dies ist eines der Resultate einer seit 2015 laufenden Disziplinaruntersuchung.
Angeordnet hatte sie der damalige Armeechef André Blattmann. Er liess den Beschuldigten freistellen und ihm 2016 die Kündigung schicken. Nun stellt das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 3. Mai 2017 fest, dass die Armee den altgedienten Führungsmann zu Unrecht fallen gelassen hat. Es hiess seine Beschwerde gut.
Das Verteidigungsdepartement wirft dem Mann vor, sich diffamierend über Mitarbeiter, Vorgesetzte und höchste Kaderangehörige der Armee geäussert zu haben. Er solle «grosse formelle und informelle Macht» ausgeübt haben und ihm missliebige Mitarbeiter in den offiziellen Beurteilungsstufen degradiert, einen unqualifizierten Leutnant hingegen befördert haben. Zudem habe er über einen Bewerber einen Strafregisterauszug einholen lassen, obwohl auch dies nicht erlaubt sei. Eine Kontrollinstanz habe er umgestaltet, um deren Einfluss zu reduzieren.
Der Beschuldigte sieht sich als Opfer einer Intrige einiger weniger Mitarbeiter. Die Armeeführung legte ihm nur Zusammenfassungen der Untersuchungsergebnisse vor, zum Beispiel ein Dokument mit dem Titel «Üble Nachrede». Darin wird aufgelistet, wann er welche Armeeangehörige beleidigt habe. Die Quellen hält die Armee geheim, um die Mitarbeiter zu schützen. Sie gibt auch nicht an, wie die Befragungen durchgeführt wurden.
Die St.Galler Richter werfen dem Führungsstab der Armee nun vor, das rechtliche Gehör des Beschuldigten verletzt und die Untersuchungspflicht nicht erfüllt zu haben. Da die Armee dem Mann ein generelles problematisches Führungsverhalten, aber keine einzelnen konkreten Handlungen vorwerfe, hätte sie die Beweise besonders breit abstützen sollen. Der Führungsstab muss den Fall deshalb nochmals aufrollen. Das könnte teuer enden. Der freigestellte Kadermann bezieht seit zwei Jahren Lohn, ohne zu arbeiten. Er fordert zusätzlich eine Entschädigung von zweieinhalb Jahreslöhnen, falls er nicht weiterbeschäftigt wird.
Der Fall illustriert, dass SVP-Bundesrat Ueli Maurer seinem Nachfolger Guy Parmelin nicht wie angekündigt die beste Armee der Welt hinterlassen hat, sondern eher die beste Intriganten-Truppe. Das schlechte Arbeitsklima war einer der Gründe, die Maurer den Wechsel ins Finanzdepartement erleichtert hatten. Nach der Stabübergabe äusserte er sich im «Blick» zu den internen Machtkämpfen und Intrigen um das Rüstungsprojekt Bodluv. Maurer sagte: «Vor dem Hintergrund dieser Indiskretionen gibt es tatsächlich ein paar höhere Offiziere, die nochmals in den Kindergarten müssten.»
Zum aktuellen Fall will sich die Armee nicht äussern, da es sich um ein laufendes Verfahren handle. Sprecher Daniel Reist sagt, das Arbeitsklima im Führungsstab sei grundsätzlich gut. Auch die Disziplinaruntersuchung deutet er positiv: «Wie der vorliegende Fall zeigt, werden Hinweise von Mitarbeitenden sehr ernst genommen und detailliert abgeklärt.» Es handle sich um den ersten Fall des Führungsstabs, der bis vor Gericht gelangt sei.
Was es bedeuten kann, wenn die Armeeführung Hinweise der Mitarbeiter ernst nimmt, erlebt auch Oberfeldarzt Andreas Stettbacher. Im Dezember 2016 stellte ihn das Verteidigungsdepartement frei, zeigte ihn wegen Vermögensdelikten an und teilte dies öffentlich mit. Der Arzt geriet in die Schlagzeilen. Es hiess, er habe Weihnachtsessen für 500 Franken pro Person organisiert. Das wäre allerdings noch kein Grund für ein Strafverfahren.
Andere Gründe hat ein eingesetzter Strafrechtler bisher nicht gefunden. Er vereinbarte mit der Militärjustiz, er würde sie umgehend informieren. Bei der Militärjustiz heisst es, die im April in der «Schweiz am Wochenende» gemachte Aussage sei aktuell: «Wir warten immer noch auf Ergebnisse.» Aus Stettbachers Umfeld hiess es damals, er sei Opfer eines Rufmords.
Wie im neu aufgetauchten Fall handelt es sich um Schüsse aus den eigenen Reihen. Ob sie zu Recht oder zu Unrecht abgefeuert wurden, müssen die Untersuchungen zeigen. Bei beiden Varianten ist der Schaden für die Armee beträchtlich.