Schweiz

Quality of Death Index: Schweiz nur Mittelmass.

Beim Tod haben Schweizer oft Berührungsängste.
Beim Tod haben Schweizer oft Berührungsängste.
Bild: KEYSTONE

Die Schweiz: In der Lebensqualität top, im Sterben nur Mittelmass

In einem internationalen Vergleich zur Palliative Care schneidet die Schweiz nur mittelmässig ab. Das hat auch damit zu tun, dass der Tod ein Tabuthema ist.
08.10.2015, 09:1808.10.2015, 10:47
Roman Rey
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Die Schweiz mag das schönste Land zum Leben sein – das schönste Land zum Sterben ist es nicht. Zu diesem Schluss kommt eine internationale Analyse zur Palliative Care, der Begleitung von unheilbar kranken und sterbenden Menschen. Im Quality of Death Index von «The Economist» nimmt die Schweiz Platz 15 ein.

Die neue Studie, bei der Grossbritannien vor Australien und Neuseeland an der Spitze steht, bewertet die Effektivität der Palliative Care in 80 Ländern anhand von Faktoren wie der Qualität der Betreuung, den Bemühungen der Regierung und der Erschwinglichkeit.

Bild
Grafik: Economist Intelligence Unit

Wie kommen wir zu der mittelmässigen Platzierung? Wir haben doch eines der besten Gesundheitssysteme der Welt.

Ein Grund ist die öffentliche Wahrnehmung. Da erhält die Schweiz im Bericht nur eine durchschnittliche Note:

«Die Öffentlichkeit hat ein mittelmässiges Verständnis und Bewusstsein von Palliative-Care-Diensten. Auf Regierungs-Portalen und Bürgerprojekten findet man limitierte Informationen.»
«Quality of Death Index 2015»

Steffen Eychmüller, Arzt und Vizepräsident von palliative.ch, kann das Urteil nachvollziehen: «Das Image von Palliative Care ist leider immer noch schlecht. Man sagt und denkt: ‹es tötelet›».

Auch Geld ist ein Thema: «Das grösste Problem ist im Moment die Finanzierung. Bei vielen Palliativ-Abteilungen ist das Geld knapp – und es besteht das Risiko, dass sie wieder geschlossen werden müssen», sagt Eychmüller. Da müsse die Politik aktiv werden. «Ich wünsche mir, dass in eine hervorragende Betreuung am Lebensende ebenso viel investiert wird, wie in den Lebensphasen davor», so Eychmüller.

«Das Image von Palliative Care ist leider immer noch schlecht. Man sagt und denkt: ‹es tötelet›»
Steffen Eychmüller

Zudem gibt es gemäss Steffen Eychmüller zu noch zu wenig gut ausgebildete Fachpersonen. Das, obwohl die Palliative Care zum festen Bestandteil in der medizinischen Ausbildung geworden ist.

Die Richtung stimmt

Im Grossen und Ganzen hat sich die Lage in den letzten Jahren jedoch klar verbessert. 2010, als der «Quality of Death Index» letztmals erschienen ist, belegte die Schweiz Platz 19 von 40, heute ist es Platz 15 von 80.

Der weltweite Vergleich.
Der weltweite Vergleich.
Grafik: Economist Intelligence Unit

Der Bund hat im Jahr 2010 die «Nationale Strategie Palliative Care» gestartet, mit dem Ziel, «Palliative Care im Gesundheitswesen und in anderen Bereichen zu verankern». Dafür wurden verschiedene Projekte zur Forschung, Finanzierung, Sensibilisierung und Bildung lanciert.

«Welche Vorstellungen wir zum Lebensende haben, das können wir selbst beeinflussen. Ich will den Leuten die Angst davor nehmen.»
Steffen Eychmüller
Was ist Palliative Care?
Unter Palliative Care versteht man alle Massnahmen, die das Leiden eines unheilbar kranken Menschen lindern und ihm so eine bestmögliche Lebensqualität bis zum Ende verschaffen. Die Palliative Care umfasst die Betreuung und die Behandlung von Menschen mit unheilbaren, lebensbedrohlichen und/oder chronisch fortschreitenden Krankheiten. Sie wird vorausschauend miteinbezogen, ihr Schwerpunkt liegt aber in der Zeit, in der die Heilung der Krankheit als nicht mehr möglich erachtet wird und kein primäres Ziel mehr darstellt. (Quelle: palliative.ch)

Die Initiative zeigt offensichtlich Wirkung: Vor allem bei der Qualität der Palliative Care, der wichtigsten Kategorie des «Economist»-Berichtes, legte die Schweiz deutlich zu. Damals belegte sie Platz 30 von 40, heute ist es Platz 8 von 80.

Jedes Jahr mehr Patienten

Angesichts der Bevölkerungsentwicklung wird Palliative Care in Zukunft immer wichtiger. Gemäss dem mittleren Szenario des Bundesamts für Statistik steigt der Anteil der über 65-Jährigen an der Bevölkerung von 17 Prozent im Jahr 2010 auf 28 Prozent im Jahr 2060 an. Es wird mehr alte, pflegebedürftige Menschen geben.

Mit der veränderten Altersstruktur nimmt auch die Zahl der jährlichen Todesfälle zu – und mit ihnen die Palliativpatienten. Heute beanspruchen schätzungsweise 40'000 Personen jährlich Palliative Care. In den nächsten Jahren dürften es 53'000 werden, heisst es im Bericht zur nationalen Strategie des Bundes.

Der Palliativmediziner Eychmüller hofft, dass das Thema in der Schweiz enttabuisiert wird: «Welche Vorstellungen wir zum Lebensende haben, das können wir selbst beeinflussen. Mein Ziel ist es, dem letzten Lebensabschnitt ein positiveres Bild zu geben und den Leuten die Angst davor zu nehmen.»

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