Schweiz
Asylgesetz

Urner Regierungsrätin: «Ich habe noch nie so viel Groll und Hass erlebt»

Gegen 400 Seelisberger besuchen eine Infoveranstaltung ueber eine geplante Asylunterkunft, am Donnerstag 4. August 2016, in der Turnhalle von Seelisberg, Kanton Uri. Aus Protest verlassen viele Besuch ...
Die Informationsveranstaltung wurde nach wüsten Szenen vorzeitig beendet.Bild: KEYSTONE

Urner Regierungsrätin: «Ich habe noch nie so viel Groll und Hass erlebt»

Nach dem Eklat wegen des geplanten Asylzentrums schiebt die zuständige Vertreterin der Kantonsregierung den Schwarzen Peter anderen Politikern zu und ist sich selber keiner Schuld bewusst.
06.08.2016, 12:1206.08.2016, 15:23
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Nach dem Eklat an der Infoveranstaltung zum geplanten Asylzentrum in der Urner Berggemeinde Seelisberg am Donnerstag hat sich Regierungsrätin Barbara Bär schockiert über das Verhalten der Dorfbevölkerung geäussert. Zudem kritisiert sie das Verhalten des Gemeinderats.

Sie habe nach dem Anlass nicht gut und nicht viel geschlafen, sagte die Urner Sozialdirektorin in einem Interview mit der «Neuen Urner Zeitung» vom Samstag. So viele Emotionen, Groll und Hass habe sie in 20 Jahren als Exekutivpolitikerin noch nie erlebt.

Die Urner Regierungsraetin Barbara Baer posiert vor dem Hotel Loewen in Seelisberg, anlaesslich einer Infoveranstaltung ueber eine geplante Asylunterkunft, am Donnerstag 4. August 2016, in Seelisberg, ...
Die Urner Regierungsrätin Barbara Bär steht vor dem Hotel Löwen in Seelisberg, das zu einem Asylzentrum mit bis zu 60 Plätzen umfunktioniert werden soll.Bild: KEYSTONE

Vorwurf: «Stimmung noch angeheizt»

Es habe sich um eine inszenierte Verweigerung gehandelt, sagte die Freisinnige. Man habe ihr gar keine Chance geben wollen, sachlich zu informieren, Gerüchte aus der Welt zu schaffen und Lösungen zu präsentieren.

Bär kritisierte das Verhalten von Gemeinde- und Parlamentsvertretern. Diese hätten die Stimmung noch angeheizt, statt zu versuchen die Wogen zu glätten.

Kritik an der Informationspolitik der Regierung liess Bär nicht gelten. Der Gemeindepräsident sei frühzeitig über das Vorhaben vor der Inspektion der Unterkunft und vor der Vertragsunterzeichnung informiert worden. Die Infoveranstaltung sei zusammen mit dem Gemeinderat vorbereitet worden.

Dieser hätte sich nach Ansicht von Bär frühzeitig überlegen können, wie man die Bevölkerung einbeziehen respektive wie man die Sache kommunizieren könnte, um Verständnis für die Pflichten des Kantons zu wecken und verträgliche Lösungen aufzugleisen.

Der Seelisberger Gemeindepraesident Karl Huser-Lueoend, Mitte, anlaesslich einer Infoveranstaltung ueber eine geplante Asylunterkunft, am Donnerstag 4. August 2016, in Seelisberg, Kanton Uri. Die Vera ...
Die Veranstaltung wurde auf Vorschlag des Gemeindepräsidenten Karl Huser-Lüönd abgebrochen.Bild: KEYSTONE

Wohl weniger als 60 Leute

Rechtlich kann die Gemeinde die geplante Asylunterkunft im Hotel Löwen für gegen 60 Asylbewerber nicht verhindern. Die Regierungsrätin will nun mit dem Gemeinderat und der Interessengruppe «Vernünftige Asyllösung für Seelisberg» an einen Tisch sitzen und Verhaltens-Spielregeln definieren.

Die Urner Regierung will ab Mitte Oktober Asylsuchende in Seelisberg einquartieren, wie Bär sagte. Die maximale Zahl müsse aber nochmals überdacht werden. Das Rote Kreuz erhalte in Seelisberg die Möglichkeit, vielleicht fünf, vielleicht zehn Leute einzuquartieren, sobald andernorts kein Wohnraum mehr vorhanden sei.

Die Asylsuchenden werden laut dem Konzept des Kantons an 365 Tagen rund um die Uhr betreut. Für die Sicherheit ist eine erhöhte Polizeipräsenz im Dorf vorgesehen. Für die Bevölkerung wird eine Hotline eingerichtet.

Eine Begleitgruppe soll zudem Beschäftigungsmöglichkeiten für die Asylsuchenden zum Wohl der Allgemeinheit prüfen.

(dsc/sda)

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102 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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bangawow
06.08.2016 17:47registriert März 2016
365 Tage, rund um die Uhr betreut, erhöhte Polizeipräsenz, Hotline – wer zieht da ein? Lord Voldemort?
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wasylon
06.08.2016 13:40registriert August 2015
Warum soll diese Asylunterkunft eigentlich nur Männer bewohnt werden? Bei einer besseren Durchmischung währe sicher auch der widerstand kleiner.
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klugundweise
06.08.2016 12:25registriert Februar 2014
Vor längerer Zeit hatte Toni Brunner (ex SVP-Präsident) aufgerufen, Asylzentren zu bekämpfen.
Die Saat geht auf!
Ängste schüren, den Staat und seine Institutionen verspotten, Menschenrechte verhöhnen, Andersdenkende persönlich (unter der Gürtellinie) angreifen: das hat System und kommt aus der immer gleichen Ecke.
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