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Händedruck-Hickhack: Schule musste mit Islamrat verhandeln

Findet, Händedruck geht gar nicht: Janina Rashidi (links), PR-Beraterin und Medienverantwortliche des Islamischen Zentralrats, kam mit zum Elterngespräch.
Findet, Händedruck geht gar nicht: Janina Rashidi (links), PR-Beraterin und Medienverantwortliche des Islamischen Zentralrats, kam mit zum Elterngespräch.Bild: KEYSTONE

Händedruck-Hickhack: Therwiler Sekundarschule musste plötzlich mit Islamrat verhandeln

Die Familie der beiden muslimischen Schüler von Therwil wurde an einem Elterngespräch von der PR-Spezialistin des Islamischen Zentralrats Schweiz begleitet. Diese holte sich die Schule unwissentlich selber ins Haus.
12.04.2016, 06:4612.04.2016, 07:01
Bojan Stula / bz
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Die Händedruck-Affäre geht in eine neue Runde: Die beiden jungen Muslime werden schon seit Monaten vom Islamischen Zentralrat Schweiz (IZRS) beraten und sind bei ihren Gesprächen mit der Therwiler Sekundarschule von einer Vertreterin des umstrittenen Zentralrats begleitet worden. Doch nicht nur das: Wie «Blick online» gestern Abend berichtete, kam das Angebot, sich begleiten zu lassen, von der Schule selbst.

Der «Blick» zitiert Deborah Murith, die Sprecherin der Baselbieter Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion: «Die Schule hat der Familie angeboten, dass sie eine Vertrauensperson mitnehmen kann.»

Schulleitung hat nichts geahnt

Der Therwiler Sekundarschulrektor Jürg Lauener bestätigt gegenüber der «BZ» diese Darstellung. Eine Begleitung durch Fremdpersonen sei zwar bei Elterngesprächen «unüblich», doch komme sie auch sonst immer wieder mal vor.

Konrektor Michael Horn habe angesichts der ausserordentlichen Umstände der Händedruck-Verweigerung der Familie dieses Angebot unterbreitet. Allerdings habe die Schule im Vorfeld des Elterngesprächs natürlich nicht wissen können, dass sich die Familie des Imams ausgerechnet beim Islamischen Zentralrat Schweiz Unterstützung holt, betont Lauener.

PR-Chefin als Vertreterin

Beim Elterngespräch selbst habe sich dann Janina Rashidi als Vertreterin des IZRS vorgestellt und im anschliessenden Gespräch vor allem den religiösen Aspekt der Händedruckverweigerung erläutert. «Sie hat die Haltung der beiden Schüler resolut verteidigt, ist dabei aber nicht aggressiv oder ausfällig geworden», erinnert sich Lauener an Rashidi, die bisher als PR-Beraterin und Medienverantwortliche des Zentralrats in der Öffentlichkeit aufgetreten ist.

Seitens der Schule nahm Lauener gemeinsam mit seinem Konrektor Horn, den Fachlehrern der beiden Schüler und einem von der Schule beigezogenen Dolmetscher teil. Lauener sagt: «Es war eine ziemlich grosse Runde.»

Laut IZRS gebe es nach Konsultation der vier Rechtsschulen des Islam (hanafitisch, malikitisch, shafitisch und hanbalitisch) einen Konsens: Die Berührung zwischen einem fremden Mann und einer fremden Frau – dazu gehört der Händedruck – ist nicht erlaubt. Die Frage der Berührung falle unter das Kapitel der Prävention vor verbotenen Beziehungen und der Unantastbarkeit der Würde des Individuums.

Alte Muslime dürfen sich die Hand geben

Laut Koran würden die Gläubigen dazu ermahnt, ihre Blicke vor dem anderen Geschlecht zu senken, um die Möglichkeit einer Versuchung zu vermeiden. Was für den an sich schon untersagten Blick so sei, gelte erst recht für die Berührung, leiten die Gelehrten laut IZRS daraus ab.

Das Verbot gilt für geschlechtsreife Männer und Frauen, die «natürliche Triebe» verspüren. Als unproblematisch gelten indes Berührungen unter Kindern. Punkto Händedruck unter alten Menschen, bei denen die sexuellen Triebe kaum noch eine Rolle spielten, gehen die Meinungen laut IZRS auseinander.

Händedruck nur «ein Brauch»

Gemäss Zentralrat habe das Berührungsverbot im Islam keinen diskriminierenden Ursprung. Es gelte gleichermassen für beide Geschlechter. Auch könne darin eine besondere Geste des gegenseitigen Respekts gesehen werden.

Nicht-Muslimen empfiehlt der IZRS, den Händedruck nicht nur «conditio sine qua non» für gesellschaftliche Zugehörigkeit zu überhöhen. Der Händedruck soll das bleiben, was er ist: «Ein Brauch, auf den man ohne Abstriche auch verzichten kann.»

Dass Rashidi im Namen des in der Schweiz höchst umstrittenen und vom Staatsschutz überwachten Zentralrats sprach, habe die Therwiler Schulleitung und Lehrerschaft damals nicht stutzig gemacht. Dazu Rektor Jürg Lauener (61): «Im Nachhinein verstehen wir aber die Bedenken, die in diesem Zusammenhang in den Medien geäussert worden sind.»

Mini-Verein mit 2000 Mitgliedern

Der Islamische Zentralrat bezeichnet sich selbst als grösste islamische Organisation der Schweiz mit über 2000 Aktivmitgliedern und begleitet unter anderem Personen, die zum Islam konvertieren möchten. In der öffentlichen Debatte werden seine beiden Wortführer, Präsident Nicolas Blancho und Kommunikationschef Abdel Azziz Qaasim Illi, immer wieder wegen angeblich radikaler Äusserungen und der offensichtlichen Nähe zu fundamentalistischen Positionen kritisiert und angefeindet.

Die öffentlichen Auftritte des IZRS sind insbesondere den Vertretern eines gemässigten Islams ein Dorn im Auge. Im Zusammenhang mit der Vertretung der beiden muslimischen Baselbieter Schüler zitierte der «Blick» gestern Valentina Smajli, die Vizepräsidentin des Forums für einen fortschrittlichen Islam. Der Zentralrat stürze sich systematisch auf Probleme und schüre sie sogar: «Er unterstützt politische Forderungen von Fundamentalisten, um sich als Helfer und Bruder einzubringen und seine Vorstellung einer islamischen Gesellschaft durchzusetzen.»

Fatwa publiziert

Zum Fall der verweigerten Begrüssung von weiblichen Lehrerinnen per Händedruck hat der Islamische Zentralrat anfangs vergangener Woche eine Stellungnahme, eine sogenannte Fatwa publiziert. In ihren sonstigen Publikationen und öffentlichen Stellungnahmen legen IZRS-Vertreter stets besonderen Wert darauf, sich von Gewaltakten und Terrorismus zu distanzieren. (bzbasel.ch)

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66 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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MR .Z
12.04.2016 09:52registriert Februar 2016
ICH als Muslim sage das ist bullshit immer diese radikalen gläubigen machen uns das leben schwer. Alle Muslime die den Koran über der Schweizer Gesetz halten sollte man gleich ausschaffen!!!
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amRhein
12.04.2016 09:10registriert März 2016
Es ist völlig irrelevant was Mohammed, Jesus, Buddha oder auch der liebe Gott gerne hätte, ein Schüler ist in erster Linie Schüler und nicht Anhänger, dieser oder jener Glaubensgemeinschaft.

Der neutrale Raum einer Schule ist nicht der Ort, um seine persönlichen Überzeugungen auszuleben, ganz egal, von welchen politischen, religiösen oder weltanschaulichen Positionen man überzeugt ist.

Andere Menschen zu diskriminieren und ihnen das eigene Weltbild aufzudrücken, verstösst gegen die Religionsfreiheit. Das Kreuz wird abgenommen, gerade *weil* die Schule neutral sein will.
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sailinj
12.04.2016 07:47registriert November 2014
Die Schulleitung hat ihre Hausaufgaben nicht ganz gemacht: wenn der IZRS eine "Begleitperson des Vertrauens" stellen kann ist etwas ziemlich schief gelaufen. Am schlimmsten ist wohl, dass man diese "Beraterin" nicht gleich wieder rausgeworfen hat. Institutionen welche staatlich überwacht werden haben an einer Schule nichts verloren.
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