Pascal Rey, Sie sind für private Rettungsdienste tätig. Am Wochenende wurden in Zürich Sanitäter angegriffen, in Basel bedrängten Partygänger einen Rettungswagen so lange, bis die Besatzung die Polizei rufen musste. Ist Ihnen etwas in dieser Art auch schon widerfahren?
Pascal Rey: Ja. Solche Eskalationen gibt es immer öfter.
Welche Anlässe sind heikel?
Immer dann, wenn wir an einen Ort ausrücken müssen, an dem es viele Menschen hat und die Stimmung schon aufgeheizt ist, müssen wir damit rechnen, dass es kein einfacher Einsatz wird.
Was passiert dann?
Es gibt Leute, die sich uns in den Weg stellen. Viele werden ausfällig, meinen, sie wüssten besser, wie man einen Patienten versorgt.
Wurden Sie auch schon angegangen?
Ja. Beleidigungen und Drohungen sind schon fast Alltag. Ab und zu werden wir bespuckt, das ist dann richtig unangenehm. Noch heikler wird es, wenn Umstehende, oder aber Patienten, handgreiflich werden.
Was war ihr bisher übelstes Erlebnis?
Kollegen von mir wurden schon gewürgt. Einmal versuchte jemand, mir mit der Faust ins Gesicht zu schlagen. Ich konnte noch einen Schritt zurückweichen – so erwischte mich die Faust nicht mit voller Wucht. Trotzdem war es schmerzhaft, und die Brille flog davon.
Was geschah mit dem Aggressor?
Wir riefen die Polizei, sie konnte ihn anhalten, er verbrachte die Nacht in Untersuchungshaft. Ich zeigte ihn dann an.
Das Basler Justiz- und Polizeidepartement schrieb uns im Anschluss an die Vorgänge im Hafen vom Wochenende von einer Zunahme von Sachbeschädigungen bei den Rettungsdiensten in Basel. Verzeichnet ihr ebenfalls Vandalismus?
Ja. Auch bei uns sind immer wieder Fahrzeuge beschädigt worden, oder es kommt zu Diebstählen: Leute steigen ins Fahrzeug, lassen Jacken und Ausrüstung mitlaufen. Es kam auch schon vor, dass jemand unseren tragbaren Monitor umstiess. Der kostet mehrere zehntausend Franken.
Sie erwähnten Patienten, die Stunk machen. Wie muss man sich das vorstellen?
Viele Patienten sind betrunken oder haben harte Drogen konsumiert. Nun kann es zum Beispiel sein, dass wir jemanden ins Spital fahren, der bewusstlos ist. Wenn diese Patienten aufwachen, reagieren sie häufig verwirrt und aggressiv. Sie begreifen nicht, was passiert. Es spielt sicher auch eine Rolle, dass wir Uniformen und Stiefel tragen. Viele ticken sofort aus, wenn sie jemanden in Uniform erblicken.
Wie reagieren Sie, wenn jemand «austickt»?
Das ist von Fall zu Fall anders. Ist jemand besonders aggressiv, sollte man ihm nie den Rücken zukehren. Man muss aufpassen, sobald man sich in Reichweite der Hände befindet. Es kam auch schon vor, dass wir den Rettungswagen verlassen mussten, weil es darin zu gefährlich wurde. Wir warteten dann draussen, bis sich der Patient wieder beruhigt hatte.
Das Justiz- und Sicherheitsdepartement beklagte, es würden immer wieder Anordnungen der Rettungskräfte in Frage gestellt oder schlicht ignoriert.
Das kommt auch bei uns häufig vor. Hier sehe ich den Egoismus als Hauptproblem. Wir waren einmal eine Person am Behandeln, die bewusstlos war und einen Krampfanfall erlitt. Da kam jemand auf uns zu und forderte uns dazu auf, wir sollten unseren Rettungswagen gefälligst woanders parkieren, er wolle wegfahren. Es kam so weit, dass er drohte, er werde uns alle umbringen. Zum Glück kam dann die Polizei. Oder es gibt die Umstehenden – meist sind es Leute, welche die Patienten kennen - die alles besser wissen, die uns belehren wollen, uns manchmal sogar behindern.
Sollte die Polizei standardmässig mitausrücken?
Das ist in der Stadt Zürich in bestimmten Brennpunkt-Quartieren schon jetzt der Fall.
Wie beurteilen Sie die Massnahme?
Für unsere Sicherheit ist das begrüssenswert. Dass in der Schweiz bei jedem Einsatz standardmässig eine Patrouille vorbeigeschickt wird, ist aber wohl kaum machbar.
Wie gehen Sie mit schwieriger Klientel um, wenn die Polizei nicht vor Ort ist?
Wir müssen ruhig bleiben. Das Gespräch suchen. Begründen, warum wir etwas so machen und nicht anders. Das ist nicht immer so einfach. Wenn ich um 6 Uhr morgens nach 23 Stunden Schicht angepflaumt werde, muss ich mir schon sehr Mühe geben, nett zu bleiben. Dennoch: Es ist mein Job – und ich liebe ihn. (bzbasel.ch)