Im Herbstemester 2017 liess eine Professorin ihre Studenten eine Prüfung im Schuldbetreibungs- und Konkursrecht schreiben. Die Prüfung entsprach quasi 1:1 einer alten Prüfung aus dem Jahr 2013, welche öffentlich einsehbar war. Als Reaktion darauf ordnete die Uni eine Wiederholung des Examens an (siehe Box).
Weil er damit nicht einverstanden war, legte ein Jus-Student Rekurs ein. Im Januar 2018 entschied die Rekurskommission der Uni, dass die Wiederholung der Prüfung rechtsmässig sei. Dagegen wehrte sich die StudentInnenschaft der Universität Bern (SUB). Nun hat sie vor dem Verwaltungsgericht Bern Recht erhalten. Die Universität sei «rechtswidrig» vorgegangen, urteilte das Gericht. Eine Schlappe für die Universität.
Das Gericht hält fest, dass die Universität mit ihrem Vorgehen Recht verletzt hat und sie die Ergebnisse der ursprünglichen Prüfung hätte bekannt geben müssen. Laut Tobias Vögeli, Vorstandsmitglied der SUB, habe das Verwaltungsgericht in der Urteilsbegründung der Argumentation der Rekurskommission deutlich widersprochen. Er geht deshalb davon aus, dass die Uni den Richterspruch akzeptieren werde.
Die konkreten Auswirkungen des Urteils sind laut Vögeli zwar gering. Die SUB vertrat bloss einen einzelnen Studenten, der aufgrund der verordneten Prüfungswiederholung den Rechtsweg beschritten hatte: «Jetzt ist die Uni dazu verpflichtet, ihm eine Note für seine Leistung in der ursprünglich abgelegten Prüfung auszustellen.» Bei allen anderen Studenten, welche keinen Rekurs eingelegt haben, gelten die Noten der Wiederholungsprüfung.
Doch gemäss Vögeli habe das Urteil eine symbolische Wirkung: «Es wirft viele Fragen über den Entscheid und das Verhalten der Uni auf.» Der Entscheid der Rekurskommission der Uni möge vielleicht politisch einleuchten, rechtlich sei die Argumentation jedoch wenig bis gar nicht überzeugend», sagt Vögeli. «Das ist bedenklich, denn die interne Verwaltungsjustizbehörde sollte unabhängig und nur dem Recht verpflichtet urteilen.» Jetzt werde die SUB auf jeden Fall das Gespräch mit der Universitätsleitung suchen.
Doch auch über die Uni Bern hinaus könnte das weitreichende Folgen haben: «Die Frage, ob bei neuen Prüfungen alte Prüfungsfragen in leicht modifizierter Form verwendet werden dürfen, war immer strittig.» Diese Frage habe das Verwaltungsgericht jetzt grundsätzlich bejaht. Solange nicht nur einzelne Studenten einen privilegierten Zugang zu alten Prüfungsfragen haben, dürften diese in modifizierter Form verwendet werden. «Insofern betrifft das Urteil nicht nur Universitäten sondern auch Grundschulen, Gymnnasien oder Berufsschulen», so Vögeli.
Trotz der richterlichen Abmahnung habe das Urteil habe für die Uni Bern nicht ausschliesslich negative Seiten, gibt Studierendenvertreter Vögeli zu bedenken: «Wenn sich ein einzelner Student mit Unterstützung des Studierendenverbands vor Gericht gegen die professionelle Rechtsabteilung der Uni durchsetzt, ist das durchaus ein Kompliment für die Qualität des Jus-Studiums», sagt er mit einem Schmunzeln.
Die Universität Bern veröffentlicht am Montagabend ein knappes Communiqué. Sie habe das Urteil erhalten und zur Kenntnis genommen: «Die Universität Bern muss das Urteil nun aber zunächst sorgfältig analysieren, bevor sie inhaltlich weiter dazu Stellung nehmen kann.»
Die Hochschule verweist darauf, dass vom Richterspruch nur eine einzelne Personen betroffen sei, deren Einspruch gegen das Urteil der Rekurskommission vom Verwaltungsgericht gutgeheissen wurde.
Im Zusammenhang mit diesem Fall habe die Universitätsleitung bereits im vergangenen Sommer mit allen Fakultäten Kontakt aufgenommen, um sie betreffend Prüfungsangelegenheiten zu sensibilisieren: «Die Universitätsleitung und die Fakultäten sind sich darin einig, dass die integrale Wiederverwendung von alten Prüfungen ohne relevante Modifikationen zu vermeiden ist.»