Es kommt selten vor, dass sich ein Beschuldigter im Gerichtssaal so benimmt. Manche werden vor dem Richter still, andere brausen auf. Dieser Beschuldigte war weder besonders leise noch laut, sondern frech. Die Frage des Gerichtspräsidenten Daniel Aeschbach, ob der Beschuldigte verstanden habe, warum er hier sei, gehört zu jeder Verhandlung. Die Antwort fiel ungewohnt aus: «I ghöre no guet.»
Als erster Teil einer Gerichtsverhandlung werden Beschuldigte zu ihrer Person befragt. Auf die Frage nach seinem Beruf antwortete der 57-jährige Schweizer: «Das geht niemanden etwas an.» Auf die Frage, wie es ihm gesundheitlich gehe: «Ohne euch besser.» Auf die Frage, ob er einen Freundeskreis pflege: «Sie stellen ziemlich blöde Fragen.» Zu seinen Zukunftsplänen: «Da müssen Sie Mike Shiva anrufen.»
Grund für die Gerichtsverhandlung war unter anderem eine Töfffahrt im Juli 2016. Der Beschuldigte verliess kurz nach neun Uhr ein Restaurant in Hunzenschwil, bestieg seine Suzuki und fuhr in Richtung Suhr. Wegen seines Fahrstils fiel er einer Polizeipatrouille auf. Unsicher sei er gefahren. Die Polizisten versuchten, den Töfffahrer anzuhalten.
Doch es gelang ihnen nicht einmal, ihn auf sich aufmerksam zu machen. In Hunzenschwil kam die Haltekelle zum Einsatz. Der Töfffahrer zeigte keine Reaktion und fuhr auf die T5. Dort schrie ihn ein Polizist durch das offene Fenster an; er solle anhalten. Unbeirrt bretterte der Töfffahrer weiter. Die Verfolgungsjagd führte über die Tellistrasse, wo sich der Beschuldigte mittels Rechtsüberholen zwischen anderen Autos durchschlängelte.
Auf der Bibersteinerstrasse konnten die Polizisten wieder auf die Höhe des Töffs aufschliessen. Dieses Mal versuchten die Polizisten via Lautsprecher, den Mann zum Stoppen zu bringen. Der Töfffahrer fuhr unbeeindruckt weiter nach Küttigen. Dort schien das Ende der Verfolgung absehbar. Ein Auto der Stadtpolizei kam dem Töfffahrer entgegen.
Als er dies bemerkte, machte er eine Vollbremsung und riss den Töff herum. Das Polizeiauto hinter ihm stand quer auf der Strasse, doch dem Mann gelang es, sich zwischen dem Auto und einer Gartenmauer durchzuzwängen und seine Fahrt im Quartier fortzusetzen.
Mit ungefähr 50 Stundenkilometern raste er durch die Tempo-30-Zone und hielt unvermittelt vor einem Mehrfamilienhaus in Aarau – dem Haus seiner Exfrau – , wo ihn die Polizisten schliesslich überwältigen konnten. Sie brachten ihn zurück an seinen Wohnort, wo der Beschuldigte am gleichen Abend noch einen Lieferwagen klaute. Dieser wurde Tage später mit DNA-Spuren des Mannes in Aarau gefunden.
Bei der Beantwortung der Fragen zur Verfolgungsjagd zeigte sich der Beschuldigte kooperativer. An die Kelle könne er sich noch erinnern. Daran, dass er eine Strassensperre durchbrochen hatte, nicht.
«Ich wundere mich, dass ich die Maschine überhaupt starten konnte», sagte er. Auch das Gesamtgericht zeigte sich verwundert. Wie der Drogentest ergab, hatte er rückgerechnet zwischen 1.92 und 2.61 Promille Alkohol im Blut, sowie die Rückstände eines Medikamentes, das bewusstseinsstörend wirken kann. Den Fahrausweis hatte er zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr.
Die Liste der Straftaten, die dem Mann vorgeworfen wurden, beinhaltet zudem Diebstahl von Fahrzeugen, Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung und Gewalt gegen die Behörden. Und dies scheint keine neue Entwicklung im Leben des Mannes zu sein. Ein als Zeuge anwesender Polizist gab an, den Namen des Mannes schon gekannt zu haben, bevor er ihn zum ersten Mal antraf.
Der Beschuldigte wurde zu 12 Monaten Gefängnis unbedingt verurteilt, zusammen mit einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen à 10 Franken und einer Busse von 1500 Franken. Der Töffraser, der aktuell auch gerade eine Freiheitsstrafe verbüsst, gab an, dass er das Urteil nicht weiterziehen werde. «So kann ich das Zimmer gleich behalten.» (aargauerzeitung.ch)